Langsam senkt sich die Dunkelheit über das Ottenleuebad. Die massive Gantrisch-Bergkette ist nur noch als Schatten wahrnehmbar. Am Firmament leuchten die Sterne auf. Wenn sich die Augen lange genug an die kargen Lichtverhältnisse gewöhnt haben, ist sogar die Milchstrasse zu erkennen. Ein magischer Moment, würden nicht einige Meter weiter Strassenlampen im Ort den Zauber mit ihrem Licht brechen. Beherzt schreitet deshalb Guggisbergs Gemeindepräsident Hanspeter Schneiter zum Sicherungskasten und dreht den Schalter – das störende Licht geht aus, der kleine Ort ist ganz in Dunkelheit gehüllt, die Sterne scheinen erneut aufzuflammen.
Dieses «Lichterlöschen» in Ottenleuebad symbolisierte Ende August den offiziellen Beginn des Sternenparks Naturpark Gantrisch. Dieser umfasst den gesamten Perimeter des eigentlichen Naturparks. Die Verantwortlichen gehen allerdings noch einen Schritt weiter: Eine 103 km² grosse Lichtschutzzone soll die Dunkelkammern in der Moorlandschaft Gurnigel-Gantrisch erhalten und die ansässigen Biotope und die damit verbundene Biodiversität schützen. Auch die «International Bird Area IBA» über der Wasserscheide Gurnigel bleibt dunkel und soll den Zugvögeln die Orientierung erleichtern.
«Wann haben Sie das letzte Mal die Milchstrasse gesehen?», fragt Nicole Dahinden die versammelten Gäste und Medienvertreter. Seit Jahren weibelt sie als Verantwortliche für das Projekt Nachtlandschaft im Naturpark Gantrisch für die Dunkelheit. «Wir können das Gebiet leider nicht noch dunkler machen. Das Licht kommt in den Park hinein», erklärt sie und verweist auf die umliegenden Städte und Zentren wie Bulle, Freiburg und Thun sowie vor allem Bern. «Es ist wahnsinnig, wieviel künstliches Licht produziert wird und die dafür benötigte Energie einfach verpufft.»
Es geht dabei um weit mehr als die Empfindung von uns Menschen und den Zauber der Milchstrasse, wie Eva Knop vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern festhält. Sie hat den Einfluss von Lichtverschmutzung untersucht. Städte, Beleuchtungen und Reklamen überstrahlen nämlich mit ihrem Streulicht das Sternenlicht. Das künstliche Licht hellt die nächtliche Umwelt auf und stört den Tag-Nacht-Rhythmus von Mensch und Natur. Und das hat Folgen: Insekten sterben an künstlichen Lichtquellen und Zugvögel verlieren im Lichtsmog die Orientierung. Zudem leidet die Pflanzenwelt darunter. Denn in der Nacht werden Blüten ebenfalls durch Insekten bestäubt – von nachtaktiven Tieren eben. Pflanzen, die künstlichem Licht ausgesetzt sind, tragen weniger Früchte als jene, die in der Dunkelheit der Nacht gedeihen können. Deshalb entwickelte das Naturpark-Team um Nicole Dahinden mit den Parkgemeinden Richtlinien, die Massstäbe für einen nachhaltigen Umgang mit Beleuchtungen enthalten. «Die Gemeindepolitikerinnen und -politiker sind unsere wichtigsten Partner. Haben Sie den Wert der Nacht erkannt, können sie deren Schutz in der Gemeinde verankern, sensibilisieren und mit einer suffizienten öffentlichen Beleuchtung als Vorbilder vorangehen», so Nicole Dahinden. Die dafür nötige Überzeugungsarbeit leistet der Naturpark durch Beratungen, durch Kurse und bereitgestellte Werkzeuge. Gemeinsam mit externen Partnern und dem Bundesamt für Umwelt BAFU hat der Förderverein Region Gantrisch dazu eine «Licht-Toolbox» erarbeitet, die den Parkgemeinden Hilfestellung bietet, das Problem «Lichtverschmutzung» zu verstehen, künftige Herausforderungen vorauszusehen und Massnahmen zu erarbeiten. So auch in Guggisberg. «Die natürliche Dunkelheit lässt sich nicht immer problemlos mit den Bedürfnissen von Einwohnern und Gemeinden in Einklang bringen. Gemeinsam finden wir Lösungen zum Schutz der Nachtlandschaften, ohne Einbussen bezüglich Sicherheit und Wohlbefinden», sagt Gemeindepräsident Hanspeter Schneiter.
Die bereits bestehende, überdurchschnittliche Nachthimmelqualität in der Kernzone sowie der Wille der Gemeinden, der Lichtverschmutzung Einhalt zu gebieten, bilden die Basis für die angestrebte Zertifizierung als «DARK SKY PARK». Die «International Dark Sky Association» mit Sitz in Arizona, USA, zeichnet Gebiete aus, die über aussergewöhnliche, geschützte Nachthimmel und -Lebensräume verfügen. Nicole Dahinden rechnet sich gute Chancen aus, dass der Naturpark diese Zertifizierung bald erhält. Aber diese ist nicht so wichtig wie das Bewusstsein, dass eine massvolle Beleuchtung mehr Lebensqualität bringt. Nicht nur für den Menschen, sondern für die Natur insgesamt.