«Ich habe noch kein Argument gehört, das einen Weg aus der finanziellen Notlage ohne Steuer-
erhöhung aufzeigt», sagt
Matthias Müller (EVP) an die Adresse der SVP und FDP. Sie sind die einzigen Parteien, die sich für ein «Nein» stark machen. Fehlende Argumente sind ein Vorwurf, der zwar immer wieder vorgebracht wird, bei Müller jedoch hat dieser besonderes Gewicht. Er gehörte vor zwei Jahren, als ein moderaterer Steueranstieg zur Abstimmung stand, noch zu den Gegnern. Jetzt hat er umgeschwenkt. Die Lage sei ernst, das erkenne jeder, der sich mit den Zahlen auseinandersetze, begründet er seinen Entscheid. Er ist damit in guter Gesellschaft: Eine Mehrheit des Parlaments, der Gemeinderat, die Grünen, die SP, die glp, die Mitte und die EVP sprechen sich für die befristete Steuererhöhung aus.
Der Zeitfaktor
FDP und SVP zeigen sich wenig beeindruckt von dieser Mehrheit. Dominic Amacher (FDP) und Reto Zbinden (SVP) bringen am besagten Podium die vermeintlich fehlenden Argumente vor. Wirtschaftsförderung, Verwaltungsreformen, noch weniger Ausgaben. Die Krux ihrer Aussagen liegt aber im «wie». Wie soll eine einzelne Gemeinde einen Abgang der Swisscom als nationales Unternehmen ersetzen und ein neues Unternehmen finden, das eine halbe Milliarde Umsatz ausweist, damit wieder eine Million Franken an Steuern reinkommen? Wie erkennt man von aussen, welche Verwaltungsbereiche straffer geführt werden könnten und wo es Sparpotential gibt? Wie kann eine Liste mit Leistungen, welche die Gemeinde freiwillig erbringt, gekürzt werden, ohne dass die Lebensqualität schwindet? Umso mehr, als dass über 7 Mio. Franken pro Jahr eingespart werden müssen? Um Antworten auf diese Wie-Fragen zu finden, braucht es eine Ressource, die in Finanzfragen in Köniz ebenfalls knapp geworden ist: Zeit. Ob die Argumente der Gegner stechen, ist kurzfristig nicht zu eruieren.
Der Gewinn
Deshalb werden die Immobilien zum Spielball. Ein Verkauf sorgt kurzfristig für mehr Geld oder aus Sicht der Gegner für mehr Luft, um die Argumente zu vertiefen. Die Ja-Seite sieht das anders: «Wir investieren in allen Gemeindegebieten und wir achten darauf, dass kein Tafelsilber verscherbelt wird, wir brauchen es vielmehr. Wir versuchen, die langfristige und nachhaltige Entwicklung in den Vordergrund zu stellen», sagt Gemeinderat Thomas Brönnimann (GLP). Aktuell belaufen sich die Schulden von Köniz auf 3000 Franken pro Kopf. Tendenz steigend. Das Ziel ist also nicht nur ein ausgeglichenes Budget, sondern gar ein Gewinn. Nur so können die angehäuften rund 400 Mio. Franken Schulden abgebaut werden. Hier stechen nun die Argumente der Gegner. Mit einer Steuererhöhung allein ist es nicht gemacht. Wirtschaftsförderung und Co. könnten parallel zu einem Schuldenabbau führen. Letztlich helfen sie, damit eine Senkung der Steuern in sechs Jahren realistischer wird.
Die Relationen
Die FDP und die SVP halten an ihrem Kurs fest. So schnell fahre der schwarze Mercedes des Kantons nicht vor und übernehme das Zepter, heisst es bei den Liberalen. Auf ihrer Uhr ist es nicht fünf vor zwölf, sondern erst zehn vor zwölf. Egal wie spät es nun wirklich ist, bei einem Nein zur befristeten Steuererhöhung startet die Gemeinde ohne Budget in das neue Kalenderjahr und darf nur noch die nötigsten Ausgaben tätigen. Vanda Descombes (SP) spricht dabei von «drastischen Folgen». Ein neues Budget müsste erstellt werden, die Ressource Zeit wird weiter aufgebraucht. Nach den Debatten der vergangenen Monate ist es wenig wahrscheinlich, dass eine Patentlösung die Sachlage grundlegend ändern könnte. Mal angenommen, der Kanton müsste daraufhin das Zepter übernehmen, er würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Steuern anheben; dann aber wohl kaum befristet. Ein Steuerfuss von 1,60 ist ein deutlicher Anstieg für Köniz. Setzen wir den Wert in kantonale Relationen, liegt er unter dem Durchschnitt und tiefer als in der vergleichbaren Gemeinde Thun.
Die FDP und SVP haben durchaus Argumente. Die Frage aber lautet, ob sie konkret genug sind, dass sie kurzfristig greifen können. Der Blick auf die Uhr oder anders gesagt die Tatsache, dass Köniz in einen Bilanzfehlbetrag schlittelt, verdeutlicht, dass es zumindest reichlich spät ist. Ein Nein zur befristeten Steuererhöhung rückt dann lediglich die Wie-Fragen in den Vordergrund, während die Schlittelfahrt ungebremst weitergeht. Parlament und Gemeinderat haben dem Budget 2022 zugestimmt und werben für ein Ja. Sie erkennen keine kurzfristigen anderen Wege. Der Abstimmungskampf hat eines deutlich gemacht: Die Präsenz all dieser Politikerinnenn und Politiker zeigt die Dringlichkeit auf. Und das ist vielleicht auch eine Art Antwort.
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