Beliebt, sympathisch, erfolgreich. Mit Mujinga Kambundji hat die Schweiz einen neuen Stern am Leichtathletik-Himmel. Bereits als Teenager stellte sie mehrere Rekorde auf, machte sie seither in Sportkreisen mit Top-Resultaten auf sich aufmerksam. Ins Licht der breiten Öffentlichkeit rückte sie letzten Sommer durch die Leichtathletik-EM in Zürich, an der sie nebst dem 4. Rang über 100 und dem 5. Rang über 200 Meter einen neuen Schweizer Rekord aufstellte. Das Missgeschick in der Sprintstaffel tat ihrer Popularität keinen Abbruch. Im Dezember letzten Jahres wurde sie bei den «Sport Awards» unter die Top-Drei-Sportlerinnen des Jahres gewählt. Auch in diesem Jahr sorgte sie bereits für positive Schlagzeilen: Beim nationalen Hallenmeeting in Magglingen diesen Januar stellte sie zweimal einen Schweizer Rekord über 60 Meter auf.
Zwei Tage vor dem Wettkampf treffen wir uns nahe ihres Zuhauses in einem Restaurant in Liebefeld. Gut gelaunt und schwungvoll kommt sie herein, bestellt sich einen Cappuccino und nimmt sich ausführlich Zeit fürs Gespräch. Sie sieht erholt aus. Mujinga Kambundji lacht. Gerade eben sei sie für zwei Wochen auf Teneriffa gewesen, erklärt sie. «Nicht in den Ferien, im Trainingslager.» Trotzdem habe sie sich gut erholt, denn abseits des Trainings habe sie auch Zeit für sich gehabt. «Ende des letzten Jahres hingegen hatte ich viele zusätzliche Termine», bekennt die Spitzensportlerin. Umso mehr hätte sie sich gefreut, sich wieder voll und ganz dem Laufen widmen zu können.
Unter Druck am schnellsten
Mujinga Kambundji, Tochter einer Schweizerin und eines Kongolesen, machte 2011 im Gymnasium Köniz Lerbermatt die Matura. Sie zog das Gymnasium einer Sportschule vor und meistert auch heute noch erfolgreich den Spagat zwischen Sport und Ausbildung. Die 22-Jährige trainiert von Donnerstag bis Samstag in Mannheim, da dort die Konkurrenz grösser ist. Einmal wöchentlich pendelt sie nach Zürich, «um auf der 100-Meter-Bahn zu trainieren, weil es in Bern keine solche hat», erklärt sie. Daneben studiert sie Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Bern (PHW). Zu viel wurde ihr die Doppelrolle bisher nicht, obschon es manchmal stressig werde. Für sie kein Problem: «Unter Druck laufe ich zur Höchstform auf», sagt sie und betont, dass sie es dafür im Alltag eher locker angehe. «Meist lerne ich erst auf den letzten Drücker», meint sie schmunzelnd. Gilt es aber ernst, ist es mit ihrer Lockerheit vorbei. Im Sprint, wo Hundertstelsekunden zwischen Erfolg und Misserfolg entscheiden, kann der Kopf den entscheidenden Unterschied ausmachen. «Vor einem Wettkampf bin ich sehr nervös. Genau diese Angespanntheit brauche ich aber, um alles zu geben.» Eine Eigenschaft, die ihr in der Leichtathletik bisher zu Höchstleistungen verholfen hat; und die ihr auch ausserhalb des Sports grossen Nutzen bringt – so wie momentan bei ihrem Studium.
Und auch das ist eine grosse Stärke von Kambundji: ihre Unbekümmertheit, die sie sich bewahrt hat – trotz des Drucks, der auf einer jungen, aufstrebenden Sportlerin lastet und zuweilen sehr schwer werden kann, insbesondere, wenn es mal nicht gut läuft. So sagt sie über die Sprintstaffel am «Meeting Weltklasse Zürich» im «Letzigrund», das eine Woche nach dem missglückten EM-Staffellauf im gleichen Stadion stattfand: «Es war gut, nochmals dort zu laufen.» Sie habe versucht, sich zu fokussieren – und einfach nicht zu viel nachzudenken.
Schön langsam
An einem freien Tag schlafe sie gerne aus, frühstücke ausgiebig und geniesse es, Zeit mit ihrer Familie zu verbringen. Insbesondere mit ihren drei Schwestern Ditaji (12), Muswama (19) und Kaluanda (23) verbindet sie ein enges Band. Die beiden jüngeren Schwestern wollen in ihre sportlichen Fussstapfen treten, die älteste Schwester betrieb ebenfalls Leichtathletik, heute studiert sie Sportwissenschaften. «Wir sind uns sehr nah», betont Kambundji und erzählt strahlend, dass sie letzten Herbst zu viert in New York Ferien gemacht hätten. Ansonsten sei sie aber auch gerne zu Hause, ergänzt sie. Dann nimmt es die schnellste Schweizerin ganz gemütlich, trifft sich mit Kolleginnen auf einen Kaffee, geht fein essen oder schaut sich Serien oder Filme an.