«Wir sind es uns ja gewohnt, dass mal ein Plakat der SVP verwüstet wird. Aber nun hat es ein Ausmass angenommen, das erschreckend ist», sagt ein besorgter Grossrat Reto Zbinden (SVP). Beat-Michael Roth zeigt indes auf ein Plakat, auf dem ein Aufkleber mit den Worten prangt: «Ein toter Mensch kann nicht vergewaltigen», unterzeichnet vom «wahren Rebell» (ein Aufkleber eines Antifa-Shops aus Bern). Die Könizer Zeitung | Der Sensetaler unternimmt eine Fahrt einmal quer durch Köniz. Das Ausmass an Plakatvandalismus verblüfft: Mehr als die Hälfte der SVP-Plakate sind beschädigt. Das Pikante daran: Es sind nur diejenigen dieser Partei betroffen. Selbst dort, wo unmittelbar nebenan Kandidierende der GLP oder SP um die Wette strahlen, ist einzig dasjenige der SVP verkratzt.
Vom Kommunalen keine Ahnung
Die frischgebackene SVP-Gemeinderätin Kathrin Gilgen lächelt von einem Plakat, daneben sitzt ihr junger Hund auf einem Strohballen. Der «Jö-Effekt» wirkt bei den Vandalen nicht. Wo SVP draufsteht, wird zerstört. Offenbar ohne jegliche Politkenntnis. Die tier- und naturliebende Wangentalerin wird im ganzen Parlament weit über ihre Parteigrenzen hinaus geschätzt. Würden die Vandalen immer noch zerstören, wenn sie das wüssten? Gilgen selbst sagt indes im für sie typisch pragmatischen Ansatz: «Dass sie mich zerkratzen ist mir eigentlich ziemlich gleichgültig, aber was bitte schön hat ihnen dieser junge Hund angetan?» Man kann mit der nationalen Partei nicht einverstanden sein, aber die kommunalen Politikerinnen und Politiker können dafür nichts. In Köniz heissen sie Gilgen, Zbinden, Moser, Burren, Hofer, Winzenried, Hostettler, Marti oder Roth, nicht aber Glarner oder Aeschi. Hätten die Vandalen sich je einmal auch nur ansatzweise für die lokale Politik interessiert, wüssten sie, dass man hierzulande gerne mit der SVP zusammenarbeitet. Viele Abstimmungsergebnisse sind schon zustande gekommen, weil Rechts und Links eine Notwendigkeit erkennen und sich gemeinsam dafür einsetzen. Wenn man die Parlamentssitzungen dieses Jahres studiert, war dies mehr als ein Dutzend Mal der Fall.
Nur im urbanen Raum
Die Fahrt durch die Gemeinde zu den zerstörten Wahlplakaten zeigt noch eine weitere Auffälligkeit. Im Wangental und in der oberen Gemeinde bleiben die SVP-Aushänge unbeschädigt. Ist es eine Anstandsfrage, ob man Demokratie zulässt und auch Wahlempfehlungen akzeptiert, die den eigenen Werten weniger entsprechen? Auf jeden Fall. Im ländlichen Teil von Köniz bleiben übrigens auch die Plakate der Linken unbeschädigt. Nun reicht es ja, wenn ein paar wenige hier den Anstand vergessen und die Demokratie buchstäblich zerkratzen, deswegen ist der urbane Teil noch lange nicht unanständig, das sei hier explizit betont. Aber ein Blick in die Vandalismuszahlen beim Bundesamt für Statistik zeigt, dass die SVP überproportional oft davon betroffen ist. Und dies hauptsächlich in den urbanen Gebieten. Die Wahlen in der Stadt Bern vor genau einem Jahr haben dasselbe gezeigt: Die SVP-Plakate waren mehrheitlich zerkratzt, zerstört oder zerrissen. Lediglich im Stadtteil VI, der SVP-Bern-Hochburg, blieben die meisten unversehrt.
Ein neuer Tiefpunkt
Wegen ein wenig Vandalismus von ein paar Antidemokraten allein müssten hier aber nicht so viele Zeilen verschwendet werden. Doch im Falle der diesjährigen Wahlen in Köniz geht es halt noch einen Schritt weiter: Ein Kandidat hat eine Morddrohung erhalten. Die SVP hat Strafanzeige eingereicht, weshalb hier keine Namen erwähnt werden. Selbst die gestandenen Politikerinnen und Politiker, die an den Wahlfeierlichkeiten teilnahmen, konnten sich nicht daran erinnern, dass es so etwas schon mal in Köniz gegeben hat. Was also ist zu tun, um solches Gebaren gegenüber Politikerinnen und Politikern zu unterbinden? Aufklärung? Die ketzerische Gegenfrage lautet: Kann man Menschen aufklären, die dermassen den demokratischen Kompass verloren haben? Egal, wie man diese Frage beantwortet: Ja, man muss aufklären. Unaufhörlich und fortwährend. Aufzeigen, welch unglaublich hohe Pensen an Arbeit die Menschen leisten, die in Köniz politisieren. Seit vielen Jahren besucht diese Zeitung die Parlamentssitzungen der Gemeinde. Mit Fug und Recht darf man behaupten: Das Könizer Parlament ist eines der konstruktivsten und lösungsorientiertesten weitherum. Gemeinsam hat man den budgetlosen Zustand aufgelöst, gemeinsam packt man das Schulraumproblem an, gemeinsam wägt man die verschiedenen Argumente ab, kämpft auch mal hart, um sich wenig später wieder bei einem Glas auf respektvolle Art und Weise zu unterhalten. Das ist gelebte Demokratie made in Köniz. Deshalb sei an die Adresse der Vandalen gesagt: Diese Zeitung wird euch unaufhörlich aufzeigen, wie in Köniz mit allen Parteien gemeinsam politisiert wird. Denn was ihr hier macht, ist nichts weiter als ein vorbildlich funktionierendes Köniz zu schwächen. Und das mag wohl kaum im Sinne der Aktion sein. Es ist schlicht dumm, dümmer, demokratiefeindlich.


