Das Dorf Mittelhäusern hat 950 Einwohner und wächst stetig. Doch Geschäfte wurden es immer weniger. Nach und nach schlossen die Post, die Käserei, das Restaurant und auf Ende Mai 2017 mit der Jägerbäckerei auch der letzte Laden im Dorf. Damit Mittelhäusern nicht zu einem «Schlafort» verkommt, wurden die Einwohner tätig. Der Ortsverein organisierte am 10. Mai 2017 eine öffentliche Diskussionsveranstaltung unter dem Titel «Ein neues Einkaufs-Lädeli in Mittelhäusern?». Es bildete sich eine Projektgruppe, die neue Modelle für die Grundversorgung mit Lebensmitteln prüfte und eine Umfrage unter der Bevölkerung durchführte. Diese ergab, dass die Mittelhäusener ein anderes Modell favorisierten als der Ortsverein. Es wurde das «Pendlermodell» gewählt mit Öffnung des Ladens zu Randzeiten. Im August wurde der neue Trägerverein gegründet, über 100 Mitglieder zahlten je 100 Franken. Mit diesem Betrag sollte die Miete des Lokals und die nötige Infrastruktur finanziert werden. Im Oktober konnte dann der Mietvertrag unterschrieben werden. Auch hier zeigte sich, dass den Bewohnern der Laden wichtig ist. So legte der Vermieter mehr Wert darauf «das etwas läuft» als auf eine hohe Miete. Schon kurz darauf konnte der provisorische Betrieb aufgenommen werden. Das Mobiliar und die Geräte wurden günstig aus Occasionen von anderen aufgelösten Verkaufsläden übernommen. Nachteil dieser Lösung ist, dass viele Teile sehr alt und daher laut sind und viel Strom verbrauchen. Die Kassentheke ist ein Überbleibsel aus alten Zeiten und gehört als fester Bestandteil in den Laden.
Das Geschäft ist nur unter der Woche zwei bis drei Stunden am Abend und am Samstagvormittag geöffnet, diese Zeiten wurden durch den Einsatz von Freiwilligen abgedeckt. Im Januar wurde beschlossen, den Laden auch weiter in Eigenregie zu führen, daher schuf man eine 40%-Stelle. Seit dem 1. März teilen sich Simone Conrad und Antonia Miethig den Job. Beide waren von Anfang an am Projekt beteiligt. Sie sind vor allem für die Nachbestellungen zuständig und sollen herauszufinden, was die Kunden gerne im Angebot hätten. Dann nehmen sie Kontakt mit den regionalen Anbietern auf. «Wir müssen herausfinden, ob zum Beispiel die Landwirte Interesse an einer Zusammenarbeit haben und Kapazität vorhanden ist, uns zu beliefern», erklärt Antonia Miethig. Das Kassieren übernehmen beide Frauen noch zusätzlich freiwillig. «Unser wichtigstes Merkmal ist, dass wir kein 08/15-Laden sind, sondern ein kleines, feines Geschäft mit Produkten aus der Region», sagt Simone Conrad stolz. Maximilian Hauser, Vorstand des Trägervereins, ergänzt: «Wir können und wollen natürlich nicht mit den Grossverteilern konkurrieren. Wir bilden unser eigenes Segment. Hier kaufen die Leute Grundnahrungsmittel wie Milch und Brot, den Rest dann bei den Grossverteilern. Die ganze Breite an Produkten anzubieten ist schlichtweg unmöglich für uns, daher setzten wir auf spezielle Produkte.» Im Moment wird neben Brot, Gemüse, Milchprodukten, Getreide, Fleisch und Wurst auch Glace, Schokolade, Ahornsirup und Honig angeboten.
«Ohne Freiwillige wäre das Projekt nicht möglich. Es gibt eine Kerngruppe mit rund 30 Leuten. Es ist kein Muss, wer will und Zeit hat, kommt helfen. Viele schätzen es, dass der Laden ein Begegnungsort ist, und sind stolz, an dem gemeinsamen Projekt mitzuarbeiten. Es ist keine Belastung für uns, sondern eine Bereicherung. Es setzt so viel Energie frei», schwärmt Miethig von der Freiwilligenarbeit. Viele unterstützen den Laden nicht nur durch die Arbeit im Laden, sondern auch anderweitig. Juristen bieten ihre Hilfe in Rechtsfragen an, zwei Grafikerinnen entwarfen das Logo und die Schaufenstergestaltung, andere offerieren zinslose Darlehen, um den Laden zu unterstützen. «Es ist schön zu sehen, wie alle an einem Strang ziehen. Es ist ein einmaliges Projekt in der Schweiz. Aber wenn der Bedarf nicht mehr bestehen sollte, dann werden wir es nicht krampfhaft am Leben erhalten», sagt Hauser pragmatisch. Denn neben den Freiwilligen brauche es natürlich auch Käufer, nehme eins von beidem stark ab, sei auch das Projekt zum Scheitern verurteilt. Doch bis jetzt sieht es nicht danach aus. Auf dem Konto, auf das die Käufer Guthaben überweisen, um mit dem bargeldlosen System «Cyclos» im Laden zu bezahlen, sind momentan rund 10’000 Franken. Auch das ist neben den steigenden Bestellungen ein Zeichen für die Akzeptanz. Der Laden ist aber nicht nur ein Geschäft, sondern auch ein Treffpunkt im Dorf, wo die Leute sich unterhalten und informieren können. Das sei sehr wichtig, da es kein Lokal mehr gibt.
Zukunftspläne hat der Verein ebenfalls, erläutert Bruno Schmucki, der auch im Vorstand ist: «Wir überlegen uns, ob wir einen 24-Stunden-Zugang für die Vereinsmitglieder einführen sollen. Das setzt natürlich Ehrlichkeit voraus, da niemand zum Kassieren da sein wird, sondern das Mitglied mit einer Karte den Laden betreten kann und dann mit dem ‹Cyclos›-System bezahlt. Mit dem Stadthalteramt wird im Moment verhandelt, ob in Zukunft Bier verkauft werden kann.»


