Biolabels, Brainfood, vegan, laktosefrei oder doch zumindest low carb – keine Generation vor uns hat sich so viele Gedanken über den eigenen Konsum und über Lebensmittel im Speziellen gemacht. Gleichzeitig kann man Erdbeeren im Januar kaufen und hat übers ganze Jahr die Auswahl an den exotischsten Früchten, Globalisierung sei Dank. Urs Berger, Leiter eines Landwirtschaftsbetriebs, kann darüber nur den Kopf schütteln. «Es gibt nichts Nachhaltigeres als das, was aus der Region kommt und bedarfsgerecht eingekauft wird», ist er überzeugt. Er ist in den letzten Jahren viel herumgekommen, hat Betriebe in ganz Europa, Nordamerika und Australien besucht. Seine Erkenntnis: «Es ist ein Privileg, hier zu sein. Wir haben beste Böden, gutes Klima und genug Wasser.» Umso mehr ist er mit Herzblut dabei, sein Land zu hegen und pflegen und möglichst nachhaltig Lebensmittel zu produzieren. Eine Leidenschaft sticht dabei besonders hervor – der Getreideanbau und die Verarbeitung. Berger ist gemeinsam mit Walter Remund Inhaber der Farmtechnikfirma Remund + Berger AG, deren Standort Vogelbuch in Rizenbach ist.
Nach alter Manier
Mähdrescher und Maschinen, die als grosse Ungetüme und mit Getöse über die Felder tuckern, gehören längst zum gewohnten Bild auf dem Land. Doch was geht im Innern dieser Riesen vor? Und was genau mähen sie eigentlich? Was passiert danach mit dem geernteten Korn? Irgendwo im Hinterkopf sitzt das Wissen, dass der Weg des Korns vom Feld irgendwie zu einer Mühle und zum Bäcker führt. Urs Berger und seine Mitarbeitenden wissen Bescheid und freuen sich jetzt schon darauf, von ihren Gästen Löcher in den Bauch gefragt zu bekommen. «Ziel ist der Austausch, Kunden können live erleben was in der Produktion geschieht und Infos holen bei uns», so Berger. Auch Ruedi Emch, langjähriger Mitarbeiter im Betrieb, freut sich auf die Gäste. Er ist mit Freude dabei, das Fest vorzubereiten und hat einige der alten Maschinen aufgestöbert und funktionstüchtig gemacht. Einige davon hat Emch als Junge noch in Aktion erlebt. «Wenn die Gäste zufrieden nach Hause gehen, war das Fest ein Erfolg», so Emch und Urs Berger betont: «Wir wollen die Faszination weitergeben.» Nur mit Anschauen ist das nicht gemacht. Am Dreschfest kann angefasst, ausprobiert, geschmeckt und gespürt werden. Wer sich traut, darf gar selber versuchen, mit dem Holzflegel zu dreschen, denn Standdreschmaschinen kamen erst Anfang 20. Jahrhundert zum Einsatz, Mähdrescher erst in den Fünzigern. Davor hiess es Ärmel hochkrempeln und anpacken: mähen, das Korn zu Puppen binden, trocknen lassen und in anstrengender Arbeit flegeln, aussieben und mahlen. Davon lassen Berger und Emch allerdings die Finger, sie sind ganz für die Fragen und Anliegen der Gäste da. «Das Flegeln überlassen wir den Profis», schmunzeln die beiden.
Zusammenarbeit mit den Profis
Die Profis kommen in diesem Fall aus Wyssachen und haben bereits Erfahrung mit der Organisation und der Durchführung von Dreschfesten. Sie bringen ein grosses Knowhow nach Oberbottigen und werden während dem ganzen Fest immer wieder in halbstündigen Blöcken lebhaft und unterhaltsam Einblick in die Geschichte des Dreschens geben. Kennengelernt haben sich die Wyssacher und die Oberbottiger an der BEA, die gemeinsame Leidenschaft war schnell gefunden. Die Freundschaft ist für den kommenden Anlass Gold wert. Auch an regionaler Unterstützung mangelt es Urs Berger und Ruedi Emch nicht. Der Landfrauenverein und der Jodlerklub Oberbottigen packen tatkräftig mit an. Denn bei aller Vorbereitung und abwechslungsreichem Programm gibt es zwei Faktoren, die jeder Planung trotzen: Das Wetter und die Anzahl Gäste. Der Motivation tut dies indes keinen Abbruch, dass zu wenig Interessierte ihren Weg zum Areal von Schneeberger & Berger finden, ist nicht anzunehmen. Für das Mähdrescher-Ziehen, mit welchem das Fest am Freitagabend eröffnet wird, haben sich bereits zahlreiche Teams angemeldet. Auch am Tag danach, am Montag nach dem eigentlichen Fest, wird der Hof gut besucht sein. Bäcker aus dem ganzen Kanton Bern werden zu Gast sein, «um mal wieder zu sehen, wo ihr Getreide herkommt», so Berger.
Regionalität boomt
Nicht nur die Bäcker, auch die Konsumenten wollen wieder vermehrt wissen, wo ihre Produkte herkommen. Berger beobachtet eine Trendwende. «Es ist ein Bedürfnis, das merken wir», stellt er fest, «wir suchen den Kontakt zu den Menschen, die Rückmeldung der Kunden zählt.» Das Bewusstsein und die Wertschätzung für den Rohstoff nehmen wieder zu. Die Landwirte freut diese Trendwende, auch ihnen liegt der Rohstoff und die Natur am Herzen. «Mit der Natur arbeiten ist faszinierend, jedes Jahr ist anders und eine Herausforderung», schwärmt Urs Berger, «die Natur gibt den Takt vor, man muss flexibel bleiben.» Klar stellen sich den Landwirten aktuell viele Herausforderungen – Essgewohnheiten, Handelsabkommen, verschärfte Auflagen – doch mit Jammern ist niemandem geholfen. «Der Druck ist da, aber Lösungen auch», weiss Berger. Eine davon ist auf jeden Fall die Nähe zum Konsumenten. Und dafür ist das Dreschfest in Oberbottigen die beste Gelegenheit.