«Menschen gehören ja dazu», sagt Melanie Ramser im Zusammenhang mit der Natur. Die Moral des einfachen Satzes lautet: Wer umsichtig mit Boden und Tier umgeht, der erhält die Lebensgrundlage der Menschen. Wenn man sich die Welt als einen Apfel vorstellt, kann man diesen vierteilen und drei Teile beiseite legen. Diese symbolisieren Wasser, Eis und Wüste. Den verbleibenden Viertel kann man nochmal zweiteilen und nochmals einen Teil beiseite legen; hierbei handelt es sich um verbaute Fläche. Der letzte Achtel muss die gesamte Weltbevölkerung ernähren. Es ist also höchste Zeit, diesem Sorge zu tragen.
Berühren und bilden
Doch wer bei Ramsers Moralapostel vermutet, welche jeglicher Produktion abschwören, der täuscht sich. Vom freundlich wedelnden Hund bei der Begrüssung bis zu den verschiedenen Nutztieren und Agrarflächen, hier wird produziert. Dabei helfen die Kinder der 50 bis 70 Schulklassen im Jahr, welche die Horbermatt aufsuchen, tatkräftig mit. «Viele wollen Butter machen, Most produzieren, Teig oder Kartoffelstock. Für die Kinder ist es schon beeindruckend, einem Pferd die Hufe auszukratzen oder eine Kuh zu streicheln», erzählt Melanie Ramser. Für die eigenen Kinder mag das ganz selbstverständlich sein und das anstehende Unihockeytraining in Köniz ist genauso wichtig, aber es ist eben gerade diese Selbstverständlichkeit, die zu einem allseitigen Wohlfühlen beiträgt. Fast scheint es so, dass die sanfte und grundehrliche Art der Tiere auf die Menschen überschwappt. Die Ferienkinder im Alter zwischen fünf und zehn Jahren erleben während den Schulferien das gleiche Angebot wie die Schulklassen. Vermehrt steht der Fokus im selbst entdecken, begreifen und Landwirtschaft spielerisch kennenlernen. Die Kinder sind ganztags auf dem Hof und helfen, nach Lust und Laune, bei allen anfallenden Tätigkeiten mit.
Etwas zurückgeben
Ramsers betreiben eine Landwirtschaft, die schwer in Worte zu fassen ist. «Es gibt so viele Systeme und wir kombinieren durchaus das eine mit dem anderen. Das HAFL nennt unseren Betrieb Agroforstwirtschaft», verrät Melanie Ramser. Hinter dem holprigen Begriff steckt der Anspruch, dass sich die verschiedenen Nutzungen gegenseitig ergänzen und ineinandergreifen. Obstbäume auf der Ackerfläche sorgen nicht nur für mehr Produktionsfläche, sondern auch für genügend Schatten für die Bodengewächse im Hochsommer. Damit das ganze auch maschinell nutzbar bleibt und nicht zu einem Gotthelf-Museum verkommt, ist das System bei Ramsers ausgeklügelt. Doch nicht alles dient der Produktion. Die Art, wie das Wasser terrassenähnlich die Hügel hinunter plätschert und die sich am Rande befindlichen Hecken «lohnen sich in diesem Sinne nicht wirklich. Sie sind aber für die Natur unbezahlbar wichtig», erklärt sie. Beim Gang entlang dieser Gebiete kreucht und fleucht es. Offenbar liessen sich viele wilde Bewohner nicht zweimal bitten.
Geduldig sein
Unterwegs auf den Flächen der Horbermatt sprudelt es vor zusätzlichen Ideen, Möglichkeiten und Gedankengängen. Ramsers wollen noch vieles umsetzen und haben noch einiges vor. Fürs erste aber gebührt die Freude dem neuen Anbau für die Schulkinder. Hier wird gekocht, gezeigt und erklärt. Auf einer Anhöhe, die zudem einen Blick auf die Tiere gestattet. Ja, die Horbermatt ist ein Erlebnishof, aber eben nicht nur und schon gar kein Schaubetrieb, sondern ehrliche sowie umsichtige Landwirtschaft. «Die Kinder sollen Zusammenhänge erkennen. Es ist so viel mehr Leben auf einem solchen Hof, wenn man umsichtig bewirtschaftet», sagt Melanie Ramser. Nun sollen auch Pflückstrassen mit Beeren entstehen sowie ein Lehrpfad. Doch zuerst muss der Boden bereit sein und das braucht Geduld, sagt sie fast ein wenig ungeduldig. Nicht, weil sie ein ungeduldiger Mensch ist, sondern weil es bei Ramsers vor Ideen gleichermassen sprudelt wie bei dem Bach, der durch die Horbermatt fliesst.
Zur Ehrlichkeit gehört auch die Erwähnung der Probleme, die das Land den Menschen bereitet. Aktuell sind die Mäuse eines davon. Herr und Frau Katze haben alle Pfoten voll zu tun, um die Hügel etwas mäuseärmer zu gestalten. Ehrliches Bauernhandwerk, Rücksicht auf Natur und Kulturland, das ist das Lebenswerk der Ramsers und es ist noch lange nicht zu Ende. Den Preis, den die Horbermatt beim Gantrisch Naturpark gewonnen hat, er erhält erst jetzt langsam seine volle Bedeutung. Ramsers und ihr Hof machen Landwirtschaft begreifbar.
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