«Ewigi Liebi»

«Ewigi Liebi»

Hans Pfeuti, Ernst Sinzig, Hans Michel, Walter Glauser. Menschen hinter deren Namen eine tiefe Verbundenheit zum jährlichen Markt rund um die Alprückkehr der Schafe steckt. Sie sind aber längst nicht die einzigen. Eigentlich vereint die Schafscheid das ganze Dorf Guggisberg.

Kein Widerspruch. Die Schafe werden wieder auf all die vielen «Heimetli» in der lieblichen Hügellandschaft mitten im Naturpark verteilt; die Menschen aber, die kommen zusammen. «Es sind aber etwa ein Drittel weniger Autos als noch vor zwei Jahren», meint Walter Glauser mit Blick auf die abfallende Wiese Richtung Marktstände.

Guggisberg ist vollzählig
Er braucht keine Statistiken, um das abzuschätzen. Seit über 40 Jahren weist er die Gäste auf die freien Parkfelder. «Aha, der Mann fährt, die Frau zieht die Handbremse. Bei euch hat wohl der Mann die Hosen an, die Frau sagt aber welche», scherzt er mit einem Besucherpaar. Ein paar witzige Sprüche kündigen die ausgelassene Stimmung schon an. Eine Feierlaune, der ein paar Angereiste weniger keinen Abbruch tut. Denn die Guggisbergerinnen und Guggisberger sind alle da. Das waren sie auch als es Katzen hagelte, als die Hitze unbarmherzig brannte und erst recht im Jahr, nachdem die Coronapandemie dem Fest einen Strich durch die Rechnung machte.

Wer fehlt wird vermisst
Im Jahr 2020 fiel die Schafscheid erstmals in der fast 300-jährigen Geschichte aus. Wie wehmütig das die Dorfbewohner macht, wird ersichtlich, wenn man Hans Pfeuti reden hört: «Ich habe sie noch nie verpasst, also naja aus­ser letztes Jahr natürlich.» Der 74-Jährige freut sich um so mehr, dass die Landmaschinen wieder auf der Wiese ausgestellt sind. Der ehemalige Marktchef war massgeblich daran beteiligt, dass wieder viele Maschinen angeboten werden, etliche davon natürlich mit dem Aufkleber «Pfeuti Landmaschinen». Was geschieht, wenn jemand einmal nicht am Fest dabei sein kann, davon kann Hans Michel ein Liedchen singen. «Ja, ich habe einmal beim Aufstellen und Aufräumen geholfen, das Fest aber verschlafen.» Eigentlich wollte er sich nur noch ein wenig ausruhen. Wenn man über 60 Mal dabei war, klafft da eine Lücke und «das bekomme ich heute noch zu hören», lacht der ehemalige Postbote.

Ehrliches Handwerk
Es sind aber nicht nur die Guggisberger, die seit Jahrzehnten immer dabei sind. Auch Stände, wie derjenige von HanspeterSchönthal mit seinen Ledersachen, gehören zum Inventar des Marktes. Einer sticht dabei besonders hervor: «Wir treffen uns vor dem Seiler», ist ein Spruch, den Ernst Sinzig oft hört. Seine aufklappbare Holzkonstruktion ist längst Kult. Seit Jahrzehnten sitzt er auf dem kleinen Holzbänklein in der Mitte, umgeben von Seilen, die er in Handarbeit für den täglichen Gebrauch im Stall knüpft. «Hier oben kann der Regen manchmal derart schräg kommen, dass ich im alten Stand meines Vaters regelmässig klitsch­nass wurde. Deshalb habe ich etwas Neues gebaut, mit Flügeltüren als Schutz vor dem Wetter», sagt er und zeigt auf die clevere Konstruktion. Der «Seiler» ist kein typischer Marktfahrer. Er ist ein «halber Guggisberger» und bewirtschaftete lange Zeit das Land vom «Wahlenhaus».

Zeit für Anekdoten
Wie Guggisberg und Gäste verschmelzen, wird an der Bar ersichtlich. Während der Skiclub Sangernboden die zweite Schicht übernommen hat und eine Lehrerin der Primarschule gerade einige Gäste bedient, hat der Jodlerklub Flüeblüemli seinen Einsatz soeben beendet. Kein Grund aber, gleich aufzubrechen. Die Sängerinnen und Sänger genehmigen sich ein Apéro. Angelehnt am Bretterbau steht Hanspeter Aebischer, der Präsident. Er beobachtet seine «Schäflein» und muss immer wieder lachen. Die Sprüche kursieren um alte Geschichten und unvergessliche Momente. So ist das an der Schafscheid. Ein Moment, um innezuhalten, miteinander zu plaudern und einander zu verstehen. Die Bar ist dabei Dreh- und Angelpunkt. Man munkelt, dass schon manch Liebespaar vor dieser unscheinbaren Bretterbude seine ersten zaghaften Annäherungsversuche gewagt hat.

Allzu gut hätte der Gemeindepräsident in die Szenerie vor der Bar gepasst. Zusammen mit seiner Frau musste er aber schon fast fluchtartig die Schafscheid verlassen. «Eine Kuh ist am Kalben», sagte er kurz, ehe er von dannen zog. Ein Leben mit Tieren und der Natur verpflichtet eben. Gut gibt es diese runden Sticker, die Glauser und sein Team jedem Besucher auf die Frontscheibe des Fahrzeugs kleben. Sie gestatten, das Gelände jederzeit wieder aufzusuchen. Der Aufkleber ist sozusagen die Vignette von Guggisberg. Fahrzeuge, die das ganze Jahr über den «Beweis» tragen, dass man erneut mit dabei war. Zurück an der Bar beschallen die Musikboxen inzwischen ihre Gäste mit dem bekanntesten Lied der Band «Mash». «Ewigi Liebi». «La mi nummä los, hesch mich zum brennä bracht», klingen die Worte und veranlassen einige mitzusingen. Ein Song, der die Liebe beschreibt. Auch jene der Guggisberger zu ihrer Schafscheid. Eine jahrhundertlange Beziehung. Walter Glauser, Hans Pfeuti, Ernst Sinzig, Hans Michel und Co., man hört sie in Gedanken schon Tage vor der Schafscheid diese Melodie summen: «Ewigi Liebi, fühl mich bi dier dehei.»

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