Freie Fahrt für alle Eisenbahnfreunde

Freie Fahrt für alle Eisenbahnfreunde

Im Massstab 1:87 erzählt der Verein Eisenbahnfreunde Liebefeld grosse Geschichten auf kleinen Gleisen. Ein Ort, an dem sich nicht nur Miniaturzüge begegnen, sondern auch Lebenswege, Erinnerungen und Träume. Wer das Klublokal betritt, steigt ein in eine Zeitreise – vom Kohlegeruch vergangener Tage bis zur digital gesteuerten Präzision von heute. Das Ziel? Noch offen. Doch jeder Halt schreibt sein eigenes Kapitel.

Was 1975 als Gedanke unter Kollegen entstand, wurde am 18. Januar 1978 Wirklichkeit: 13 Mitarbeitende der PTT-Hauptwerkstätte in Bern riefen den Amateur Eisenbahner Club PTT ins Leben. Seither steht der Verein im Zeichen einer geteilten Leidenschaft. In Spitzenzeiten zählte er bis zu 150 Mitglieder, darunter auch Interessierte aus dem Ausland. Monatliche Vorträge, Ausflüge, der Bau fein gearbeiteter Modelle und eine eigene Bibliothek prägten das Vereinsleben über Jahrzehnte. «Wir wollten einen Ort schaffen, der allen Eisenbahnfreunden offensteht», sagt Arnold Weder, Gründervater und heutiges Ehrenmitglied.

Mit Volldampf ins Vereinsleben
Mit den Jahren löste sich der Verein von seiner ursprünglichen Herkunft. Was einst als Zusammenschluss von PTT-Mitarbeitenden begann, wurde ein Ort der Begegnung für Eisenbahnfreunde verschiedenster Herkunft. Anfang der 1980er-Jahre fand der Club im Restaurant «Tscharnergut» eine feste Bleibe. Das schlichte Lokal im Berner Stadtteil Bethlehem wurde bald zum stillen Mittelpunkt des Vereins. Dort entstand nicht nur Raum für Austausch, sondern auch ein Diorama: sechs Meter Eisenbahngeschichte im Modell des Bahnhofs Bümpliz Nord, wie er sich in den 1950er-Jahren präsentierte. In den Folgejahren reichte der Blick über das eigene Gleis hinaus: Mitglieder reisten mit dem ersten kommerziellen TGV zwischen Lyon und Paris oder engagierten sich beim Wiederaufbau der stillgelegten Furka-Bergstrecke – heute technisches Kulturerbe. So reihte sich Erlebnis an Erlebnis wie Wagen an einen Zug. Nicht jedes blieb im Blick, doch jedes hinterliess seine Spur als Teil einer Strecke, die bis heute weiterführt.

Nächster Halt: Liebefeld
1995 fand der Verein über Kontakte zur Gemeinde Köniz ein neues Zuhause: eine ehemalige Sanitätshilfestelle aus dem Zweiten Weltkrieg. In den Jahren danach gestalteten die Mitglieder den Ort mit vereinten Kräften neu. Sie verwandelten ehemalige Duschräume beispielsweise in eine Werkstatt und richteten die frühere Sanitätsapotheke als Bibliothek ein. Jeder Handgriff war Teil eines gemeinsamen Projekts – getragen von Initiative, Fachwissen und jener Sorgfalt, mit der auch die Miniaturwelten des Vereins entstehen.

Bahn frei für grosse Momente im Miniaturformat
«Wir hatten die Vision eines Stellwerks, das dem Original von SBB oder BLS so nah wie möglich kommt», erinnern sich Arnold Weder und Franz Däppen, der heutige Präsident. Rund 50 Quadratmeter standen zur Verfügung, auf denen in jahrzehntelanger Arbeit eine Welt im Massstab 1 zu 87 entstand. Die Umbenennung in Eisenbahnfreunde Liebefeld im Jahr 2015 wurde zu einem weiteren markanten Meilenstein in der Vereinsgeschichte. Wer heute durch die schmalen Gänge schreitet, begegnet nicht nur Landschaften und Zügen, sondern auch 25 Jahren Vereinsgeschichte in Bewegung. Einblicke in diese Welt ermöglicht der Verein am 22. und 23. November, denn dann sind die Türen für alle Interessierten geöffnet. Von der gesamten Anlage ist nur ein Drittel sichtbar, der Rest verläuft verborgen hinter Kulissen. Das Streckennetz umfasst rund 475 Meter. In Originalgrösse entspräche das etwa der Distanz zwischen Bern und Solothurn. Gebaut wurde im Massstab H0, auch Halb Null genannt, analog, aber computergesteuert.

Gleise verbinden Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Was einst als leiser Gedanke unter Kollegen begann, hat sich über Jahrzehnte zu einer verdichteten Erzählung auf Schienen geformt. Die Welt im Massstab 1:87 steht dabei nicht für Verkleinerung, sondern für Konzentration: auf das Wesentliche, das Bleibende. Immer montags ab 19.30 Uhr kommen die Mitglieder generationenübergreifend zusammen, um weiterzubauen an dem, was sie «Kultur im öffentlichen Verkehr» nennen. Wenn spätabends der letzte Zug den Endbahnhof erreicht und das Licht über den Miniaturgleisen erlischt, bleibt mehr als ein stilles Vereinslokal zurück. Es bleiben Gespräche, Erinnerungen und die Freude, etwas geschaffen zu haben, das weiterlebt. Nicht nur auf Schienen, sondern in den Gedanken und Herzen derer, die es gestalten.

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