Glauben Sie ja nicht, dass Sie den Trick verraten bekommen…

Glauben Sie ja nicht, dass Sie den Trick verraten bekommen…

Es gibt in der Tat «nette» Geschichten, bei denen man froh ist, dass sie anderen Zeitgenossen passieren. Dennoch ist heute Schadenfreude fehl am Platz, denn wer weiss, ob Sie nicht bereits morgen mitten in einem ähnlichen Intermezzo stecken. Die erste Geschichte spielt zwischen Österreich und der Schweiz, die zweite im Unterengadin. Da ich beide Erzählende persönlich kenne, garantiere ich für den Wahrheitsgehalt.

Ein Ehepaar aus dem Kanton Bern, das in Österreich schöne Skiferien verbracht hat. Abreisetag in Tirol. Die schwarze Katze, die «er» in der Hotelhalle beim Rollen der Koffer Richtung Einstellhalle beobachtet, gibt ihm nicht zu denken, er ist nicht abergläubisch. Nun, vielleicht hat er inzwischen seine Meinung geändert, denn beim Manövrieren vor der Einstellhalle streift der Fahrer mit seinem SUV seitlich eine Betonwand, die – im wahrsten Sinne des Ausdruckes – ihre Spuren hinterlässt. Man kann sich seine Stimmung beim Wegfahren vorstellen. Seine Frau indes enthält sich vernünftigerweise jeden Kommentars. Vor Feldkirch geht es zum Zoll, weil «sie» in Tirol ein paar neue Ski zum Schnäppchenpreis gekauft hat und jetzt die Mehrwertsteuer zurückfordern will. Das geht prima, über diese Transaktion freut sich auch der Schweizer Zöllner, der im gleichen Büro sitzt. Resultat: Mehrwertsteuer und Zollgebühr halten sich ungefähr die Waage, ein Nullsummenspiel.

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Die Stimmung im Auto wird dadurch nicht unbedingt besser, was wenig später dazu führt, dass er, als Fahrer, die Abzweigung nach Zürich verpasst und Richtung «Lozärn» abdriftet. Und: Eigentlich weiss man, dass es auf der Luzerner Umfahrung entlang der Autobahn den einen oder anderen Radarkasten hat, was den Leuten ein zusätzliches Feriensouvenir einbringt. Party!

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Szenenwechsel ins Unterengadin, nach Ftan oberhalb von Scuol, wo ein anderer Bekannter von mir die Woche mit seiner neuen Freundin bei seinem Bruder verbringt, der dort oben mit seiner Frau ein Bauernhaus bewohnt, wohl Mitte des 17. Jahrhunderts erbaut. Man fühlt sich dort, so mein Bekannter, wie zu «Schellen-Urslis» Zeiten, mit knarrenden Holzböden und schweren Türschlössern. Die Kühe nebenan im Stall scheinen im Schlafzimmer zu stehen und zu muhen.

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Nach einer Woche mit Postkartenwetter ist am Samstag schlechtes Wetter angesagt. Die Herrschaften beschliessen, einen Ausflug zu machen. «Ich hole schon mal unseren Wagen, zwei Autos brauchen wir ja nicht», bekommt die Sippschaft zu hören. Als der Mann wenig später auf dem Parkplatz auf den Funkschlüssel drückt, passiert… nichts. Auch die Wiederholung bringt keinen Erfolg, weshalb er «légèrement» echauffiert zurückläuft, in der Gewissheit, dass die Batterie ihren Lebenszyklus beendet hat. Mit seinem Bruder also runter nach Scuol, logisch, mit dessen Wagen. Batterie auswechseln. 20 Minuten später steht das Duo wieder auf dem Parkplatz in Ftan. Fazit: noch immer keine Reaktion.

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Der Bruder ruft eine Garage in Scuol an, die aber am Samstag geschlossen hat. Immerhin wird das Gespräch entgegengenommen. Dem «Brüetsch» wird mitgeteilt, dass die Garascha Häfner aus Strada Pikettdienst hält. Herr Häfner wiederum empfiehlt, sofort den TCS zu kontaktieren. «Ich bin TCS-Partner und im Moment in Scuol, könnte sofort bei Ihnen sein, aber dazu brauche ich den offiziellen Auftrag des TCS.» Gesagt, getan, der TCS-Mann bekommt das Anliegen zu hören. Und der schaltet sofort, denn keine zehn Minuten später kommt Herr Häfner angefahren. Seine Diagnose ist eindeutig: Nicht der Funkschlüssel ist schuld, die Karre hat keinen Strom. Ein Blick ins Innere auf das Armaturenbrett bestätigt seine Annahme. Der Knopfschalter für die verschiedenen Lichtpositionen steht auf einer Stellung, die für das Parkieren des Wagens nicht vorgesehen ist. Pikant: Die neue Partnerin meines Bekannten hat den Wagen vor zwei Tagen abgestellt…

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«Das ist aber kein Problem», sagt Herr Häfner. «In allen Funkschlüsseln dieses Modells hat es einen mechanischen Schlüssel für solche Notfälle versteckt.» Nur fehlt der. Wunderbar.

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Herr Häfner versucht deshalb, die Fahrertüre nach allen Regeln der Einbrecherkunst zu öffnen, ohne Erfolg. Telefon an die Garage meines Kollegen: «Der Wagen ist doppelt gesichert, ihn ohne Einbruchspuren zu öffnen, ist ausgeschlossen.» Er sieht sich bereits in der Rhätischen Bahn nach Hause fahren, um den Ersatzschlüssel – hoffentlich mit eingebautem Notschlüssel – zu holen. Herr Häfner aber gibt nicht auf, telefoniert einem Kollegen nach dem anderen, will einfach helfen. Und siehe da: Er bekommt einen Geheimtipp, mit dem sich die Fahrertüre und die Motorhaube öffnen lassen, um die Batterie zu überbrücken, damit der Motor anspringt. Herr Häfner empfiehlt, jetzt mindestens eine halbe Stunde zu fahren, damit die Batterie sich aufladen kann. «Fahren Sie doch ins Zollfreigebiet nach Samnaun, dort können Sie wenigstens günstig tanken», was er auch tut. Für die Familienerbtruhe fotografiert er das ganze Geschehen, schickt seinem Bekanntenkreis zwei Fotos, auch mir.

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Und was lernen wir daraus? Ein Ersatzschlüssel zu Hause nützt nichts. Übrigens: Als mein Bekannter am Montag seine Garage anruft und den Geheimtrick verrät, will der Chef seine Werkstattleute fragen, ob sie das gewusst hätten. Haben Sie nicht.

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«Glauben Sie ja nicht, dass Sie den Trick verraten bekommen…»

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