Grossgemeinde Sensebezirk

Grossgemeinde Sensebezirk

177-jährig ist der Sensebezirk. Die «Seislermäss» hingegen «war vor zehn Jahren eine Innovation und ist heute schon Tradition. So schnell geht das», sagt Staatsrat Jean-François Steiert mit einem Augenzwinkern. Viele Ausstellungen zeigen das Schaffen der Region, doch die «Seislermäss» versteht es darüber hinaus, eine Zukunftsschmitte zu sein.

Wenige Stunden vor der feierlichen Eröffnung lädt Oberamtmann Manfred Raemy die versammelte Politprominenz des Sensebezirks ein. Mehrere hundert Menschen. Wer daraus langweilige Politphrasen ableitet, der irrt gewaltig. Der Anlass ist vielmehr ein «Merci» an all jene Menschen, die sich jahrein jahraus für den Sensebezirk engagieren. Der Blick auf die über 200 Aussteller und die bald schon 80’000 Besucherinnen und Besucher (mehr als man sich erhofft hatte) macht deutlich: der Sensebezirk ist innerhalb von 50 Jahren vom abgelegenen, ärmlichen Gebiet zu einer Vorzeigeregion mit wirtschaftlichem Erfolg gewachsen. Doch Seisler beklopfen sich dafür nicht etwa die Schultern, dazu sind sie viel zu bescheiden. Nein, sie schauen in die Zukunft, auf die nächsten Schritte, die es zu tun gibt. «Wir müssen so mutig handeln wie unsere Vorgänger», rät der Oberamtmann und verpasst es nicht, gleich selbst einige Weichen zu stellen: «Nehmt die jungen Leute auf in die Politik, sie sind bereit, sie wollen.»

Zukunftsvision

Man nehme die Seisler Werte und baue daraus die Zukunft. Hierfür hat Raemy den Dialektologen und SRF-Mundartredaktor André Perler gebeten, eine Einordnung zu machen. Natürlich nutzt er die künstliche Intelligenz (KI) und fragt nach, was den typisch Sensebezirk sei. Doch das Angebot ist so weit weg von der Wahrheit wie die Büschelibire von einer Wassermelone. «Der Senslerdialekt ist eine Mischung aus Berndeutsch und eigenen Wörtern.» Ein Raunen geht durch die Festbänke, als Perler diese Textpassage von ChatGPT vorliest. Die anderen Beschriebe wie herzlich, naturverbunden, fleissig, treffen zwar durchaus zu, «beschreiben aber so ziemlich jede Region der Schweiz», ergänzt er. Noch amüsanter wird es, wenn man die KI bittet, den Dialekt aufzugreifen. «Davon hat ChatGPT definitiv keine Ahnung. Zudem fehlt die Erwähnung des Hockeyclubs. Es gehen vermutlich mehr zu einem Gottéron-Match als in den Gottesdienst.» Was aber sind denn die gemeinsamen Werte, der gemeinsame Nenner der Senslerinnen und Sensler – nebst der ureigenen Sprache? Perler will, dass sich alle einen Sensler vorstellen. Sofort erscheint ein Prototyp vor dem geistigen Auge. Doch den gibt es nicht. Der Sensebezirk ist divers und war es schon immer, wie er am Beispiel St. Ursen aufzeigt. Eine Gemeinde, die schon im Jahre 1880 36 % Reformierte beheimatete sowie 10 % Romands. Für ihn sind Attribute wie Fleiss, Bescheidenheit oder Bodenständigkeit zwar nicht falsch, aber definitiv zu starr. Der Pioniergeist der 1970er Jahre mag aber als Beispiel stehen, welche Willenskraft im Sensebezirk vorherscht. Eine immense, denn heute ist dieser Teil vom Kanton Freiburg gegenüber dem Kanton Bern in mehreren Punkten im Vorteil, wie die Politiker zuvor aufzeigten. Pioniergeist legt in der Folge Perler selbst an den Tag, in dem er drei Visionen formuliert. Mehr Velowege zwischen den Dörfern, mehr Kultur und drei Grossgemeinden. Mutig, mutig, im Beisein der versammelten Politelite. Perler zeigt auf, welche Vorteile es hätte, wenn man sich auf die drei Gemeinden Düdingen, Tafers und Plaffeien beschränken würde. Er vergleicht diesen Gedanken gar mit Köniz, einer Gemeinde mit gleich vielen Einwohnenden wie der gesamte Sensebezirk. Mehr Gestaltungsraum, effiziente Verwaltungen, spannendere Politik. «Es ist nur ein Gedankenexperiment. Was wäre, wenn man wieder, wie vor 50 Jahren, eine Zukunftsvision hätte?»

Das Volksfest

Den Mut dazu, den können die Politikerinnen und Politiker an der Messe tanken. Die Aussteller, die Events, «wer kommt mit wem, wer geht mit wem», scherzt Staatsrat Olivier Curty und sein Kollege Steiert fasst zusammen: «Es ist ein Volksfest, wo man zusammenkommt. In einer halben Stunde kamen schon vier Gemeinderäte, um Probleme anzusprechen. So schnell kann man diese hier lösen.» Die Bedeutung des Regionalen nimmt zu, wenn die Weltlage angespannt ist. Eine Chance, zu agieren. OK-Präsident Nicolas Bürgisser darf stolz sein. Sein Team und er haben keine normale Messe geschaffen, sondern ein kollektives Gedächtnis einer ganzen Region. «Der Sensebezirk lebt. Wir sind stolz auf unser Gewerbe und unseren Zusammenhalt», fasst er zusammen.

Brückenbauer der Zukunft

Um Perlers Visionen nochmals aufzunehmen. Die Gesellschaft ist divers, durchmischt und manchmal gar kontrovers. Dem Sensebezirk kommt im Spannungsfeld zwischen Romandie und Bern eine besondere Rolle zu. Auch das zeigt die Messe, exemplarisch mit den benachbarten Gästen aus dem Naturpark, dem Greyerz oder Gurmels. Aber auch anhand der Stände: «Sogar YB hat einen Stand. Einen SCB-Stand kann man dann an der dritten ‹Seislermäss› machen. Bis dann wird Gottéron schon ein paar Meistertitel in der Tasche haben», witzelt Steiert. Nein, eigentlich witzelt er nicht, das war schon durchaus ernst gemeint. Eine Grossgemeinde Sensebezirk? Was vorerst absurd klingt, lebt die Gesellschaft schon vor, dank ihrer Willenskraft und ihrem Pioniergeist. Danke «Seislermäss» für all diese Erkenntnisse.

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