Herdenschutz muss ausgebaut werden

Herdenschutz muss ausgebaut werden

Sprichwörter ranken um den Wolf, wie um kaum ein anders Tier. Für die einen sind sie gespickt mit Halbwahrheiten, für die anderen bestätigen Sie die Fähigkeiten dieses Grossraubtiers. Die Wölfin «F78» verhielt sich in unserem Gebiet laut Kanton Bern bis dato natürlich, trotz mehreren Rissen.

Das bestätigt der Herdenschutzberater Peter Berger. «Es gab Vorfälle im Gebiet. Die junge Wölfin zeigte bisher jedoch die nötige Scheu vor Menschen», bestätigt er auf Nachfrage. Das ist eines der wichtigen Kriterien, ob ein Tier am Leben bleiben darf oder zum Abschuss freigegeben wird.

Feind Mensch
«Tiere machen mir keine Angst, Menschen schon», könnte das junge Raubtier wohl darauf antworten. «F78» ist ein aktives Weibchen, laut Gen-Analyse aus gerissenen Tieren, mit elterlicher Herkunft aus Italien. Sie trabt jede Nacht bis zu 60 Kilometer weit und scheint sich im Gantrischgebiet wohlzufühlen. Die Wildhut muss die Schäden aufnehmen, den Wolf als Täter bestätigen und regulieren. Nur wenn das Tier eine gesunde Scheu vor Menschen verliert oder übermässig Nutztiere zu Tode beisst, geben die Behörden das geschützte Grossraubtier zum Abschuss frei.

Schutz unabdingbar
Nun ist es keine Überraschung, dass Wölfe sich im Gantrischgebiet wohlfühlen. Es entspricht ziemlich genau dem natürlichen Habitat eines Wolfs und beherbergt zudem eine Vielzahl an Schafen. «Das freie Schaf, das fresse ich», würde «F78» sofort bemerken. Damit sie nur wenige solcher Gelegenheiten hat und sich vermehrt auf das Wild konzentrieren muss, dafür sorgen zahlreiche Herdenschutzmassnahmen. Vom Hirtenhund, wie dem Maremmano oder dem Berger des Pyrénées, bis hin zu den Schutzzäunen. Der Kanton hilft kostenlos und dennoch sind die Nutztierhalter vor Übergriffen nicht gefeilt. Hunde können nicht alles verhindern und Zäune sind nicht überall ohne weiteres zu erstellen.

Genügend Freiraum
«Der Hunger treibt mich aus dem Busch» meint «F78». Wenngleich im Winter viele Schafe rund ums Haus weiden und besser geschützt sind als in der Sömmerung, so sind Übergriffe dennoch möglich. Das Grossraubtier muss seine Energie schonen, zumal nur zirka 10% der Jagdversuche erfolgreich sind. Nutztiere sind so gesehen eine leichte Beute und nach tagelangem Hungern und verpassten Versuchen an Wild umso reizvoller. Entsprechend zeigen sich die Wölfe vermehrt in einer solchen Situation, was die Tierhalter wiederum besorgt. Der Konflikt ist längst zur Politik geworden und der Herdenschutz gefordert, die Balance zwischen der Berechtigung dies Tiers und der Not des Landwirten zu finden. Eine unkonventionelle Lösung schlägt Michael Friedli vor. Der Schafhalter aus Guggisberg meint: «Kleinstrukturierte Flächen sorgen oft für Hindernisse, dass Wölfe weiterziehen können.» Stattdessen bleiben sie länger als ihnen lieb ist in einer Gegend. «Wenn wir uns zusammentun würden und grosse offene Flächen beweiden könnten, dann könnten die Wölfe ungestört weiterziehen», erklärt er. Natürlich vorausgesetzt, der Herdenschutz ist vorhanden. «Truc» sein grossgewachsener Maremmano lauscht den Worten, ohne mit der Wimper zu zucken. Selbst im verschneiten und abgezäunten Areal rund um den Hof, gilt sein wacher Blick stets den Schafen.

Wolfsgebiet
«Das freie Schaf, das fresse ich», würde «F78» resümieren. Das geschützte hingegen könnte zu anstrengend und zu wenig erfolgsversprechend sein. Denn Wölfe lernen schnell dazu und merken sich die Misserfolge, um ihr Jagdverhalten ständig zu optimieren. «F78» ist vermutlich heimisch geworden und es stellt sich die Frage, ob ein junges Weibchen nicht auch einen Rüden anlockt und ein paar Jahre später vielleicht gar ein Rudel im Naturpark durch die Lande zieht. Ein mögliches Szenario, wenngleich noch völlig unklar. So oder so ist das Gantrischgebiet für Wölfe geeignet und die Tierhalter gefordert, den Herdenschutz zu optimieren. Der Wolf könnte nicht kommen, er ist schon da und ohne mit der Wimper zu zucken würde «F78» sagen: «Selbst der wohlerzogene Wolf wird kein Lamm.» Er ist und bleibt ein Grossraubtier und Fleischfresser. Das Bild eines gerissenen Tieres ist wenig appetitlich und stimmt den Halter traurig. Der Wolf hat aber als Teil des Ökosystems seine zentralen Funktionen und seine Berechtigung. Koexistieren kann, wer aktiven Herdenschutz betreibt. Dazu gehört eigentlich auch der Hirte. Nur müsste dann die Bevölkerung bereit sein, der Landwirtschaft das hierfür notwenige Geld zu sprechen.
Sacha Jacqueroud

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