«Ich ertappe mich häufig grübelnd über die Frage: Wie kriegen wir das nur hin?»

«Ich ertappe mich häufig grübelnd über die Frage: Wie kriegen wir das nur hin?»

Mit dem Budget 2018 debattiert der Grosse Rat in der aktuellen Session auch über das Entlastungspaket des Regierungsrates. Besonders betroffen von den darin vorgesehenen Sparmassnahmen sind Spitex-Organisationen. Bernhard Zaugg ist Präsident der SpitexRegion Köniz und erklärt, was die Einsparungen konkret bedeuten und welche Auswirkungen diese auf die Arbeit der öffentlichen Spitex haben.

Bernhard Zaugg, haben Sie mit Blick auf die Spardebatte im Gros­sen Rat schlaflose Nächte?
Nein, aber ich ertappe mich nun häufig grübelnd über die Frage: «Wie kriegen wir das nur hin?»

Immerhin will der Regierungsrat mit dem Entlastungspaket 21 Millionen Franken alleine bei den Spitex-Organisationen einsparen…
Von den 21 Millionen Franken würden acht Millionen die Spitex-Organisationen direkt treffen. Die restlichen Beträge werden auf die Kundschaft oder die Ergänzungsleistungen abgewälzt. Der uns betreffende Teil ist eine Kürzung des Grundbetrages für die Bereitschaft, immer für jedermann da zu sein, sprich die Versorgungspflicht zu garantieren. Der Regierungsrat macht diese Kürzungen bei grundsätzlich gleichbleibenden Auflagen. Das trifft unsere Spitex mit einem grossen ländlichen Anteil und somit vielen Wegen zu den Kunden massiv. Einerseits überrascht das Vorgehen, wie man langjährige Partner vor Tatsachen stellt. Andererseits widerspricht es dem Grundsatz ambulant vor stationär, beziehungsweise zuhause statt in Institutionen.
Wir halten aber nicht nur die Kürzung bei uns für bedenklich, sondern auch die finanzielle Zusatzbelastung der Kunden über 65, die neu die ganze Patientenbeteiligung selber übernehmen müssen. Die so verlagerten Kosten treffen viele schwer. Und der Spareffekt wird wegen des administrativen Aufwands bei den daraus resultierenden zusätzlichen EL-Dossiers kaum sichtbar sein.

Was bedeutet dies für die Spitex-Organisationen allgemein und im Speziellen für die SpitexRegion Köniz?
Das ist noch nicht abzusehen. Der Antrag signalisiert eine Grundhaltung von geringer Wertschätzung gegenüber der täglichen Arbeit unserer Mitarbeitenden. Die Mitteilung kam für uns zudem ohne Vorankündigung und ohne Begründung der Massnahme. Noch heute kennen wir die Gründe der Kürzung nicht. Das führt zu Spekulationen, was definitiv keine gesunde Grundlage der Zusammenarbeit ist.
Mit welchen Konsequenzen müssten die Spitex-Klientinnen und -Klienten rechnen?
Die Bevölkerung kann nicht mehr wie bis heute einfach sicher sein und darauf vertrauen, dass die öffentliche Spitex kommt, so wie sie das gewöhnt ist, verlässlich und prompt. Dass der Kanton diesen Verlust an Sicherheit in Kauf nimmt und die öffentliche Spitex, die diese Verpflichtung auch in Zukunft übernehmen möchte, so massiv einschränkt, ist unverständlich. Das müsste auch unseren Zuweisern, den Ärzten und Spitälern, Sorgen bereiten.

Der Spitex Verband des Kantons Bern sagt, dass der Versorgungsauftrag der öffentlichen Spitex nicht mehr gesichert wäre… Gibt es Beispiele im Versorgungsgebiet der SpitexRegion Köniz?
Sicher ist, wir müssten Personal abbauen und müssten uns ganz genau überlegen, welche Leistungen wir nicht mehr anbieten können, weil sie defizitär sind. Mit diesen Überlegungen warten wir noch zu, bis der Entscheid im Grossen Rat getroffen ist – hoffentlich zugunsten der Spitex.

Welche weiteren Massnahmen müssten Sie ergreifen, um die allenfalls vom Grossen Rat gutgeheissenen Einsparungen zu kompensieren?
Der Kanton verlangt ja, einfach gesagt, dass wir das Gleiche machen müssen, aber nur mit der Hälfte des bisherigen Geldes – was so nicht geht. Wie gesagt müssten wir nach Aufnahme der Kunden und nach den Abklärungen allenfalls die Häufigkeit der Einsätze reduzieren, dies vor allem bei langen Anfahrtswegen. Dies ist in unserem weitläufigen Gebiet oft der Fall. Wir müssten allenfalls kurze Einsätze ablehnen, müssten Investitionen in die Aus- und Weiterbildung unseres Personals zurückstellen, was dann wiederum auf die Rekrutierung negative Auswirkungen hat – also rundum ein Bumerang.

Der Kanton Bern muss sparen – weshalb also nicht auch bei der öffentlichen Spitex?
Das Sparbedürfnis ist unbestritten, doch war der Vorstoss des Grossrats grundsätzlich auf Sparmassnahmen in der Verwaltung gerichtet. Hier spart der Kanton nur wenig. Die Kürzungen bei der Spitex sind auch sachlich unlogisch, da ja die über 65-jährige Bevölkerung zunimmt und nicht abnimmt. Es wird also mehr Pflege zuhause benötigt. Zudem ist anzufügen, dass der stets im Zusammenhang mit Kostensenkungen hervorgehobene Slogan «ambulant vor stationär» scheinbar nicht mehr gelten soll. Wollen wir denn wirklich wieder mehr ältere Menschen in Institutionen einziehen lassen? Ist das – abgesehen von ihren Bedürfnissen – wirklich günstiger?

Sie sind als Mitglied des Könizer Parlamentes auch Politiker. Wo würden Sie den Sparhebel ansetzen?
Das ist eine enorm schwierige Frage, für deren faire Beantwortung mir schlicht der Einblick und die Wissensgrundlage fehlen. Rascher eingespart wären wohl hohe Beträge im Medizinbereich, wo wir wie selbstverständlich mit einem enorm dichten Netz an Computertomographen, Magnetresonanz- und Röntgengeräten leben. Aber grundsätzlich denke ich, dass der Regierungsrat seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, weil der Sparhebel bei den Verwaltungstätigkeiten angesetzt werden sollte und nicht bei den sozialen Institutionen und der Spitex. Einsparungen wären wohl auch möglich, wenn man mehr auf gesunden Menschenverstand und weniger auf aufgeblähte und somit kostenintensive Labels für Bau und Zertifikate setzen würde.

Was wünschen Sie sich vom Regierungsrat? Und was wünschen Sie sich für die Spitex-Organisationen?
Der Regierungsrat müsste im Gesundheitswesen die verschiedenen Player in einem Konzept einbinden und die Prozesserwartungen definieren. Dazu sollte er weiter die nötigen Mittel zur Verfügung stellen und nicht nur Erwartungen äussern und gleichzeitig die Finanzen kürzen. Die Spitex-Organisationen müssen ihre Hausaufgaben bezüglich Prozesse auch erledigen. Auf diesem Weg sind nicht alle gleich weit. Sicher ist allerdings, dass wir seit einigen Jahren knapp die Aufwände decken können, jedoch keine Reserven für die Weiterentwicklung bilden können.

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