Eine Miniallee aus Platanen weist Kirchgängern in Liebefeld den Weg direkt ins Kirchenschiff der reformierten Thomaskirche. Zumindest war das lange Zeit so. Heute weisen die Bäume zwar immer noch den Weg in das Gotteshaus. Sitzbänke, Tische, eine Bücherbox und Spielkiste verwandeln die zielgerichtete Allee aber mittlerweile in eine Begegnungszone. Diese Veränderung lässt sich durchaus bildhaft deuten. «Heute kommen nicht nur die Menschen in die Kirche», sagt Philipp Kohli, Pfarrer und KUW-Koordinator in Köniz, «sondern die Kirche kommt nach draussen zu den Menschen.» Ähnlich sieht die Situation bei der Kirchlichen Unterweisung (KUW) aus.
Ehrfurcht und Gemütlichkeit
Der KUW-Unterricht in Köniz besteht während der obligatorischen Schuljahre aus Blöcken beziehungsweise Modulen. Der erste Block findet in der zweiten und dritten Klasse statt. Er thematisiert Geschichten aus dem Alten und dem Neuen Testament. Im zweiten Block, also von der vierten bis zur sechsten Klasse, sind die Kinder unterwegs. Zum Beispiel übernachten sie in einer Kirche. Wie Kohli erklärt, habe eine Kirche für viele etwas Ehrfürchtiges. Man habe vielleicht Angst, etwas Falsches sagen zu können. Wenn sich die Kinder mit ihren Schlafsäcken nach einer gemeinsamen Plüschtiervorstellung einen Platz in der Kirche aussuchen, entstehe so ein «heimeliges Gefühl». Für viele Kinder sei die Übernachtung in der Kirche ein Highlight. Einmal habe eine Lehrperson aus gesundheitlichen Gründen die Übernachtung mit der Klasse nicht durchführen können. «Die ganze Klasse trauerte diesem Anlass zwei Jahre hinterher», sagt Kohli.
Der dritte Block während der siebten bis zur neunten Klasse thematisiert die vielfältigen Aufgabenbereiche der Kirche, darunter die Notfallseelsorge und die Gefängnisseelsorge. Und traditionsgemäss fahren die Jugendlichen in diesem Block in das Konflager und werden konfirmiert. Neben diesen drei Blöcken arbeitet die Kirchgemeinde Köniz unter dem Namen «Zukunft KUW» gemeinsam mit den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn (refbejuso) verschiedene Brückenangebote aus, darunter ein Spielfest für Kinder im Zyklus I und II, ein Sommerlager oder auch ein Adventsspiel. Diese Brückenangebote stehen allen offen.
Erleben statt Auswendiglernen
«Viele Eltern sagen mir, dass der KUW-Unterricht vor zwanzig Jahren viel trockener gewesen sei als heute», so Kohli. Seit fünf, sechs Jahren basiere die Kirchliche Unterweisung vermehrt auf einem erlebnispädagogischen Ansatz. Statt Unterricht spricht Kohli von Ateliers. «Der Zugang zu den Themen erfolgt über Kopf, Herz und Hand», erklärt Kohli. Zum Beispiel töpfern die Kinder einen Kelch. Und sie bereiten ein gemeinsames Abendmahl zu, bei dem sie ihren Kelch verwenden können. So gehe quantitativ gesehen gemäss Kohli Inhalt verloren. Aber dafür bleibe das, was die Kinder behandeln, besser in Erinnerung. Anders gesagt verfolge der KUW-Unterricht nicht nur einen «teaching about»-Ansatz, sondern auch einen «teaching in»-Ansatz. Konkret setzen sich die Kinder beispielsweise kritisch mit gewissen biblischen Inhalten auseinander. Dafür sprechen sie auch ein gemeinsames Gebet, denn nur die intellektuelle Auseinandersetzung bleibe gemäss Kohli oberflächlich, wenn nicht auch Herz und Gefühl Erfahrungen machen könnten.
Einen Einfluss auf die pädagogische Gestaltung des KUW-Unterrichts hat auch die Tatsache, dass er meistens zu Randzeiten stattfindet. Das bedeutet, viele Kinder sind bereits vom Schulalltag erschöpft. «Deshalb steigen wir meist mit einem Spiel ein oder essen gemeinsam ein Zvieri», so Kohli. Dennoch sei es teilweise schwierig, disziplinarisch etwas zustande zu bringen. Unter anderem deshalb lege er grossen Wert auf einen guten Elternkontakt. Um diesen aufrechtzuerhalten, gebe es den gemeinsamen Gemeindegottesdienst oder auch gemeinsame Apéros. «So stärken wir das Wir-Gefühl», sagt Kohli.
Glaubensfragen ohne Leistungsdruck
Dass sich der pädagogische Ansatz in den vergangenen Jahren gewandelt hat, ändert nichts am grundsätzlichen Inhalt des KUW-Unterrichts: die Auseinandersetzung mit Glaubensfragen. Was hält die Welt zusammen? Gibt es etwas Grösseres? «Diese Glaubensfragen sind immer vorhanden», so Kohli, «die Antworten kommen nicht immer klassisch daher.» Früher, als Kirchen noch die Dorfzentren waren, waren die Antworten der Kirche auch noch klarer. Heute sei die Kirche gesellschaftlich gesehen nicht mehr das Dorfzentrum. Es herrsche diesbezüglich eher eine Art freie Marktwirtschaft. Für Kohli ist das kein Problem: «Ich sehe eine Chance darin, dass wir kein Monopol mehr haben. Die Frage lautet für uns, wie wir weiterhin relevant bleiben.»
Seiner Ansicht nach zeichne sich der KUW-Unterricht im Vergleich zu vielen Vereinen durch seinen bewertungsfreien Ansatz aus. «Bei uns gibt es keine Prüfungen. Man muss nichts können. Bei uns gibt es keine Selektion.»