«Ja, es wird herausfordernd»

«Ja, es wird herausfordernd»

Regierungsstatthalterin Ladina Kirchen am Mikrofon, Gemeindepräsident Mike Bürki an vorderster Front. Ein eindrückliches Zeugnis, wie wichtig Kanton und Gemeinde die Informationsveranstaltung zuhanden der Bevölkerung nehmen. Aus gutem Grund, wie sich zeigen sollte.

Ein Meer an Winterjacken und Schals, ein Stimmengewirr mit angeregten Diskussionen. Um einen etwas gewagten Vergleich zu machen: Die Aula war so voll wie die Fahrzeuge, die am 16. Januar 200 Geflüchtete in die Räumlichkeiten im Gurnigelbad chauffierten. Einige von den Flüchtlingen dürften nach vielen Kurven und noch mehr Bäumen, mitten in der Natur vor dem Riegbau stehen und sich fragen, wo sie da denn gelandet sind? «Sie sind dort isoliert. Ich zweifle daran, ob das gut für sie ausgeht. Viele werden nach zwei oder drei Monaten im Tief sein; nämlich dann, wenn sie merken: es geht nicht vorwärts und es gibt kein Zurück mehr», zeigt sich ein Bewohner aus Riggisberg besorgt, der selbst vor vielen Jahren in die Schweiz geflohen war.

Mangel an Alternativen

Nun ist es die Aufgabe des Kantons zu entscheiden, welche Liegenschaften betrieben werden. Im Verbund von Bund, Kanton und Gemeinden fallen die Entscheide letztendlich immer wieder auf die Gemeinden zurück. Riggisberg kennt nach dem Jahr 2015 die Aufgaben und hat sich nationales Lob verdient aufgrund der Integrationsbemühungen zugunsten der Geflohenen. Jedoch ist das Grunigelbad eine andere Schuhgrösse, fernab vom Dorf dürfte die Integration weitaus schwieriger sein. Doch Manuel Haas, Leiter Abteilung Asyl und Flüchtlinge im Kanton Bern, hat wenig Alternativen in der momentanen Lage: «Wir sind unter Druck im Asylbereich. Der Ukrainekrieg und ein erneuter Anstieg der anderen Asylgesuche bringen uns auf das Niveau vom Jahr 2015, mit der erschwerten Situation, dass die ukrainischen Menschen schon viel Platz benötigen.» Kurz gesagt: Bern sucht händeringend nach Unterkünften. Aktuell sind inklusive den ukrainischen Menschen rund 10’000 Geflohene neu in diesem Jahr im Kanton Bern untergebracht. Was den Kantonsvertreter aber am meisten besorgt ist: 20 % davon sind Minderjährige. Fast 1800 unbegleitete Minderjährige haben in den letzten Monaten die Schweiz aufgesucht. «Viele Menschen wollten Unterkunft für Ukrainerinnen zur Verfügung stellen, nicht aber für andere Asylsuchende», zieht Haas ein weiteres Resümee aus den vergangenen Wochen.

Sprache als Schlüssel

«Die Liegenschaft hat das Potenzial, dass man die Minimalleistungen erfüllen kann», meint zudem Martina Blaser, Leiterin Migration SRK, an den Adressaten der eingangs gestellten Frage. Die Betonung liegt aber auf minimal. Das Schweizerische Rote Kreuz wird die Unterkunft leiten, mit gerade mal zwei bis fünf Personen. Sie erklärt, wie das SRK aufgrund seiner Erfahrung in der Betreuung von aktuell 4200 Menschen im Kanton Bern organisiert ist. Sie haben für alle Menschen vor Ort das Ziel: «Selbstständigkeit zu erlangen», wie sie sagt. Das erfolgt getreu dem NABE (Neustrukturierung Asyl- und Flüchtlingsbereich Kanton Bern). «Die Sprache ist der Schlüssel zum Erfolg», unterstreicht Blaser. Die Geflohenen müssen also Fortschritte erzielen, um quasi vom Gurnigelbad wegzukommen: in der Sprache, im Erlernen vieler kulturbedingter Gepflogenheiten der Schweiz, damit sie zurechtkommen. Ihnen stehen Sozialberatung und Integrationsförderung zur Seite. Im Gurnigelbad wird zudem eine minimale Tagesstruktur geleistet. Erneut fällt das Wort «minimal». «Ja zum Teil kann es sehr langweilig werden» gibt Christoph Müller, Teamleiter der Freiwilligenarbeit beim SRK Bern, unverhohlen zu.

Keine direkten Kosten

Es wird darauf hinauslaufen, dass erneut 200 Geflohene auf die Gastfreundschaft und Bereitschaft vieler Riggisbergerinnen hoffen müssen, die erneut, wie vor acht Jahren, die Integration helfen mitzutragen, getreu dem Motto: «Es braucht immer zwei Seiten, die sich annähern.» Nur wird dies aufgrund der Lage weitaus komplizierter. Da bräuchte es schon fast ein kleines Wunder. «Ich fordere alle auf: Geht mit dem Nullprinzip hin, gebt allen dieselbe Chance, denn wir sind zusammen unterwegs», so Mike Bürki, Gemeindepräsident, zum Schluss der Veranstaltung.

Die Bevölkerung begrüsste, dass die öffentlichen Vertreterinnen sich Zeit für Fragen nahmen, bedauerte aber zugleich, dass von Seiten der Vermieterschaft niemand zugegen war. Über die finanziellen Seiten der Miete des Gurnigelbads schweigt man sich aus. Für die 200 Geflohenen bleibt zumindest die Hoffnung, dass Riggisberg eine Vorzeigegemeinde in Sachen Integration ist.  Dennoch vermag die Aussage von Martina Blaser die passendste Zusammenfassung liefern,  wenn sie feststellt:  «Es wird herausfordernd für die Integration, wenn alles so dezentral ist, das stimmt.»

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