Krone richten, vorwärts schauen

Krone richten, vorwärts schauen

Nach vier Jahren ist Schluss mit Forst Gantrisch. Das Gemeinschaftsprojekt sollte die Erbringung von Dienstleistungen für Hunderte Waldbesitzende vereinfachen. Unterschiedliche Voraussetzungen der drei Partner fanden schlussendlich keinen ausreichend grossen gemeinsamen Nenner. Dennoch bleibt die Zusammenarbeit bestehen – man schaut vorwärts.

«Ein ausgeklügeltes Konzept» sei es, schrieb diese Zeitung im Juli 2021 zum Start von Forst Gantrisch, «eine Idee mit Zukunft». Forst Gantrisch ist eine öffentlich-rechtliche Gemeindeunternehmung der beiden Burgergemeinden Wahlern und Guggisberg sowie der Gemischten Gemeinde Rüschegg. Die Idee dahinter bestechend: Waldbesitzer und Kanton sollen nur noch einen Ansprechpartner haben, die Förster und Forstangestellten bleiben bei ihren jeweiligen, oben genannten Gemeinden angestellt. Doch heute, vier Jahre später, steht Forst Gantrisch kurz vor der Liquidation.

Reviervertrag mit dem Kanton
Das Revier Gantrisch ist eines von fünf Forstrevieren in der Region Gantrisch und umfasst die Burger- und Privatwälder der Gemeinden Schwarzenburg, Guggisberg und Rüschegg. Martin Küng, Regionenverantwortlicher West der Waldabteilung Voralpen, erklärt: «Der Kanton hat einen gesetzlichen Auftrag, den Waldbesitzenden die Beratung kostenlos zur Verfügung zu stellen.» Dies erbringt der Kanton entweder eigenständig mit Staatsförstern oder er überträgt diese Aufgaben an geeignete öffentliche oder private Revierträgerschaften. Zweiteres ist im westlichen Teil der Voralpen überall der Fall. «In den letzten 10 bis 15 Jahren sind die Reviere grösser geworden», weiss Küng. Dies sei nicht etwa vom Kanton so gesteuert worden, hingegen rechnet sich die Anstellung eines Försters für Gebiete von bloss einigen Hundert Hektaren kaum mehr. Und um kantonale Aufgaben übernehmen zu können, braucht eine Trägerschaft angestellte Förster. Damit sind wir beim Knackpunkt von Forst Gantrisch. Die Organisation hatte keine eigenen Angestellten; die drei Revierförster Dieter Müller, Hans Rudolf Scheuner und Simon Dürig waren alle bei den jeweiligen (Burger-)Gemeinden angestellt, wie auch ein Duzend Forstarbeiter. Deshalb erteilte der Kanton Forst Gantrisch nur einen bis Ende 2024 befristeten Reviervertrag.

Es passt doch nicht
Während operativ die Zusammenarbeit unter den Forstarbeitenden und Förstern gut funktionierte und die Region vom Ansprechpartner Forst Gantrisch profitierte, rauchten die strategischen Köpfe im Versuch, die Anstellung ins Ziel zu bringen. Hürden gab es einige: drei unterschiedlich grosse und verschieden organisierte Parteien mit sich unterscheidenden Prioritäten. Rüschegg etwa ist eine gemischte Gemeinde, bei der grössere Entscheide vor die Gemeindeversammlung müssen. Die Burgergemeinden Wahlern und Guggisberg hingegen, entscheiden vieles direkt im Burgerrat. «Wir waren immer wieder mit unterschiedlichen Tempi unterwegs», schaut Alfred Staudenmann, Präsident der Burgergemeinde Guggisberg, zurück. Und erwähnt einen weiteren Punkt: «Wir sind eine kleine Burgergemeinde und leben rein von der Forstwirtschaft auf unseren 380 Hektar Wald.» Die Burgergemeinde Wahlern hingegen besitzt auch noch Liegenschaften und bringt allein deshalb etwas andere Voraussetzungen mit sich. Vor wenigen Jahrzehnten habe man mit einem Kubikmeter Holz noch rund 185 Franken erwirtschaften können, erzählt Staudenmann. Heute erhalte man noch etwa 85 Franken – während Löhne, Versicherungen und Maschinen teurer und die Arbeit nicht weniger geworden sei. Der Borkenkäfer etwa habe früher hauptsächlich in tieferen Lagen gewütet. Mit den gestiegenen Temperaturen ist er auch in Guggisberg zum Problem geworden. Zudem änderte der Kanton Bern das Vergütungssystem für Schutzwaldmassnahmen. «Die Region Gantrisch wurde, im Gegensatz zu Regionen mit einem höheren Anteil an Steinschlag- oder Lawinenschutzwald, in der Tendenz eher zurückklassiert», erklärt Martin Küng. Und relativiert: Die Region Gantrisch profitiere auch vom neuen Beitragsystem: Neu würden in allen Schutzwäldern Beiträge gesprochen, was einen grossen Mehrwert hinsichtlich der Bewirtschaftung von Gerinneschutzwäldern bringt.

Ein weiterer Faktor ist der Forstkommunalbetrieb Rüschegg: Mit bisher 700 Stellenprozenten übernehmen Förster und Forstarbeiter auch kommunale Arbeiten wie die Bewirtschaftung von Wegen oder einen Teil des Winterdiensts. Für eine Anstellung bei Forst Gantrisch hätte das Pensum von Hans Rudolf Scheuner deshalb circa hälftig über die Gemeinde Rüschegg und Forst Gantrisch laufen müssen – eine Herausforderung schon nur im Hinblick auf die Versicherungs- und Vorsorgebeiträge. Die drei Parteien arbeiteten in Absprache mit der Waldabteilung intensiv an einer Lösung, revidierten das Organisationsreglement im Sommer 2024 und erstellten mit dem Budget 2025 eines, das auch Försterlöhne enthält. Dieses war für die Guggisberger Burger nicht stemmbar.

Rüschegg verantwortlich
Im November 2024 war klar: Es wird keine Anstellung von Förstern geben – und Forst Gantrisch wird den unbefristeten Reviervertrag nicht erhalten. Da war Markus Hofer seit knapp zwei Jahren im Rüschegger Gemeinderat und als Ressortchef Volkswirtschaft und Liegenschaften auch fürs Dossier Forst Gantrisch verantwortlich. Er half mit, schnell eine Lösung zu finden, denn die Pauschalvergütung der hoheitlichen Stunden für den Rüschegger Förster machen einen nicht unerheblichen Teil seines Lohnes aus. Nach Gesprächen mit der Burgergemeinde Wahlern sowie den kantonalen Zuständigen Johann Kurtz (Leiter Waldabteilung Voralpen) und Martin Küng bewarb sich die Gemeinde Rüschegg um das Forstrevier Gantrisch – es wäre sonst vorerst durch einen Staatsförster der Waldabteilung beförstert worden. An der Gemeindeversammlung vom 20. Juni beantragte der Gemeinderat, den Förster Dieter Müller, der bisher bei der Burgergemeinde Wahlern angestellt war, nach Rüschegg zu holen. «Die Stelle wird einerseits aus einem Teil des durch den Kanton ausgerichteten Revierbeitrags und andererseits durch die Übernahme von Betriebsleiterfunktionen für die BG Wahlern und die Dorfburger Schwarzenburg finanziert», erläuterte die Botschaft das Geschäft. Es kam denn auch ohne Gegenstimme durch – am 1. September sollte Müller offiziell dem Forstkommunalbetrieb Rüschegg angehören. «Trotz unterschiedlicher Vorstellungen hatte ich einen Sinn in der Zusammenarbeit gesehen», sagt Daniel Beyeler, Präsident von Forst Gantrisch und ehemaliger Präsident der Burgergemeinde Wahlern. «Ich bedaure, dass es gescheitert ist, aber für uns ist klar, dass wir weiterhin zusammenarbeiten wollen – nun halt ausschliesslich mit Rüschegg.»

Zusammenarbeit geht weiter
In den nächsten Wochen wird der Vorstand von Forst Gantrisch einen Liquidator beauftragen – dann wird das einstige visionäre Projekt offiziell Geschichte sein. Ausser Spesen nichts gewesen? Trotz Ernüchterung will niemand Schuldzuweisungen machen. «Es war eine lehrreiche Erfahrung», bilanziert Markus Hofer. «Man hat wirklich etwas Gutes machen wollen und die Umstände waren nicht einfach. Es war eine gute Idee, die nicht aufging, ich mache niemandem Vorwürfe.» Die jetzige Lösung sei einfacher, weil weniger verschiedene Hüte zusammengebracht werden müssten. Zudem, fügt er an, sei Rüschegg offen für eine Zusammenarbeit mit weiteren Interessierten, auch projektweise, etwa bei einer gemeinsamen Holzvermarktung. Auch Alfred Staudenmann schaut nach vorne: «Nun geht es weiter, wir müssen das Beste daraus machen.» Daniel Beyeler ist ebenfalls zuversichtlich: «Diejenigen, die jetzt am Ruder sind, können aus der Geschichte lernen. Man weiss jetzt, was funktioniert und was zu kompliziert ist, die investierte Zeit ist nicht verloren.» Mancherorts im Kanton funktioniert das Modell à la Forst Gan-trisch. Andernorts, etwa im oberen Gürbetal, ist die Revierträgerschaft eine AG von Waldbesitzenden. «Die Waldbesitzer können selbst entscheiden, ob und mit wem sie betrieblich zusammenarbeiten. Der Kanton begrüsst unabhängig vom Modell eine partnerschaftliche und längerfristige Zusammenarbeit», so Martin Küng. Johann Kurtz ergänzt: «In den letzten zehn Jahren sind in der Waldwirtschaft viele Organisationen entstanden, es ist insgesamt eine Erfolgsgeschichte für uns und entspricht der Entwicklungsstrategie des Amts und der Berner Waldbesitzer. Wir haben ein Interesse daran, dass es professionelle Organisationen gibt, welche die Wälder durch das Angebot ihrer Dienstleistungen fit machen oder erhalten. Wir sehen der Entwicklung in der Region positiv entgegen, das Potenzial ist riesig.» Den im Revier Gantrisch verantwortlichen Förstern windet Küng ein Kränzchen: «Die Zusammenarbeit im Forstrevier der Region ist lückenlos weitergelaufen.» Trotz Scherbenhaufen – die Geschichte von Forst Gantrisch zeigt: Wer nichts wagt, gewinnt nichts. Und manchmal braucht es einen zweiten Anlauf. Denn man kennt sich, man sieht sich, man «wärchet» weiterhin zusammen.

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