Lesen in der Zukunft, Blättern in der Vergangenheit

Lesen in der Zukunft, Blättern in der Vergangenheit

In 53'000 Briefkästen flattert die Könizer Zeitung | Der Sensetaler monatlich, im Durchschnitt 100 Seiten dick. Welch Kontrast zur Startauflage vor 40 Jahren mit 2700 Exemplaren, 8 Seiten dünn. Das vermutlich kleinste Blatt des Kantons Bern ist heute eines der grössten.

Weiterschreiben, weiterentwickeln, weiterdenken. Wer weiss, vielleicht wird die «Könizer Zeitung» sogar einmal der Grösste Titel des Kantons Bern. Namhafte Traditionsmedien aus der Gegend haben schon heute eine kleinere Auflage. In 40 Jahren hat sich der Titel in der Auflage fast ver-
zwanzigfacht und der Umfang verzwölffacht. Was bleibt, wenn man die Erstausgabe von Max Riesen und Beat Pulfer durchblättert? Erstmal jede Menge Schmunzler, etwa wenn beim Damenturnverein Niederscherli noch von «Körpererziehung» die Rede war oder wenn bei allen Werbungen noch sechsstellige Telefonnummern genügten, um die Firma zu erreichen. Webseiten und Mailadressen Fehlanzeige.

Wertvoll
Schmunzler sind jedoch vergänglich, was hingegen bleibt, ist die Bewunderung für das klare Bekenntnis zur Regionalität, zur Positivität und zur Parteineutralität. Bestes Beispiel, der Auftaktartikel über die Tempo-40-Begrenzung der Quartierstrassen, die Aussage, dass Köniz noch kein Radargerät hat und der letzte Satz im Artikel: «Bleibt zum Schluss die Frage, wieviele Verbote der Staat eigentlich erlassen muss, bis die verschiedenen Verkehrsteilnehmer toleranter werden.» Heute, vierzig Jahre und unzählige Verbote später, wissen wir: Regionalität, Positivität und Parteineutralität sind gefragt. Vielleicht gefragter denn je. Es ist eine Verpflichtung, sich als Schreiberling nicht so wichtig zu nehmen, sondern die Bevölkerung in den Vordergrund zu stellen. Keine lauthalsen Phrasen posaunen, sondern mit einer feinen Feder den respektvollen Umgang vorzuleben.

Gemeinsam
Willkommen in der heutigen Schreibstube der Könizer Zeitung. 40-jährige Werte werden gepflegt, neue kommen dazu. Wie die Zeit, so die Zeitung. 2004 wurde aus der Dörfli-Zytig die Könizer Zeitung. Als Bruno Grütter 2010 den Verlag übernahm, begann eine weitere Ära; jene der Professionalisierung. Der Erfolg, den die Gründerväter erzielt hatten, liess die Garage, die damals als Büro herhalten musste, aus allen Nähten platzen. Heute arbeiten elf Festangestellte und viele Korrespondentinnen und Korrespondenten tagtäglich an den Ausgaben. Nicht mehr in der Garage. Die Räumlichkeiten sind grosszügiger geworden, eines aber ist geblieben: Noch heute sind Layout, Verkauf, Redaktion und Verlag auf demselben Stockwerk. Durchaus symbolisch gemeint für: auf Augenhöhe. Das ermöglicht unverändert enge Zusammenarbeit, schnelle Entscheidungen und im wahrsten Sinne der Floskel: kurze Wege.
Zukunftsträchtig
Inzwischen ist die Könizer Zeitung in einer neuen Ära angelangt: jener des qualitativen Journalismus. Geniessen Gratistitel in aller Regel nicht gerade den Ruf von hochwertigen Erzeugnissen, so will die Könizer Zeitung beweisen, dass eben beides möglich ist: gratis zu erscheinen und gut recherchierte Artikel zu bringen. Es ist eine wichtige Zeit. Eine, in der Kurzlebigkeit, Extremereignisse und Digitalität die Medienlandschaft in ihren Grundzügen erschüttern. Unverbesserlich geht die Könizer Zeitung hingegen ihren eigenen Weg. Vor-Ort statt Download-Journalismus, positiven Meldungen mehr Platz einzuräumen als den bellenden Hunden oder kreischenden Möwen und mit dem digitalen Auftritt die Zeitung nicht selbst zu konkurrenzieren, sondern sinnvoll zu ergänzen. Wir sind überzeugt, Werte überdauern Modeerscheinungen. Wir glauben, unsere Werte sind heute wichtiger denn je.

Gibt es also auch in 40 Jahren noch die Könizer Zeitung? Wir glauben daran und wir arbeiten daran. Solange die alten Werte und neuen Bedürfnisse der Leserschaft sich die Wage halten. Dafür stehen wir mit unserem Namen ein. Um aber diesen Rück- und Ausblick nicht allzu pathetisch zu beenden, möge ein abgedruckter Witz aus den Anfangsjahren der Dörfli-Zytig noch einen Schmunzler entlocken. Und wer weiss, vielleicht gehört dieser alte Zopf plötzlich wieder in die Bedürfnisse der Leserschaft? Lassen Sie es uns wissen: «Drei ‹Webstübler› wollen aus der Waldau entlassen werden. Der Direktor will sie einer Schlussprüfung unterziehen und fragt den ersten: Wie viel sind vier mal vier? Nach langem Überlegen antwortet er: 100. Meint der Direktor: Durchgefallen, sie müssen noch drei Wochen hierbleiben. Dem zweiten stellt der Direktor dieselbe Frage. Nach langem Studieren meint dieser: Donnerstag. Durchgefallen, Sie müssen noch drei Monate bei uns bleiben. Auch der dritte muss dieselbe Aufgabe lösen. Nach längerem Überlegen meint dieser: 16. Worauf der Direktor meint: Bravo, sie können gehen, doch zuvor möchte ich noch wissen, wie Sie auf 16 gekommen sind? Da meint der dritte: Ganz einfach, 100 weniger Donnerstag gibt 16.»

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