Der Kanton Bern räumte im gros-sen Stil ab: Von den je 85 Gold-, Silber- und Bronzemedaillen der Berufsschweizermeisterschaften 2022 gingen 27, 25 und 23 nach Bern. Zum Vergleich: Zürich holte «nur» 8-, 9- und 3-mal Edelmetall, der Kanton Freiburg einmal Gold und fünfmal Bronze. Aus dem Verteilgebiet dieser Zeitung, das 27 Gemeinden aus den Kantonen Bern und Freiburg umfasst, reüssierten fünf Siegerinnen und Sieger sowie je zwei Zweit- und Drittplatzierte. Wir stellen die beiden Schweizermeisterinnen und die drei Schweizermeister vor.
Der Bootbauer
Etwas überraschend scheint der Sieg von Gilles Beutler, verfügt unsere Region doch über keinen grösseren See. Doch der beste Lehrabgänger im Bootsbau wohnt in Wabern. «Der Beruf ist enorm vielseitig», schwärmt der 20-Jährige. Man arbeite mit Holz und mit Kunststoff, sogar Sanitäraufgaben gehörten dazu. Die vierjährige Lehre absolvierte Beutler bei der Hächler Bootbau AG in Einigen, am Thunersee. Die SwissSkills seien deutlich anstrengender als die Lehrabschlussprüfung gewesen. Während vier vollen Tagen bauten die acht Finalisten ein Schaukelboot. «Ich merkte bald, dass man sich nicht in Details verlieren durfte – es herrschte ein grosser Zeitdruck», erzählt der Waberer. Mit einem Laminierverfahren stellte er die Schale des Bootes her, verleimte den Stuhl und die Kufen. Er zeichnete und sägte Wände, passte Hohlkehlen, das Deck und den Unterbau ein, bevor am Schluss Griff, Stuhl, Verputz und Zierstreifen das Werk komplettierten. Die Preisverleihung sei ein schöner Moment gewesen: «Der Zweit- und der Drittplatzierte sind beste Kollegen von mir.» Bis Ende Jahr arbeitet Beutler noch im Ausbildungsbetrieb, dann leistet er Zivildienst. Und danach? «Ich bleibe sicher noch auf dem Beruf und sammle Erfahrung», gibt er Einblick in seine Zukunftsplanung. «Mich interessieren sowohl Hightech- wie auch altmodische Verfahren». Also Boote aus Karbon oder Epoxidharz, bei denen jedes Gramm perfekt platziert wird. Aber auch Restaurationen oder ein Neubau mit einem Verfahren «wie vor hundert Jahren». Dazwischen darf es auch mal ein Skateboard oder Surfbrett sein. Langweilig wird es dem aktuell besten jungen Bootsbauer der Schweiz sicher nicht.
Der Gebäudetechnikplaner Lüftung
Eigentlich wollte er Architekturzeichner werden, doch die Lehrstellensuche gestaltete sich holprig. Umso schöner der Erfolg, den der junge Gebäudetechnikplaner Lüftung nach seinem Lehrabschluss feiert: Yanic Fürst ist auf seinem Beruf Schweizermeister der Lehrabgänger 2022. «Ich sorge für ein gutes und angenehmes Klima», umschreibt er sein Berufsfeld. Der Laupener – er zog Anfang Oktober ins freiburgische Galmiz um – absolvierte seine Lehre bei der Gruner Roschi AG in Köniz, wo er nach wie vor arbeitet. An den SwissSkills machte er anfänglich «zum Vergnügen» mit, wie er erzählt. Während zwei Tagen erstellte er vier Teilaufgaben: Es ging etwa um Luftmengenberechnung, ums Planen und Zeichnen – während die Wirtschaftlichkeit sowie die Nachhaltigkeit im Fokus bleiben mussten. An der Siegerehrung hielt er seine Erwartungen tief: «Ich dachte, das wird wahrscheinlich nichts.» Als schliesslich die besten drei hinter die Bühne geholt wurden, war für ihn das Ziel schon erreicht. «Umso schöner war es dann, als mein Name weder bei Bronze noch bei Silber fiel», schaut Fürst zurück. Im Sommer 2023 wird er die RS absolvieren und anschliessend auf dem Beruf bleiben. «Sicher werde ich dann bald einmal die erste Weiterbildung in Angriff nehmen», sagt der 19-Jährige. Auch ein Schweizermeister hat noch nicht ausgelernt.
Der Spengler
«Am Anfang war ich nervös, dann lief es gut, doch am Schluss kam ich ins Schwitzen.» Andri Laurent Marthaler erstellte an den SwissSkills als einer von 13 Finalisten zwei verschiedene Fassaden und ein Dach. Der junge Spengler aus Mühleberg hatte immer ein gutes Gefühl dabei. Auch sein Lehrmeister, Beat Kohli von der Kohli Bedachungen und Spenglerei AG in Mühleberg, war zur moralischen Unterstützung dabei: «Ich dachte, seine Leistung ergibt mindestens Bronze oder Silber.» Es wurde Gold – Marthaler schwärmt von der Siegerehrung: «Es war echt emotionsgeladen und wirklich gut gemacht.» Die drei besten Spengler sind alle Berner. Für Beat Kohli ist dies ein Verdienst der guten Verbandsarbeit, die nicht in jedem Kanton gleich gehandhabt wird. Die Lernenden hatten nämlich Gelegenheit, zusätzlich zu den Arbeiten im Lehrbetrieb verbandsintern zu üben und ihre Kompetenzen zu erweitern. Der 19-jährige Schweizermeister, der sich mit grosser Motivation auf die SwissSkills vorbereitet hatte, bleibt der Kohli AG vorerst treu, auch wenn im Januar noch die Winter-RS dazwischenkommt. «Danach will ich weiter Berufserfahrung als EFZ sammeln, mehr Verantwortung übernehmen und mich weiterbilden.»
Die Floristin
Sie wuchs auf einem Biohof in Hinterfultigen auf – umgeben von viel Natur. Vielleicht ist das der Grund, warum Selina Messerli bei den Floristinnen und Floristen obenaus schwang? «Ich war schon immer gern in der Natur, sammelte Sachen im Wald, um daheim etwas zusammenzustecken. Wir haben einen grossen Umschwung, der viel Inspiration bereithält», bestätigt sie. «Mir gefällt es, mit Elementen aus der Natur jemandem eine Freude machen zu können», fasst sie ihre Leidenschaft zusammen. Während der Ausbildung zur Floristin erlernte sie verschiedene Techniken und Aufbauten, feilte an einer langen Haltbarkeit der Sträusse und Gestecke. Dazu kam ein immer umfassenderes Wissen über Pflanzen und deren Ansprüche. An den SwissSkills schaffte sie es mit fünf anderen jungen Absolventinnen und Absolventen in die Finalrunde: Zuerst musste ein grosser «Loop» gestaltet werden, gewünscht war ein «Wow-Effekt». Danach ein Tableau – mit dem Ziel, mit möglichst viel Reduktion eine grosse Wirkung zu erzeugen. Dritte Aufgabe war ein Siegeskranz, der zu den Erstellenden passen sollte. Das Resultat kann auf der Titelseite dieser Ausgabe des «Sensetalers» bestaunt werden. Dass die 20-jährige Rüeggisbergerin Gold gewann, überraschte sie. «Bei uns Floristen hatten wir zwar alle dasselbe Material, erstellten damit aber komplett verschiedene Werke – so war nicht abzusehen, wer gewinnen würde», erklärt sie. Nun arbeitet sie weiterhin bei Blumen Hirter in Belp. Die nächste Herausforderung hat sie bereits im Blick: die Berufsweltmeisterschaften 2024 in Lyon.
Die Carrosserielackiererin
Eine junge Frau, die sich für eine Ausbildung im Autogewerbe entscheidet, überrascht nur im ersten Moment. Denn beim Zuhören wird klar, dass Lara Kaufmann im richtigen Berufsfeld gelandet ist. «Es ist ein kreativer Beruf», betont sie. Die Carrosserielackiererin lernte ihr Handwerk bei der Bartlome AG in Rüschegg-Graben. Das Handwerkliche in Verbindung mit den Farben hat es ihr angetan. Kein Wunder, absolvierte sie die zweitbeste Lehrabschlussprüfung im Kanton Bern, landete auf dem ersten Platz bei einem Wettbewerb der Gewerbeschule und auf dem zweiten Platz in der Regionalmeisterschaft. So für die SwissSkills qualifiziert, startete die Riggisbergerin motiviert in die Schweizermeisterschaften. Doch bescheiden sagt sie: «Ich arbeitete einfach so wie jeden Tag – nur etwas schneller.» Es ging um Farbfindung, um das Erstellen eines Farbmusters sowie einer neuen Haube und das Beheben zweier Beulen. Auch der Farbaufbau und ein Decorelement gehörten zu den Aufgaben, eine neue Türe mit Lackaufbau und die Reparatur einer Stossstange sowie «spot repair». «Ich denke sehr selbstkritisch und war mir meiner Fehler bewusst», erzählt sie. Dennoch hoffte sie auf einen Podestplatz. «Dass ich dann die schweizweit beste Lackiererin von meinem Jahrgang wurde, war ein unbeschreibliches Gefühl», schaut sie zurück. Und windet gleich ihrem Lehrbetrieb ein Kränzchen: «Ich habe Glück, so einen Top-Ausbildungsbetrieb zu haben.» So erstaunt es nicht, dass die 20-Jährige bei der Bartlome AG bereits die zweite Lehre angefangen hat – als Carrosseriespenglerin. Ein Herzensanliegen ist ihr, Jugendliche zu inspirieren. Die Schweizermeisterin glänzt auch als Botschafterin: «Handwerkliche Berufe können so toll sein – es wäre schön, wenn viele Junge nachkommen.»
Übrigens – Selina Messerli und Lara Kaufmann waren in der Oberstufe in Riggisberg «Klassengspändli». Ob es einfach ein besonders guter Jahrgang war oder ob sich hier eine Talentschmiede versteckt, wird die Zukunft weisen.