Wer das charmante Dorf Rechthalten im Freiburger Sensebezirk betritt, ahnt zunächst kaum, welch kultureller Schatz sich hier verbirgt. In dem ehemaligen Landi-Gebäude, umgeben von schmucken Bauernhöfen, liegt das Strohatelier Sense-Oberland – das einzige verbliebene Atelier in der Schweiz, das Trachtenhüte aus Stroh herstellt. Rund 130 verschiedene Modelle, von Appenzell bis ins Wallis, entstehen hier nach traditionellen Vorlagen – mit viel Geduld, Können und Leidenschaft.
Wo Handarbeit auf Herzblut trifft
Gegründet wurde das Strohatelier im Jahr 1988. Im selben Jahr, in dem in Menziken im Aargau, dem einstigen Zentrum der Schweizer Strohverarbeitung, die letzte Strohhutfabrik schloss. Die mittlerweile verstorbene Ruth Rumo aus Rechthalten wollte nicht hinnehmen, dass dieses traditionsreiche Handwerk damit verloren ging. Auf ihre Initiative hin wurde eine Genossenschaft gegründet, welche das gesamte Mobiliar inklusive Strohvorräte der Firma in Menziken aufkaufte und dafür sorgte, dass das Wissen erhalten blieb. Dabei schloss sich ein Kreis: Denn auch der Kanton Freiburg spielte einst eine bedeutende Rolle in der Strohverarbeitung. Im 18. und frühen 19. Jahrhundert stellten viele Familien im Sensebezirk fein geflochtene Strohdrähte her, die dann in den Aargau exportiert wurden, wo sie zu Spitzen weiterverarbeitet wurden. «Das Stroh war das Gold der armen Leute», erzählt Tanya Bächler, eine der beiden Co-Leiterinnen im Atelier. Ihre Kollegin Jaqueline Bächler ergänzt mit einem Schmunzeln: «Die Strohdrähte wurden gegen Lebensmittel eingetauscht. Für 1000 Drähte gab es z. B. 1920 ein Kilo Brot.»
Mehr als nur Trachtenhüte
Neben den Bächlers arbeiten zwei weitere Teilzeitkräfte für das Atelier – vorwiegend in Heimarbeit. Neben den traditionellen Trachtenhüten entstehen auch Körbe, Tischsets, Schmuck und Geschenkartikel aus Stroh. Ein wichtiges Standbein sind die Führungen durch das Atelier, bei denen Besucherinnen und Besucher hautnah erleben, wie aus schlichtem Stroh ein kunstvoller Hut wird. «Wenn die Leute sehen, wie viel Handarbeit in einem einzigen Hut steckt, verstehen sie wieder seinen Wert», sagt Tanya Bächler.
Ein Preis, der Hoffnung macht
Der Preis der Sparkasse Sense ist für das Team weit mehr als ein symbolischer Akt. Er ist Anerkennung und Ermutigung zugleich. Denn finanziell steht das Atelier auf wackeligen Beinen. Die Hüte sind langlebige Qualitätsprodukte, doch der Absatz ist überschaubar. «Wir verdienen nicht das grosse Geld, es geht eher darum, die Fixkosten zu decken. Wir sind daher auf Gönnerinnen und Gönner angewiesen», sagen die beiden Co-Leiterinnen übereinstimmend. Die beiden Frauen machen sich Gedanken über die Zukunft des Ateliers, denn Nachwuchs zu finden, gestaltet sich schwierig.
Die Kunst des Strohhutmachens erfordert nicht nur Fingerspitzengefühl, sondern auch viel Idealismus. «Es braucht jemanden mit Herzblut – und jemanden, der nicht darauf angewiesen ist, davon zu leben. Es ist mehr Berufung als Beruf», sagt Jacqueline Bächler. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer: «Wir sind im Gespräch mit einer möglichen Interessentin», verrät sie. Diese Aussicht stimmt die beiden Co-Leiterinnen zuversichtlich. Denn jeder Hut, der das Atelier verlässt, ist mehr als nur ein handwerkliches Unikat – er ist ein Symbol gelebter Geschichte. Einer Geschichte, die das Atelier selbst seit Jahrzehnten weiterschreibt. Und die, so hoffen es Jacqueline und Tanya Bächler, noch lange nicht zu Ende erzählt ist.


