Lange hat man geglaubt, die Grasburg sei von den Herzögen von Zähringen errichtet worden. Diese waren bekanntlich mächtige Reichsfürsten, die zwischen 1127 und 1218 im Auftrag des deutschen Königs das Rektorat Burgund verwalteten. Dieses Gebiet umfasste unter anderem die westliche Schweiz, und die Zähringer festigten dort durch den Bau von Burgen und die Gründung von Städten ihre Macht. Jüngst erfolgte Forschungen haben aber neue Erkenntnisse zur Grasburg gebracht. Die Untersuchung der Mauern der Ruine zeigt, dass die Burg in einem Zug erbaut wurde und dass die architektonischen Details, so etwa die Form der Schiesscharten oder die Dimensionen der Buckelquader, Merkmale und Formen der Gotik aufzeigen. Die Burgenforschung datiert die Anlage neu in die Zeit zwischen 1220 und 1240.
Im Besitz der Staufer
Das ist aber nach dem Tod des letzten Zähringers 1218. Damals fielen die Gebiete der Zähringer teilweise zurück ans Reich, unter anderem an Bern und seine Umgebung, während andere, so Burgdorf, Freiburg und Thun, Erbe der Grafen von Kyburg wurden. Während einiger Jahrzehnte waren Bern und seine Umgebung – als Teil des Reiches – in staufischem Besitz. Die Staufer bemühten sich, Präsenz zu zeigen. So hielten sie 1224, 1238 und 1244 grössere Hoftage in Bern ab und richteten dort eine Münzstätte ein. Auch die Gründung der Deutschordenskommende in Köniz durch den Stauferkönig Heinrich (VII.) ist in diesem Zusammenhang zu sehen, waren die Staufer doch grosse Förderer dieses Ritterordens. Präsenz markierten die Staufer auch durch den Bau von Burgen, unter anderem vielleicht Laupen, sowie der Grasburg. Letztere diente nicht nur ganz allgemein dem Schutz der staufischen Herrschaftsbereiche, sondern an dieser Stelle als Stützpunkt gegen die Kyburger, die Rivalen der Staufer in der Region. Die Grasburg wurde an einem damals wichtigen Weg zwischen Thun und Freiburg errichtet, der dort die Sense querte.
Reichsburg
Die mächtige Burganlage ist ein anschauliches Beispiel für eine grosse Reichsburg mit einer Kernburg für den König und einer grossen Vorburg für die Burgbesatzung. Erstere erhebt sich im Westen und bestand aus einem nicht mehr erhaltenen Turm, einem grossen Saalbau für Hoftage, Versammlungen und Feste, «aula» genannt, und einem vornehmen Wohnbau, der «logia». Wenn der König zu Besuch kam, war ihm dieser Bereich vorbehalten. Getrennt durch einen Graben schloss gegen Osten die zweiteilige Vorburg an, ein weiterer heute unbebauter Mittelhof und am Ostende der Bergfried, der das dortige, nicht mehr erhaltene Tor mit St. Georgs-Kapelle (Ritterheiliger) beschützte, sowie ein gut ausgestatteter Wohnbau, wahrscheinlich der Sitz des königlichen Ministerialen, der die Burg verwaltete und «Schultheiss» genannt wurde. Er war aber – ein typisches Merkmal von Königsburgen – nicht allein. Es gab eine feste Besatzung von adeligen Ministerialen, den «Burgmannen». Jeder von ihnen besass ein repräsentatives Haus und Güter und Höfe um die Burg herum. Aus den Schriftquellen wissen wir, dass es einst mindestens vier derartige Gebäude gab, die alle in der Vorburg standen. Sie bildeten die «Burgmannensiedlung».
Mit dem Tod des letzten Stauferkönigs Konrad IV. im Jahr 1254 brach das Interregnum an, die «kaiserlose, schreckliche Zeit», und die Kyburger brachten die meisten staufischen Besitzungen an sich. Erst 1273, nachdem Rudolf I. von Habsburg neuer deutscher König geworden war, kam die Grasburg wieder in königlichen Besitz. Aber die Interessen der deutschen Könige hatten sich von unserer Region weg verlagert.
Deshalb wurde die Grasburg 1310 an die Grafen von Savoyen verpfändet, von diesen aber nur noch als Vogteisitz genutzt. Das taten nachfolgend auch die Städte Bern und Freiburg, die die Herrschaft 1423 gekauft hatten und gemeinsam verwalteten. Die Verlagerung der Verkehrswege und der Aufschwung des Marktortes Schwarzenburg führten schliesslich 1575 zur Aufgabe der Grasburg und zur Verlegung des Vogteisitzes. Seit 1894 ist die Burgruine im Besitz der Stadt Bern. Eine umfassende Sanierung ist im Moment in Planung und soll in den nächsten Jahren realisiert werden.