Plötzlich stehen lauter alte Leute um mich herum…

Plötzlich stehen lauter alte Leute um mich herum…

Im März 2020 habe ich in Vercorin den Virus erwischt (obwohl man noch Monate später behauptete, in Vercorin habe sich niemand angesteckt, ahhh, les Valaisans…), noch 12 Monate später hatte ich vom Labor nachgewiesene Antikörper. Dennoch habe ich mich impfen lassen. Logisch, dass das alles in einer Kurzgeschichte endet.

Damit gleich zu Beginn eines klar ist: Bei meinen Kontakten in Bezug aufs Impfen habe ich nicht mit türkischen Teppichhändlern oder mit Leuten in einer Grossmetzgerei gesprochen, sondern mit medizinischem Personal, von Pflegefachfrauen über Apotheker bis hin zu Ärzten. Und ein Umstand liegt mir am Herzen: Dass ich sie für die verschiedenen Auskünfte nicht verantwortlich mache. Denn: Wir wissen, was gestern war, was heute ist (hoffentlich), sicher aber nicht, was morgen sein wird. Deshalb gehen mir zwei Sachen gewaltig auf den Wecker: Erstens einmal alle Besserwisser und dann – vor allem – die Schuldzuweiser. Niemand hat die sprichwörtlichen Eier, zuzugeben, dass „man“ unter Umständen, vielleicht, eventuell, möglicherweise einen Fehler gemacht hat. Es sind immer die anderen. Der Bundesrat, die Taskforce, die Immunologen, die Kantone, die Gemeinden, der Hersteller. Ein Trauerspiel. Ein unwürdiges.

Zurück zum Thema der heutigen Realsatire. Von links nach rechts – nicht politisch gemeint – höre ich, dass es Unsinn sei, mich alle 2 Monate auf Antikörper testen zu lassen, für die Katze, oder die Füchse, ganz wie Sie wollen. Mich aber interessierte es einfach. Ende der Durchsage. Was aber jetzt? Impfen, trotz vorhandenen Antikörpern? Und wenn ja: Doppelt, wie es monatelang heisst? Oder doch nur einmal, wie es das BAG wundersamer Weise plötzlich von einem Tag auf den andern verkündet?

Eigentlich leb(t)e ich mit meinen quantitativ und qualitativ gleichbleibenden Antikörpern während eines Jahres ganz gut, hatte kein Problem mit ihnen, wohl aber ein Teil meines Bekanntenkreises, obwohl ich mich trotz (wirklich?) vorhandener Immunität immer an die Vorschriften gehalten habe. Maske, Distanz, Hygiene. Mein Problem: Antikörpernachweise taugen bei Kontrollen – beispielsweise bei der Einreise in bestimmte Länder – ungefähr so viel wie ein Wörterbuch in der Waschmaschine. Zero. Also gehört Offizielles ins Impfbüechli, wo schon die Zecken registriert sind. Heisst: Auf zum Impfen. Besser gesagt, erst einmal zur Anmeldung bei VacMe. Dort wird allerhand gefragt. Ich fülle alles wahrheitsgetreu aus (Sie zweifeln ja nicht daran?). Fazit: Ich gehöre zur Gruppe C und solle warten, bis man uns via Medien auffordert, den Impfort und das -datum zu buchen. Nach einer gewissen Zeit ist es soweit. C darf!

Darf C? Bereits Stunden nach der Aufforderung in den Medien sind alle Daten ausgebucht. Nix Bern, nix Interlaken, nix Langenthal, nix Langnau. Die Berner und langsam? Ich unterschreibe das nicht. Einige Tage später die Meldung, es gebe jetzt zusätzliche Termine, wenn auch nicht an Wochenenden. Nume nid gschprängt, aber geng e chly hü. Ich versuche zwischendurch, zwei Termine (damals für Genesene noch Pflicht) zu erhaschen. Da! In einem Berner Impfzentrum hat es übermorgen einen Termin. Sofort reservieren. Zu dumm, sind alle zweiten Impftermine ausgebucht. Also weiter abwarten. Und sich von den D-, E- und F-lmpfwilligen rechts überholen lassen?

Wie auch immer: Einmal, da klappt es tatsächlich, sogar mit zwei Terminen (von denen ich aber, so stellt sich kurzfristig heraus, nur den ersten in Anspruch nehmen muss). Impfzentrum Langenthal. Also mache ich mich Ende April auf den Weg nach Langethu. Dort herrscht vor dem Eingang Grossandrang, wobei das ans Impfzentrum grenzende Restaurant bei schönstem Wetter seit wenigen Tagen erst noch die Terrasse offenhalten kann. Perfekter Einstieg. Ich sehe mich um: Alles alte Leute um mich herum, Pensionierte.

Dann ist meinerseits nur noch Staunen angesagt. Die Organisation ist Triple-A, wie man in der Finanzwelt zu sagen pflegt (oder das für die CS auch noch gilt?), von A-Z. Grossartig, wie man die Menge individuell durchschleust, echt. Jener Verantwortliche, der die Leute nach nur sehr kurzer Wartezeit in die jeweiligen Impfboxen weist, muss nebenamtlich Croupier in einem Spielcasino sein. Er hat den totalen Überblick, wer an der Reihe ist. Meine Eindrücke fasse ich in einem kurzen Leserbrief ans Langenthaler Tagblatt zusammen. Ehre schliesslich, wem Ehre gebührt.

Hurra! Ich habe jetzt den Stempel im Impfpass. Aber eben: Nur einen – weil ich (Stand heute) nur eine Impfung benötige. Nur: Wie sollen das ausländische Behörden bei meiner Einreise wissen? Da kann ich doch lange davon erzählen, dass… Und den Retourgang einlegen. Wie will man das lösen? Genau. Mit einem international gültigen, digitalen Impfpass. Ob ich dazu nächstes Jahr wieder eine Realsatire schreiben werde?
Thomas Bornhauser

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