Samuel Dürig und Daniel Winzenried sind Landwirte in Herzwil, Stefan Gilgen hat seinen Bauernbetrieb in Oberwangen. Alle 3 Landwirte bewirtschaften ihre Flächen mit Ackerkulturen und Grasland. Gerade im Futterbau gibt das Littering Anlass zur Sorge. In Bezug auf die Probleme in diesen Gebieten ortet Samuel Dürig 3 Brennpunkte: Die Verkehrsachsen Herzwil- und Schwendistrasse, die entlang von Feldern und Wäldern verlaufen, den Wald generell sowie Spazierwege und Waldränder.
Damit sind wir beim Thema Littering. Ausflügler bahnen sich einen Weg durch das hohe Grasland, breiten ihre Decken aus und picknicken. Zurück bleiben grosse, flachgepresste Grasflächen und Abfall wie leere Bierdosen, Glasflaschen, Karton, Speisereste und Hundekot. Wird das Gras oder der Heuballen dem Vieh später verfüttert, kann das verheerende Folgen haben. Denn nicht immer erkennt der Bauer die kleinen Fremdkörper im Raufutter. «Insbesondere kleine, scharfe Alu-Teile und Glasscherben verletzen Speiseröhre und Magen des Nutztiers. Es ist meistens das Todesurteil für ein Tier. Denn diese Fremdkörper bringt auch der Tierarzt nicht mehr aus dem Magen. Es leidet qualvolle Schmerzen und muss notgeschlachtet werden», schildert Stefan Gilgen eindrücklich. Er verlor letztes Jahr eine Kuh unter diesen Umständen. Dieses Jahr hatte er 2 Fälle, wo er die Splitter gerade noch vor dem Verfüttern entdeckte. «Einerseits verlangen die Konsumenten mehr Tierwohl und Qualität, andererseits werden aus Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit dem Tier und dem Besitzer viel Leid zugefügt. Neben dem Verlust des Tieres verursacht ein solch tragisches Ereignis Umtriebe und hohe finanzielle Kosten», erklärt Stefan Gilgen.
Plakate bringen wenig
Der Oberwangener ist im Grossen Vorstand des Berner Bauernverbands. Von dort erhielt er die Empfehlung, offizielle Plakate «Ich esse lieber Gras statt Müll, Danke!» des Schweizerischen Bauernverbands gegen das Littering aufzustellen. «Unsere beiden Söhne haben eigene Plakate wie ‹Kein Fussweg!› und ‹Kein Durchgang!› kreiert und aufgestellt. Denn die Leute laufen auch über die Biodiversitätsflächen, was deren Qualität beeinträchtigt. Die Situation hat sich mit den Plakaten nicht wirklich entschärft», weiss Stefan Gilgen.
Die Herzwilstrasse als Verkehrsachse wird viel befahren. Sie ist eine beliebte Abkürzung zwischen Köniz und dem Wangental. Zugleich ist sie Teil der Veloroute 888 des «Grünen Band Bern», die weiter Richtung Oberwangen führt. Es kreuzen sich oft Autos, Landwirtschaftsfahrzeuge, Biker, Nordic-Walker und Reiter auf der relativ schmalen Strasse. «Aus dem fahrenden Auto entledigt man sich von Bierdosen, Glas und Verpackungsmaterial von Hamburger-Buden. Die Abfälle gelangen oft auch auf das Weideland. Meine Mutter hat einmal Bierdosen und Abfälle gesammelt, alles auf ein Holzbrett genagelt und es als ‹Mahnmal› an der Strasse aufgestellt. Gebracht hat es wenig», stellt Daniel Winzenried ernüchternd fest.
Dürig ergänzt: «Littering aus dem fahrenden Auto hat in letzter Zeit in erschreckendem Masse zugenommen. Die Leute fahren mit dem Auto zu uns und entsorgen am Wegrand oder im Wald illegal Säcke voller Flaschen, Graugut und vor allem im Spätherbst zunehmend auch Grüngut, weil sie in ihren Gärten die Bäume und Sträucher schneiden und sich die Kosten für das Häckseln sparen wollen.»
Eigene Grillstellen und Wege
In der Gemeinde Köniz gibt es viele offizielle Grillstellen. Immer öfter werden von den Ausflüglern «wilde» Grillstellen am Waldrand oder im Wald errichtet. Dort stösst man ebenfalls auf Littering. Wanderer, Hundebesitzer, Jogger, Radfahrer und Reiter verlassen zunehmend die befestigten und offiziellen Wege und bahnen sich ihren eigenen Weg durch die Natur. Der neu gespurte Weg verleitet viele Nachfolgende, diesen Weg ebenfalls zu benützen. So entstehen mit der Zeit neue Wege, was jedoch nicht erwünscht ist. Daniel Winzenried drückt es treffend aus: «Auch ein schlechter Indianer sieht, dass da schon Pferde galoppiert, Menschen durchgelaufen oder Biker durchgefahren sind.»
«Auf den Wegen und im Wald finden wir Papiertaschentücher, Bonbonpapier, Zigarettenpackungen und weiteren Unrat. Aufgrund von COVID-19 neuerdings auch Hygienemasken. Die Säckchen mit Hundekot werden auf den Boden geworfen. Dabei hat die Gemeinde Köniz ein dichtes Netz an Robidog-Kästen und Abfallkübeln installiert», so Dürig. Apropos COVID-19: Die Zunahme von Ausflüglern in Herzwil und Umgebung aufgrund der Massnahmen und, weil ein Teil der Leute deshalb ihre Ferien Zuhause verbracht haben, sei marginal, stellen die Landwirte fest.
«Ausflügler parkieren ihre Autos reihenweise am Waldrand. Bei schönem Wetter zählt man gut 20 Fahrzeuge. Oder sie parkieren ihre Fahrzeuge auf einem Waldweg, wo für uns mit dem Traktor kein Durchkommen mehr ist. Beim Holzschlag hat ein Ausflügler innerhalb der abgesperrten und markierten Zone parkiert. Wir mussten die Arbeit unterbrechen und den Fahrzeugbesitzer zuerst ausfindig machen», berichtet Winzenried von seinen Erfahrungen: «Weisen wir als Land- und Waldbesitzer die Leute auf ihr Fehlverhalten hin, erhalten wir oft als Antwort: Man solle doch nicht so kleinkariert sein und sie in Ruhe lassen, sie wollen ja nur Sonne und Ruhe geniessen. Viele können heutzutage nicht mehr zwischen Mein und Dein unterscheiden.»
Fehlendes Verständnis
«Von einem Teil der Freizeitgesellschaft werden wir Bauern als Störfaktor wahrgenommen. Das Verständnis für die produzierende Landwirtschaft, wo die Bauern je nach Wetterlage auch am Samstag und Sonntag mit den Landmaschinen unterwegs sind, ist bei vielen nicht vorhanden. Das äussert sich insbesondere beim Kreuzen auf der Strasse mit anderen Verkehrsteilnehmern. Sie wollen nicht rechts am Strassenrand anhalten, damit wir mit den Landmaschinen und Anhängern für sie gefahrlos passieren können. Bei einigen stellen wir auch Rücksichtslosigkeit fest», erklärt Samuel Dürig. «Obwohl das ‹Grüne Band› grösstenteils durch Landwirtschaftszonen führt, fehlt auf den Infotafeln ein entsprechender Hinweis zur produzierenden Landwirtschaft. Zurzeit sind wir mit dem Berner Bauernverband und den Verantwortlichen des ‹Grünen Band Bern› daran, dies zu ändern. Das Verständnis für die produzierende Landwirtschaft muss in der Bevölkerung wachsen», meint Gilgen.
«Wir sagen nicht, dass sich die ganze Freizeitgesellschaft so verhält. Der überwiegende Teil der Ausflügler verhält sich anständig, korrekt und ist kompromissbereit. Es ist eine kleine Zahl ‹schwarzer Schafe›, die uns Probleme bereitet und die durch ihr Verhalten weitere Ausflügler animieren, es ihnen gleich zu tun. Eine mit Abfall hinterlassene Grillstelle kann nachfolgende Benutzer verleiten, ihren Abfall ebenfalls dort liegen zu lassen. Alle sprechen von Umwelt- und Naturschutz. Wenn es aber darum geht, die Abfälle mit nach Hause zu nehmen und sie im Kehrichtsack oder bei Recycling-Sammelstellen zu entsorgen ist das von einigen zu viel verlangt», sind sich die 3 Landwirte einig. «Wir wollen einen respektvollen Umgang der Bevölkerung mit der Natur erreichen», sagt Dürig.
Wie weiter?
Damit sich die Situation entspannt, möchten die Landwirte erreichen, dass die Bevölkerung über den Zugang in die Natur auf Feld- und Waldwegen sowie über die land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit besser informiert wird. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse die Öffentlichkeit in Zusammenarbeit mit den Behörden und den Verbänden gezielt informiert werden. Die Sensibilisierung dazu müsse idealerweise auch in den Schulen erfolgen, damit die nächste Generation mit Wissen um die Verhaltensweisen in der Natur und im respektvollen Umgang mit der Natur fit gemacht wird.