Vom Montag, 7. bis Mittwoch, 9. September kann die Bevölkerung die Ausbildungsbetriebe und Wohngruppen der Stiftung Bächtelen besichtigen. Am Mittwoch, ab 17 Uhr, sind die Könizer KMUs eingeladen. Am Donnerstag sind Arbeitgeber und die Invalidenversicherung zu Gast. Als Highlight wird am Donnerstagabend – wiederum für die Öffentlichkeit – im Openairkino der Film «The Big Lebowski» von Ethan und Joel Cohen gezeigt. Am Freitag sind ehemalige Mitarbeitende und Lernende eingeladen. Während der Jubiläumswoche führt die Stiftung im Hof der Bächtelen ein Gartenrestaurant.
Die Stiftung Bächtelen nahm ihren Betrieb 1840 auf. Aus einer «Erziehungs- und Versorgungsanstalt für verwahrloste Kinder» wurde im Laufe der Zeit ein modernes Kompetenzzentrum für die berufliche Grundbildung junger Menschen mit besonderem Förderbedarf. In neun Ausbildungsbereichen werden zwölf Berufe in jeweils drei verschiedenen Profilen ausgebildet. Die meisten Ausbildungsbereiche übernehmen auch Aufträge von Privaten, Firmen und Institutionen. Früher besuchten alle Lernenden dasselbe Angebot, Ausbildung mit Wohnen. Das hat sich inzwischen stark gewandelt. «Die Stiftung bietet differenzierte Angebote in den Bereichen Abklärung, Ausbildung und Integration. Unser heutiges Angebot richtet sich nach den Bedürfnissen der jungen Menschen und dem Ziel, deren Integrationschancen in den ersten Arbeitsmarkt möglichst sicherzustellen», erklärt der 54-jährige Gesamtleiter der Stiftung, Alfred Marti. «Wir sind bestrebt, unseren Betrieb für die Zukunft fit zu halten, arbeiten proaktiv und gehen auch neue Wege. Mit unseren Veränderungen sprechen wir eine breitere Gruppe von Jugendlichen an als in der Vergangenheit. Waren es früher 49 Lernende, sind es heute deren 80 – und dies bei unwesentlich mehr Betreuungspersonal. Dadurch ist die Dynamik im Betrieb stark gestiegen. Dies fordert auch unsere 72 Mitarbeitenden. Das erweiterte Angebot nützt den jungen Menschen. Für die Invalidenversicherung sind Ausbildungen wichtig. Deshalb sind wir stets auf der Suche nach Praktikumsplätzen in Betrieben», fährt Marti fort. Der Betrieb ist ISO-zertifiziert und arbeitet eng mit der IV zusammen.
Buch zum Jubiläum
Das 175-Jahre-Jubiläum war für die Stiftung Bächtelen – um Stiftungsratspräsident Christian Seewer und Gesamtleiter Alfred Marti – Anlass, die Geschichte in einem Buch festzuhalten. Das 200 Seiten umfassende Buch mit dem Titel «Die Bächtelen – Bewegte Geschichte», setzt den Schwerpunkt bei den jungen Menschen und deren Einzelschicksalen, die im Verlaufe der Zeit in dieser Institution gelebt und gearbeitet haben. Verfasst haben es die beiden Autoren Thomas Brodbeck und Katharina Moser, beides Historiker, unterstützt von weiteren Historikern. Das schön gestaltete Buch mit umfangreichem Text sowie Fotos aus dem Archiv ist in zwei Teile gegliedert. Teil 1 ist der Zeit von der Gründung bis Mitte des 20. Jahrhunderts gewidmet. Teil 2 behandelt das Thema der Jugendlichen von den 1960er-Jahren bis heute. In vier Porträts von Ehemaligen – für jedes Dezennium ein Porträt – mit autobiografischen Erzählungen, die aus Interviews gewonnen wurden, wird deren persönliche Geschichte in Bezug zur «Bächtelen» wiedergegeben.
Im Buch wird nichts beschönigt. So stösst man in Teil 1 auch auf den Heimleiter Kuratli, der in den ersten 30 Jahren seit der Gründung des Heims «gewirkt» hat. Er wurde der sexuellen Übergriffe und der Gewalt an Jugendlichen bezichtigt. Der Fall war derart gravierend, dass Kuratli, nach einer Amtsdauer von 30 Jahren, nicht nur fristlos entlassen, sondern seitens der Regierung eine Untersuchungskommission eingesetzt und Kuratli der Prozess gemacht wurde. Aufzeichnungen in der Hauschronik der Anfangszeit bieten zudem Einblick in die damalige soziale Realität. Sie lassen die Not in einer Zeit der Massenarmut erahnen, in der es weiten Kreisen am Nötigsten fehlte. So wurde ein Jugendlicher getadelt, weil er einem Mastschwein zwei Kartoffeln weggenommen hatte, um seinen Hunger zu stillen. «Als ich den Text in den Vorabdrucken las, fühlte ich mich zum Teil beelendet. Man muss aber sehen, dass in den Jahren um 1840 in ganz Europa Armut und Elend herrschten», sagt Alfred Marti.
«Wer sich der Vergangenheit nicht erinnert, ist verurteilt, sie zu wiederholen.» Mit diesem Sprichwort des spanischen Philosophen und Schriftstellers George Santayana, das zu diesem Buch nicht treffender sein könnte, beginnt das Schlusswort des Buches.
Zwei Firmen aus Wabern haben das Buch produziert. Das Büro für Geschichte «Satz & Sätze» hat den Buchinhalt erarbeitet. Die Firma «Ast & Fischer AG» wurde für den Druck und Verlag beauftragt. Das Buch erscheint Mitte September zum Preis von knapp 50 Franken. Ein Teil des Erlöses fliesst in den Fonds für Lernende der Stiftung Bächtelen.