Stille Schaffer für seltene Stoffe

Stille Schaffer für seltene Stoffe

Es gibt jedes Jahr nur einen Platz im Studiengang «Textilkonservierung und -restaurierung». Die 23jährige Südtirolerin Mirjam Kaufmann ist eine der wenigen, die einen der begehrten Studienplätze an der Abegg-Stiftung erhalten hat.

Es ist ein aussergewöhnliches Studium. Deshalb muss Mirjam Kaufmann den Leuten erst einmal erklären, was sie macht, wenn diese nach ihrem zukünftigen Beruf fragen: «Es ergibt sich immer ein ganzes Gespräch. Bei der Textilkonservierung und -restaurierung geht es unter anderem um die Erhaltung von sehr alten Textilien, das ist ein komplexes Thema.» Caroline Vogt, Leiterin des Studiengangs der Abegg-Stiftung, ergänzt: «Solche Fragen sind immer eine Chance, unseren Beruf bekannter zu machen.» Kaufmann selbst ist auch nur durch Zufall auf die Ausbildung gestossen. Sie machte ein Praktikum bei einer Textilrestauratorin: «Es war schön, etwas auszuprobieren. Ich habe viel praktisch gearbeitet und gemerkt, dass ich es sehr gerne mache.» Vor 4 Jahren – damals war sie 19 – begann sie ihr Studium. Inzwischen weiss sie: «Ich gehe dem Beruf gerne nach. Ich habe das Gefühl, am richtigen Ort gelandet zu sein.»

Sowohl Stellen als auch Ausbildungsplätze gibt es nicht so viele und es sei kein Beruf, mit dem man im Rampenlicht steht. Der Masterabschluss ist zwingend notwendig, um nachher selbstständig arbeiten zu können. Mit dem Bachelor kann man zwar konservatorisch und restauratorisch arbeiten, doch dann muss jemand mit Master dabei sei. Das ist in vielen Museen nicht möglich, da oft nur ein Restaurator angestellt ist. «Mit dem Bachelor allein kann man nicht das ganze Spektrum abdecken, daher halten wir den Master für notwendig. Das fünfjährige, an die Berner Fachhochschule (BFH) angegliederte Studium bietet eine umfassende theoretische und praktische Ausbildung, wie sie bei uns zur Geschichte und Tradition gehört», macht die Ausbildnerin deutlich. Auch inhaltlich sei es sinnvoll. «Fast wie beim Medizinstudium ist schliesslich jeder ‹Patient› absolut einzigartig.» Mirjam Kaufmann sagt: «Ich bin flexibel, was ein späteres Engagement im Ausland angeht. Sicherlich könnte ich mir vorstellen, mich selbstständig zu machen.»

Das Betätigungsfeld nach dem Studium ist vielfältig: Textilien aus Museen restaurieren, historisches Interieur bearbeiten, Fahnen von Vereinen und Stücke von Sammlern wieder herstellen usw. «Von privaten Haushalten, die ihre Sachen ‹gut versorgt› wissen möchten bis hin zu Kirchen und archäologischen Diensten gibt es verschiedene Auftraggeber. Man kann auch in die Forschung gehen», erklärt Caroline Vogt. «Diese Vielfältigkeit macht es spannend. Hier in der Abegg-Stiftung lerne ich viel, aber es gibt noch so viel anderes ausserhalb von Museen. Wenn ich mit dem Studium fertig bin, werde ich noch unglaublich viele Sachen zu sehen bekommen. Das gefällt mir an dem Beruf so sehr», sagt Kaufmann lächelnd. Vogt fügt hinzu: «Für uns ist es wichtig, die Leute zu sensibilisieren, historische Objekte pflegen und restaurieren zu lassen.»

In der Abegg-Stiftung ist es so organisiert, dass die Studierenden in die Projekte des Museums integriert werden. So arbeiten alle miteinander, es gibt kein Extraatelier für diejenigen, die sich noch in der Ausbildung befinden. Bei der aktuellen Ausstellung waren sie unter anderem am Aufbau beteiligt. «Wir gehen mit den Projekten individuell auf die Erfahrungen der Einzelnen ein und können sie so begleiten. Denn jeder hat eine andere ‹Vorgeschichte›, eine andere Vorbildung, z.B. ein Praktikum oder ein Textilstudium», meint Caroline Vogt. Die Spezialisierung auf den Bereich Textil beginnt in Riggisberg schon am 1. Tag. 2 Jahre lang sei das Studium eher theorielastig, doch der Praxisanteil erhöht sich im Verlauf des Stu­diums. «Die Praxis ist uns wichtig. Die Studierenden sollen gewisse Dinge selbst machen, so können sie Ideen entwickeln, wenn sie mit einer neuen Situation konfrontiert werden. So lernt man systematisch vorzugehen, zu überlegen, welche Informationen nötig sind und sich langsam vorzutasten. Eigene Erfahrungen zu sammeln ist wichtig.» Die Arbeit an einmaligen Projekten ist etwas Besonderes, das man nicht in vielen Berufen erlebt.

Sorgfältiges Arbeiten und manuelle Fähigkeiten sind Voraussetzungen, die man mitbringen sollte, neben den allgemeinen Voraussetzungen für ein Studium an einer Fachhochschule. Doch eine gute Allgemeinbildung und Interesse an Geistes- und Naturwissenschaften sollten ebenfalls vorhanden sein. «Das Molekül der Zellulose muss einen ebenso interessieren wie ein mittelalterlicher Bildteppich. Der Beruf ist für diejenigen geeignet, die nicht nur Denkarbeit leisten, sondern auch handwerklich arbeiten wollen. Es ist eine Kombination aus beidem», so Vogt. «Viel Ausdauer gehört ebenso dazu. Manchmal sitzt man monatelang an einem Stück. Geduld ist wichtig, genauso wie unter Zeitdruck abliefern zu können», meint Mirjam Kaufmann. Die Schwerpunkte sind vielfältig, ob naturwissenschaftlich, technisch oder historisch, es ist für jeden etwas dabei. Entscheiden kann man sich nach dem Studium, denn man bekommt von allem etwas mit.

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