Tierische Beziehungen

Tierische Beziehungen

Über 2 Millionen Stubentiger und Stubenwölfe begleiten uns durchs Leben, werden zu Familienmitgliedern, ersetzen die Einsamkeit oder sind unverzichtbare Helfer. In unserer Region leben im Schweizer Vergleich besonders viele solcher vierbeinigen Partner.

Der Kopf steigt und senkt sich im Takt des wackeligen Ganges. «Reika» erhebt sich aus dem lauschigen Platz am Schatten des Lindenzelgs in Oberbalm und begrüsst wedelnd jeden Besucher. Sie tut dies seit 12 Jahren und, obwohl die Gelenke langsam ein wenig schmerzen.

Über 2 Millionen
«Reika» ist in guter Gesellschaft. 2,1 Mio. Hunde und Katzen existieren in der Schweiz, in jedem 2. Haushalt leben Haustiere. Die Entwicklung zeigt, dass speziell die Zahl der Katzen jährlich zunimmt und die Hunde auf dem Niveau von etwas mehr als einer halben Million verharren. Der Kanton Bern schwingt zahlenmässig nach oben aus. Nicht zuletzt dank unserer Region. Dazu gehört zudem der Kanton Freiburg, der statistisch ebenfalls weit vorne mit dabei ist. Es liegt daher auf der Pfote, dass im Lesegebiet dieser Zeitung viele Institutionen und Firmen sich um das Wohl der Tiere kümmern.

Passende Partner
Eine davon ist das Tierheim vom Berner Tierschutz in Oberbottigen. Hier «landen» viele Tiere, die «eine Vorgeschichte haben», wie es die Leiterin Therese Beutler zu sagen pflegt. Solche, die im Heim abgegeben werden, solche, welche die Polizei beschlagnahmt, Verwahrloste, aber auch solche, bei denen der Besitzer verstorben ist oder ein Umzug die Tierhaltung verunmöglicht. Um diesen Tieren ein weiteres einschneidendes Kapitel in ihrem Leben zu ersparen, «suchen wir definitive Plätze. Unser Ruf eilt uns da voraus, denn wir stellen jeweils die notwendigen Anforderungen an die zukünftigen Tierhalter, damit die Tiere sich wohl fühlen können», resümiert Beutler. Jedes Tier hat rassentypische Merkmale und seinen eigenen Charakter. So geht es dem Tierheim darum, die passende Paarung von Mensch und Tier zu finden. «Wenn jemand viel wandern geht, ist der Mops sicherlich nicht der ideale Begleithund», nennt sie ein Beispiel. Trotz all dieser Bemühungen, oft sind es die älteren Tiere, die viel länger auf eine Adoption warten müssen.

Zeit und Geld
Da hat «Reika» Glück. Sobald Christian Hinni sich vor dem Hof auf der Bank ausruht, hockt sich die Hündin dazu und lehnt sanft ihren Kopf an den Körper des Bauern. «Mir ist es wichtig, dass sich Menschen dankbar gegenüber ihren Tieren zeigen», sagt Matthias Burri. Er leitet die 12-köpfige Tierarztpraxis «VETcetera» in Köniz. Tiere brauchen im Alter mehr Pflege, das erfordert Aufwand und letztendlich Geld. Dankbarkeit bedeutet nicht nur die schönen Jahre zu genies­sen, sondern auch da zu sein, wenn das Tier älter wird und Hilfe benötigt. Das bestätigt Rosmarie Zürcher. Die Hundetrainerin unterrichtet seit 25 Jahren in Laupen: «Ältere Hunde kosten schnell viel Geld und das sollte jedem bewusst sein.»
Ob alt oder jung, die Katze schnurrt und der Hund wedelt, wenn der Mensch sich mit dem Tier befasst und ihm seine Aufmerksamkeit schenkt. «Das wichtigste ist, dass man dem Tier Zeit widmet, Aufmerksamkeit schenkt und sich bewusst ist, dass Tiere dies tagtäglich brauchen», weiss Beutler. Vielleicht noch etwas mehr Zeit als man denkt. «Der Mensch muss mit dem Tier eine Beziehung eingehen können, daran arbeiten wir in der Hundeschule», erklärt Rosmarie Zürcher. Das bedeutet mitunter, dass der Mensch bereit sein muss, sein eigenes Verhalten zu ändern. «Beziehung und Beschäftigung braucht der Hund, nicht Füttern schafft Bindung, sondern Sicherheit sowie Führung und das braucht Zeit», fasst die erfahrene Trainerin zusammen.

Professionelle Partner
Reika döst auf dem Schoss von Bauer Hinni. Dieser nutzt den Moment und erzählt: «Sie hört am Morgen meinen Wecker und, ehe ich im Sommer an der Weide stehe, um die Tiere in den Stall zu lassen, hat sie schon alle Kühe zusammengetrieben. Ich habe ihr das nie beigebracht, sie hat selber realisiert, dass mir das hilft.» Der Landwirt lächelt und streicht der Hundedame sanft über den schwarz-weissen Kopf. Auch hier ist Reika in guter Gesellschaft. Es gibt Tiere, deren Dasein uns Menschen von enormem Nutzen sein kann. Die Tierärztin Ursula Ohnewein hat eine Masterarbeit über Katzen im Alters- und Pflegeheim geschrieben. Ob als Heimtiere oder als Gäste, sie sorgen für Freude, Gesprächsstoff und Aktivierung der Bewohnerinnen und Bewohner. Mitunter kann das lebensverlängernd wirken und passt gleichermassen zu dementen Menschen wie in die Palliativ-Abteilung. «Katzen eignen sich besonders gut, da sie im Vergleich zum Hund relativ pflegeleicht sind, soziale Bindungen zu Menschen eingehen können, aber trotzdem selbstständig sind», schreibt sie in ihrer Arbeit.
Viele der professionellen Ausbildner von Armeehunden im Kompetenzzentrum im Sand bei Schönbühl sind Sensler. An deren Spitze steht Daniel Rätzo. «Wenn wir junge Frauen und Männer mit einem unserer Malinois-Hunde vertraut machen, dann müssen sie die Bereitschaft haben, über viele Jahre die Ausbildung, das Training und letztlich die Beziehung mit dem Partner Hund einzugehen», erklärt er. Diese Diensthunde schützen, bewachen, überwachen, kontrollieren Personen, finden Sprengstoff oder Betäubungsmittel.

Ein Tier ist kein Mensch
Die hochstehende Ausbildung erfordert Ruhepausen für das Tier. «Deshalb sind Hundezwinger kein Einsperren, sondern ein Ort, wo der Hund zur Ruhe kommt», erklärt Rätzo die modernen Einrichtungen im Sand, wo jeder Hund seinen Rückzugsort hat. Er trifft mit dieser Aussage den Nerv von Therese Beutler, Ursula Ohnewein, Rosmarie Zürcher, Daniel Rätzo und Matthias Burri zugleich: Haustiere haben ihre sozialen und natürlichen Bedürfnisse. Sowohl eine Vermenschlichung der Tiere schadet wie auch eine Verwahrlosung. «Wir haben die Tiere domestiziert, wir haben sie gebändigt; unsere Haustiere können nicht mehr in der Wildnis überleben», resümiert Burri. Ein dem Tier angepasster Umgang braucht Zeit, Geld, Beschäftigung und erfordert eine Bindung. Das ist der Nährboden auf dem eine tierische Beziehung gedeiht. «Beim Erstellen meiner Masterarbeit ist mir bewusst geworden, wie bereichernd es ist, wenn wir nicht nur mit Menschen, sondern auch mit Tieren bedeutungsvolle Beziehungen eingehen dürfen», schreibt Ursula Ohnewein. Tiere sorgen für mehr Lebensfreude für all jene, die bereit sind, Zeit und Dankbarkeit zu schenken. Tiere brauchen unseren Respekt vor ihrer Art und die klare Abgrenzung davon, dass sie letztendlich aber eben doch keine Menschen sind. «Reika» ist inzwischen aus ihrem Nickerchen erwacht. Bauer Hinni widmet sich wieder den Kühen und seine Hündin nimmt ihre Arbeit an seiner Seite auf. Der natürliche Umgang der beiden unterstreicht all das, was die Experten sagten. Nur brauchen die beiden keine Worte. Sie leben dies selbstverständlich in ihrer eigenen Mensch-Tier-Beziehung.

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