«Trump ist ein Idiot», heisst es in den meisten Fällen, wenn man hierzulande auf die USA zu sprechen kommt, womit diese Leute mit ihrer Meinung sogar Recht haben mögen. Nur: Fragt man nach, wieso dem so sei, bleiben meist nur oberflächliche Ansichten von ausländischen «Beobachtern» übrig, die nicht checken, dass in den USA (und nicht nur dort) nicht nach Einschätzungen von Ausländern gewählt wird, sondern nach rein innenpolitischen Kriterien, die nicht Tagesgespräch in den hiesigen Medien sind. Was wissen wir zum Beispiel über das Schicksal von «Vets», die aus den Kriegen heimgekehrt sind, wo sie für ihr Vaterland ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben? Das ist nur ein Thema, mit dem sich ein Wahlkampf in den USA führen lässt.
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Weshalb ich mir anmasse, möglicherweise mehr als andere Schweizerinnen und Schweizer über die USA zu wissen? Vielleicht deshalb, weil ich in New York aufgewachsen bin. Vielleicht deshalb, weil ich in meinem Leben sehr viel Zeit ennet dem Teich verbracht habe. Vielleicht deshalb, weil ich regelmässig «CNN» und «Fox» schaue oder online die «Washington Post» und die «New York Times» lese. Vielleicht. Logisch, dass ich auch die Berichterstattungen im Vorfeld der Wahlen vom Herbst verfolge. Mein persönliches Urteil: Was da auf die Welt zukommen wird, das ist die Bankrotterklärung eines politischen Systems, wo nur Geld eine Rolle zu spielen scheint. Zur Wahl stehen also Donald Trump (74) und Joe Biden (77).
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Meine ganz persönliche Einschätzung zu 3 der Hauptakteure: Mister Trump erinnert mich je länger je mehr an Humphrey Bogart in «Die Caine war ihr Schicksal» als Kapitän Philip Francis Queeg. Und wenn ich Medienauftritte des US-Präsidenten verfolge, kann ich mich an seinem Vize, an Mike Pence, ergötzen. Die Art und Weise, wie er seinem Boss beinahe regungslos andächtig zuhört, versetzt einen automatisch zu Madame Tussaud oder in den Schlafmodus. Bleibt also noch Joe Biden, bei dem mir der liebenswürdige und korrekte «Little Joe» aus der TV-Sendung «Bonanza» in den Sinn kommt. Das Schlimme daran: TV-Präsenz bekommt zurzeit nur Mister Trump, der im Februar verkündet hat, der Corona-Virus werde im April von selber verschwinden, was dazu führte, dass die Spitäler überfordert waren, weil sogar Atemschutzmasken für Ärzte und Pflegende fehlten. Über 100’000 Tote. Und er spricht noch immer vom «fantastic job», den seine Administration macht. Es ist anzunehmen, dass er das sogar selber glaubt. Das in jenem Land, das Europa mit den Alliierten vom Nationalsozialismus befreite, die ersten Menschen auf dem Mond landen liess und Menschen wie Bill Gates und Mark Zuckerberg hervorgebracht hat.
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Diese Zeilen schreibe ich unter dem Eindruck der Unruhen nach dem Tod von George Floyd in Minneapolis/Minnesota nach einem unglaublich brutalen Polizeieinsatz. Hier kommen wir zu einem grundlegenden Problem in den USA. Im Gegensatz zu den Deutschen, die sich zumindest Mühe geben, ihre Geschichte aufzuarbeiten, hat das in Amerika praktisch nicht stattgefunden. Man begnügt sich damit, Schwarze nicht mehr «Nigger» wie zu Sklavenzeiten zu nennen, sondern «Afroamericans», womit der rassistische Unterton salonfähig wurde. That’s it. Reicht aber nicht. Im Gegenteil: Angesichts der katastrophalen wirtschaftlichen Verhältnisse im Land sind diese Amerikaner stärker von der Arbeitslosigkeit als andere betroffen. Ich bin gegen jede Form von Gewalt, aber viele dieser jungen Leute, deren Eltern bereits in Ghettos aufgewachsen sind, sehen keine Perspektive. Das rechtfertigt ihre Ausschreitungen nicht, es erklärt sie vielleicht.
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Und was tut der Präsident? Er schürt die Gewalt mit seinen «Tweets», mit seiner Politik, zeigt sich lieber auf dem Golfplatz, droht, dass auf seine eigenen Landsleute geschossen wird, wenn sie nicht spuren. Was ist das für ein Führer? Aber eben: Die Demokraten spielen ihm mit ihrer Nomination in die Hand. Ich fürchte, die Geschichte von David gegen Goliath wird im November anders als bekannt ausgehen.
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Gute Frage, die Sie an mich stellen: Was würden Sie denn tun, Mister «smart ass» Bornhauser? Sagen wir es so: Wäre ich Politikberater der Demokraten, was ich ja nicht bin, würde ich – explizit: in totaler Unkenntnis der US-Verfassung und der Gesetzgebung! – den Leuten raten, mit Joe Biden anzutreten, der dann zu einem genau abgemachten Zeitpunkt völlig überraschend ins Spital eingeliefert wird und sich ausserstande sieht, seinen Wahlkampf fortzuführen. Ab diesem Zeitpunkt kommt Kamala Devi Harris als offizielle Präsidentschaftskandidatin ins Spiel, die ich den Demokraten als designierte Vizepräsidentin empfehlen würde. Sie hätte meiner Meinung nach Chancen, Trump in die Schranken zu weisen. Die 55-jährige Senatorin aus Kalifornien wäre eine echte Alternative zu den «Oldies» Trump und Biden. Deren Wahlkampf erinnert mich verdächtig an die Wahl eines älteren Kardinals zum Papst, seine Heiligkeit ist ja auch schon 83.
Aber eben: Das sind Fantasien eines Schweizers, obwohl ich mich noch heute als halber Amerikaner fühle. Nur frage ich mich: Was ist aus dieser einst so stolzen Nation geworden?