«Es war eine gute Saison. Jedes Bestresultat hat das bisherige übertroffen. Das hat mir gezeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin», fasst der Rüeggisberger die vergangenen Monate kurz zusammen. Er sei gut im neuen Team angekommen, das «ist besonders für mich wichtig, damit ich meine Leistung richtig entfalten kann». Für Pascal Moser zählt nicht nur ein Leistungsträger im Wettkampf zu sein, sondern auch das soziale Leben neben der Bahn.
Eine Aussage, die in ähnlicher Form noch einmal fällt, wenn man auf die spezielle Situation der Olympischen Spiele in Zeiten einer Pandemie zu sprechen kommt. Denn für Tokio ist eine strikte Trennung von Athleten einzelner Sportarten geplant. Damit entfällt ein wichtiger Bestandteil des Olympischen Gedanken. Schliesslich ist gerade das Zusammensein im Olympischen Dorf, die Begegnungen und die Gespräche ein wichtiger Teil von «Dabeisein ist alles». Der Längenberger geniesst solche Zusammentreffen und berichtet: «In der Mensa der neuen Anstossbahn in (?) haben wir eine blinde Schützin getroffen. Sie hat aus ihrem Sportlerleben erzählt. Das war interessant. Solches wird definitiv fehlen, sollte das in Peking nicht möglich sein.» Schon jetzt fehlen Moser die sozialen Kontakte, die er nun natürlich stark eingeschränkt hat, da er eine Vorbildfunktion habe und bei einer allfälligen Quarantäne viel Zeit verloren gehe.
Der Traum als Anschieber in einem Schweizer Bob in Peking zu sitzen, ist auch der Grund, weshalb Pascal Moser auf Ende März vorerst seine Stelle aufgegeben hat. «Ich konzentriere mich nun voll auf den Bobsport. Als Kopfmensch habe ich das gut durchdacht und geplant», erzählt der Elektroinstallateur und ergänzt: «Es ist eine Art Versuch. Zum Glück habe ich einen tollen Arbeitgeber, bei dem ich trotzdem weiterhin auf Stundenlohnbasis arbeiten kann. Quasi ein Sicherheitsnetz, falls etwas passiert.» Das Risiko für eine Verletzung minimiere sich nun aber, da mehr Zeit für die Regeneration bleibt. Ausgerichtet ist das Projekt «Vollzeitsportler» erstmal auf ein Jahr. Im Dezember ist die schweizweite Qualifikation für die Anschieber, danach wird entschieden, wer die Reise nach China antreten wird.
Dass der Traum durch Covid-19 in Gefahr ist, darüber ist sich der 24-Jährige im Klaren: «Tokio wird quasi ein Testevent werden. Sollten die Winterspiele aber verschoben werden, ist das kein Nachteil für mich.» Seine Entwicklung sei gut, ausserdem spreche es leistungstechnisch für ihn, wenn er noch ein Jahr Erfahrungen sammeln könne. Denn während er in anderen Sportarten langsam zum «alten Eisen» gehören würde, kommt er bei den Bobfahrern erst langsam in das «optimale Alter». So sind die Ambitionen auch mehr auf 2026 ausgerichtet: «Für nächstes Jahr hoffe ich darauf, dass wir ein Diplom holen können. In Italien werden wir um die Medaillen mitreden können, davon bin ich überzeugt.»
Die Pandemie prägte natürlich die vergangene Saison. So durfte bis zum Jahreswechsel kein 4er-Bob gefahren werden, dazu kamen unzählige Tests, aber Pascal Moser zeigt sich dankbar: «Es war schwierig, aber ich bin froh, dass wir unseren Sport ausüben konnten. Viele meiner Freunde sind Schwinger, die durften bekanntermassen nicht einmal trainieren.» Erfolgreich war die Saison für ihn allemal ¬– Weltcup-Debüt im 4er-Bob, der Sieg in der Europacup-Wertung im 2er-Bob und der Kombiwertung, Podestplätze im 2er- und Top6-Platzierungen im 4er-Bob, dazu noch der Schweizer Meistertitel im 2er und der Vizemeistertitel im 4er. «Das war wichtig für die Moral, ausserdem hat mein Pilot Michael Kuonen nun Argumente in der Hand für die Gespräche mit dem Verband», erläutert Pascal Moser. Denn bisher stehen vor allem Simon Friedli und Michael Vogt im Fokus, beide nahmen an der Weltmeisterschaft im Februar teil, wo sie sich nur den Deutschen geschlagen geben mussten. Trotzdem sei alles noch offen: «Im Weltcup haben wir Friedli geschlagen, an der WM waren beide stark, doch an der SM hatten wir wieder die Nase vorn. Das hat gutgetan im Hinblick auf Peking.»
Auch für Moser persönlich endete der Winter mit einem persönlichen Erfolg. Er lieferte beim Leistungstest Topwerte und wurde Drittbester. Für ihn eine Bestätigung: «Michael war bei den letzten Spielen der beste Anschieber, wenn man mir vor zwei oder drei Jahren gesagt hätte, dass ich heute in seiner Region anschiebe, hätte ich das nicht geglaubt.»
Ob er selbst einmal auf die Position des Piloten wechseln würde, das lässt der Längenberger offen: «Wenn ich mir meine Karriereplanung anschaue, dann bin ich überzeugt, dass ich es schaffen kann, zu den besten Anschiebern zu gehören und um Medaillen mitzufahren. Gold ist das Ziel. (Anmerkung der Redaktion: es kommt darauf an, wie lange Francesco Friedrich noch fährt 😛 ) Aber der Aufwand für einen Piloten ist um ein x-faches höher.» Während die «hinteren Männer» im Bob nur «athletisch parat sein müssen», ist der Lenker mit einem KMU-Chef vergleichbar. «Er braucht ein gutes Netzwerk, muss Geld und das Material besorgen, das Team bei Laune halten usw. Wenn ich mich fürs Aufhören entscheide, dann hat das keine grossen Konsequenzen. Macht ein Pilot das aber, dann ist das ein Riesending, schliesslich hat er eine Verantwortung für sein Team, die Sponsoren…», erklärt Moser.
Für die «Umschulung» zum Piloten sind unzählige Fahrten nötig. Bis man dort ist, wo man als Anschieber war, ist erst einmal ein Rückschritt nötig, trotzdem reizt es Moser vermehrt, es zumindest mal zu testen: «Ich habe Talent für alles , so war mein Onkel beeindruckt, als ich als kleine Kind noch nicht einmal an die Pedale heranreichte, aber trotzdem schon den Traktor mit Anhänger rangieren konnte.» 2022 soll dann eine Standortbestimmung erfolgen. Es muss für das Umfeld passen, das viel zurückgesteckt, ausserdem sei es so, dass er ohne den Sport schon längst am Studieren wäre. «Ich muss mich dann fragen, ob ich es weitere vier Jahre machen möchte und ob ich mir die x-fache Belastung eines Piloten », macht der Rüeggisberger deutlich. – Aber bevor es soweit ist, heisst nun erst einmal: «Volle Konzentration auf den Weg nach Peking.»
Kirstin Burr