Wenn die Arbeit der eigenen Kontrolle entgleitet

Wenn die Arbeit der eigenen Kontrolle entgleitet

Künstlerin Flurina Hack hat über 100 Hüllen von Langspielplatten (LPs) übermalt. Dadurch schimmert ein Teil des originalen Covers durch die neue Oberfläche hindurch. Das Projekt stellte sie vor kurzem vor.

«Rätselhaftes oder Geheimnisvolles entsteht meist dann, wenn die Arbeit der eigenen Kontrolle entgleitet. Ein wichtiges Mittel ist das Sammeln und Verwenden von alltäglichen Materia­lien und Fundstücken. Durch das freie Kombinieren von komplett Gegensätzlichem suche ich einen neuen Blick auf das Material. Wenn dabei Aussagen zur Gleichzeitigkeit der Ereignisse entstehen, ist das eine willkommene Nebenwirkung.» Die das sagt, ist Flurina Hack, in ihrem Atelier im dritten Stock in den «Vidmarhallen». (Und gleich eine Bemerkung des Schreibenden zu Beginn: Wäre es den Verantwortlichen der «Vidmarhallen» wohl möglich, einen Standortplan innerhalb der Gebäude so beim Eingang anzubringen, damit man sich bei der Suche nach Ateliers nicht wie in einer Realsatire vorkommt?)
Zurück zu Flurina Hack, die seit rund zehn Jahren als Künstlerin tätig ist. Sie bekommt gleich zu Beginn jene Frage gestellt, die allen Kunstschaffenden ein Gräuel ist: «Wie würden Sie sich selber als Künstlerin beschreiben?» Man merkt, die Frage liegt auch ihr nicht. Nach einigen Sekunden kommt aber eine nachvollziehbare Antwort: «Mich interessiert zeitgenössische Kunst, obwohl oder gerade, weil sie oft etwas sperrig daherkommt. Ich mag es, wenn nicht auf Anhieb alles sofort einzuordnen ist. Im besten Fall entsteht so ein Austausch zwischen Werk und Betrachtern. Am liebsten arbeite ich mit alltäglichen Materialien und häufig beschäftigen mich aktuelle Themen.» Nein, ihre Arbeiten hätten keine politische Botschaft, aber bewegen sich in einem gesellschaftspolitischen Kontext. «Denn oft verbergen sich ja hinter den aktuellen Themen zeitlose Fragen.»

Aufgerollte Kurznachrichten
Ihre Aussage lässt sich an einer grossen Rolle nachvollziehen, die an der Wand hängt. Ein Jahr lang hat Flurina Kurznachrichten aus Zeitungen ausgeschnitten und aneinandergeklebt. Diese Rolle lässt sich nun langsamer oder schneller abrollen, ist somit zeitlos und zeigt auf, wie schnell eine Meldung von der anderen überholt und somit zum Nonvaleur mutiert. Es gibt bekanntlich nichts Älteres als die Zeitung von gestern.

Grapefruit Tears
Vor einigen Wochen hat Songwriter Stephan Greminger in Wabern sein neues Album getauft, «Grapefruit Tears». Bei dieser Gelegenheit war auch Flurina Hack mit ihrem Projekt von 100 übermalten Hüllen von Langspielplatten, von Klassik über Pop und Rock bis hin zu Schlager, dabei. Durch die neue Oberfläche der Vinyl-33er-Hüllen, unter denen zum Teil noch die originalen Covers durchschimmern, verflüchtigt sich die Vergangenheit und erlebt eine Art Renaissance in eine undefinierte Zeit. Dazu meint Flurina Hack: «Kunst, Musik, Literatur entstehen nie aus dem Nichts. Die zahllosen Vorgänger, auf die etwas Neues aufbaut, sind immer da.»
Wie geht sie mit Kritik um? «Man muss sie einordnen und darüber nachdenken. Von wem kommt sie und weshalb? Ist sie wichtig für mich?» Sicher ist: Ihre grösste Kritikerin ist sie selber, vor allem wenn sie bei einem entstehenden Werk Zweifel an einem bestimmten Heran- und Vorgehen hegt und sich selber hinterfragt. «Der Zweifel gehört dazu.»

Teilen Sie diesen Bereich

Beitrag:
«Wenn die Arbeit der eigenen Kontrolle entgleitet»

Die meistgelesenen Artikel

Kontakt

Datenupload

Der einfachste Weg uns Ihre Daten zu senden!

Werbeberatung

Schritt 1 von 2