Wenn die leisen Töne zählen

Wenn die leisen Töne zählen

Hochsensitivität, auch Hochsensibilität genannt, ist die Gabe, Reize wie z.B. Geräusche, Licht, Stimmungen, Gerüche intensiver wahrzunehmen und zu verarbeiten als wenig sensitive Menschen. Aus eigener Erfahrung sowie als Coach und Beraterin kennt Brigitte Tschannen den weiten Bogen von wohltuend lieblicher Musik bis hin zu krankmachendem Lärm oder Schmerz, den Betroffene oft extrem stark empfinden.

Herausforderungen im Alltag: Stellen wir uns ein überfülltes Einkaufszentrum vor, wo die Geräuschkulisse – Wortfetzen, Kindergeschrei, Hintergrundmusik – zur fürchterlichen Kakophonie wird, begleitet von Schubserei, Schwaden von billigem Parfum sowie grellen Lichtern und Farben. Für Hochsensible – oder «HSP», Highly Sensitive Persons – kann der Einkaufsbummel (oder auch das Konzert, die Familienfeier usw.) rasch zum Stresstrip eskalieren. Schön jedoch, dass HSP im Gegenzug auch Gefühlsstürme feiern dürfen, während auf Menschen mit geringerer Wahrnehmung kaum jemals Vergleichbares wartet. Nichtbetroffene können wohl kaum nachvollziehen, welche Gefühlsachterbahnen HSP bei Trauer, Freude oder Mitgefühl durchmachen. Auch in der Liebe sind HSP anders unterwegs: Sie leben nach dem Motto «Lieber Qualität als Quantität» und sind anspruchsvoll bei der Wahl nahestehender Menschen. Beziehungen ohne Vertrauen und Tiefgang interessieren sie nicht. Beeindruckend, wie sich Hochsensibilität positiv auf kreatives Schaffen auswirken kann, wenn HSP sich den entsprechenden Freiraum nehmen können. Wie stark verbreitet ist Hochsensitivität? Die Angaben dazu reichen von 10 bis 20 Prozent oder höher. Allerdings gilt beispielsweise auch eine Allergie oder Unverträglichkeit als eine Form von Hochsensitivität. Nicht zu verwechseln ist Hochsensitivität, die auf einem speziell sensiblen Nervensystem basiert, mit Entwicklungsstörungen wie AD(H)S, Asperger-Syndrom und Autismus.  

Einfühlungsvermögen sowie Gespür für Ungesagtes 

HSP verfügen über hohe Empathie, starke Intuition, feines Einfühlungsvermögen sowie Gespür für zwischen den Zeilen Ungesagtes. Hinzu kommt laut Brigitte Tschannen in ihrer Funktion als Coach für HSP «das analytische Erfassen von Situationen und ein strukturiertes, methodisches Vorgehen zur Lösungsfindung». Als sie vor rund 20 Jahren das Sachbuch «Zart besaitet» verschlang, hatte sie ein Aha-Erlebnis nach dem anderen. «Endlich konnte ich mir erklären, warum ich seit Jahren mit Dingen kämpfte, die andere Menschen locker wegsteckten. Oder warum mich gewisse Situationen über die Massen Energie kosteten, ich mich länger als andere erholen musste und mich manchmal wie von einem anderen Stern fühlte», so Tschannen. Vermutlich spricht sie mit dieser Aussage so manchen HSP aus der Seele. Das Erlangen oder Halten der Lebens-Balance sei für HSP eine noch grössere Herausforderung als für weniger sensitive Menschen, so Coach Tschannen aus Schliern. Aus eigener Erfahrung verstehe sie sehr wohl, dass man bei erhöhter Wahrnehmungsfähigkeit jeden Tag speziell herausgefordert werde: «Im Lauf der Jahre lernte ich, mir passende Strategien und Instrumente anzueignen – allen voran genug Zeit mit mir allein und regelmässige kleine Pausen im Alltag – und die Sonnenseiten immer mehr zu schätzen. Dies möchte ich als Coach weitergeben.»

Ideale Jobs für Hochsensitive

Für viele Betroffene kann die normale Arbeitswelt mit Grossraumbüros zur Qual ausarten. HSP neigen dazu, sich zu überfordern und reagieren übermässig auf Druck, Stress und zwischenmenschlich heikle Situationen. Sie suchen zudem im Beruf oft nicht den hohen Lohn, sondern wollen etwas Sinnvolles tun. In der freien Marktwirtschaft hat es für sie, ihre Werte und ihre soziale Art oft keinen Platz. Haben sie ihr Interessengebiet gefunden, stehen sie leidenschaftlich dafür ein. In einer akademischen, dozierenden oder forschenden Laufbahn können sie ihre Interessen vertiefen und etwas zum Gemeinwohl beisteuern. Als Lehrperson sind sie einfühlsam und können verständlich erklären. HSP haben ein grosses Bedürfnis zu helfen und erkennen instinktiv, was anderen guttut. Heilende, beratende Tätigkeiten oder Mediation sind HSP wie auf den Leib geschnitten – oft umgesetzt in selbstständigen Tätigkeiten, Anstellungen in einer Kleinfirma oder einer Nonprofit-Organisation.

Professionell begleitet Kommunikationsspezialistin Tschannen Ratsuchende gerne mit Coaching, Alltagstipps und Übungen. Dies mit dem Ziel, die eigene Hochsensitivität anzunehmen und als Gabe ins Leben zu integrieren, statt darunter zu leiden. 

Info: 

lebens-balance.eu / hsp-bern.ch

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