Wenn einer eine Reise tut, hat er was zu erzählen

Wenn einer eine Reise tut, hat er was zu erzählen

Zwei Vorbemerkungen zur heutigen Geschichte: Man kann ziemlich alles negativ oder positiv sehen, ich ziehe Letzteres vor. Super, wie die SBB das gemeistert haben. Und: Diese Reise fand zwar nach einem Wolkenbruch statt, aber weitab der verheerenden Regenfälle im Juli.

Soll noch jemand kommen und behaupten, Männer könnten nicht vernetzt denken. Folgende Herausforderung: Für einen «Zweitäger» will ich zuerst nach Konstanz, um in einer Apotheke Otriven zu kaufen (das Gütterli kostet nur ein Drittel des CH-Preises) und in einer Grossdrogerie Kalziumtabletten, ein Mehrfaches günstiger als in Helvetien. Danach subito retour nach Weinfelden, meinen Brüetsch besuchen, weiter nach Gottlieben zu einem Treffen mit zwei Copains samt Übernachtung, um am nächsten Tag nach Bern zurückzufahren. Heisst für mich: Bern-Konstanz-Weinfelden-Gottlieben-Bern. Halbtax.
2. Klasse. Easy, nicht wahr?

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Am Schalter (an den Automaten geht sowas ja nicht, oder dann hätte ich es einmal mehr nicht geschnallt) bekommt die Mitarbeitende meine Reisepläne zu hören, gefolgt von einem «Puuuh!» ihrerseits. Hallo? Ich will ja nicht nach Timbuktu via Gao und Bourem. Der Computer kommt zum Einsatz. Kurzversion für Sie, liebe Lesende: Nach 10 Minuten und einigen mitarbeitenden Schweissperlen (…) halte ich… drei Tickets in der Hand. Bern-Konstanz. Konstanz-Weinfelden-Gottlieben. Gottlieben-Bern. Stimmt. Wieso einfach, wenn es auch kompliziert geht?
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Am Morgen auf dem Perron des HB Bern die Lautsprecherdurchsage, dass es eine technische Störung im Raum Olten gibt. Heisst nicht nur für mich: Zackig von Perron 7 auf Perron 6 wechseln, der aber nicht gegenüberliegt. Rolltreppen rauf, Treppen runter. Ein Ameisenhaufen in Bewegung. Trotz dieser Umstellungen kommt der Zug fast pünktlich in Zürich an, Umsteigen nach Konstanz kein Problem. Kurz vor der Ankunft in deutschen Landen die Durchsage, was in Sachen Corona alles zu beachten und vorzuweisen ist. Interessiert aber offenbar niemanden – ausser die Reisenden. Keine Kontrollen, auch nicht bei der Abfahrt in Richtung Schweiz.

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In Konstanz kommt Ticket 2 zum Einsatz, das es abzustempeln gilt. Im Bereich der SBB Konstanz mehrere Automaten, wo man allerdings nur Tickets beziehen kann. Ich also auf der Suche nach einem Abstempelautomaten. Keiner in Sicht. Ich frage eine vorbeilaufende Zugsbegleiterin. Auch sie muss zuerst suchen. Zusammen laufen wir dem Perron entlang, bis die orangefarbene Kiste zu sehen ist, ausserhalb jeder Sichtweite vom Haupteingang. Wir verabschieden uns. Sekunden später rufe ich ihr nach, weil ich Trottel es nicht schaffe, das Billett abzustempeln. Wiederum hilft sie mir. Zu dumm, schafft auch sie es nicht. Aber weiterhelfen kann sie dennoch, dank eines mitgeführten Kleincomputers, den es jetzt mit meinen Daten zu füttern gilt. Von Hand (!) trägt sie danach die Abstempelung auf meinem Ticket ein.

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Im Zug die Mitteilung, dass die Gleise am Flughafen Zürich-Kloten nach einem Wolkenbruch teilweise überflutet sind – und, dass es möglicherweise zu Verspätungen kommen kann. Betrifft mich ja nicht, ich steige z‘Wyfälde us (kein Witz, dort gibt es sogar eine Thomas-Bornhauser-Strasse). Und überhaupt: Dieser Zug nach Luzern fährt nach dem Hauptbahnhof Zürich nicht wie vorgesehen weiter, Passagiere nach Luzern und Zug müssen umsteigen.

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Der Besuch in Gottlieben mit den Kollegen ist grossartig, ausser dass wir beim Znacht im Restaurant Waaghaus wegen Regen von der Terrasse reinzügeln müssen. Aber dafür kann – ausser Petrus – niemand verantwortlich gemacht werden. Am Morgen auf dem Bahnhof Tägerwilen-Gottlieben: Damit der Zug in der Provinz hält, muss 5 Minuten zuvor ein roter Knopf gedrückt werden, den ich nur per Zufall sehe… Vor dem Ausstieg in Zürich motzt ein ungefähr 60-Jähriger in kurzen Hosen und Birkenstöcken drauflos. Von der unfähigen SBB ist die Rede (weil sein Anschluss offenbar nicht wie vorgesehen fährt), aber das sei halt das Resultat der unfähigen SBB-Spitze, von den Rot-grünen, die nur noch lafern statt liefern. Die Schweiz sei ein Katastrophenfall, eine «Pandorabüchse». Er wisse, wovon er spreche, sei viel im Ausland unterwegs. Alle hören zu, niemand sagt etwas. Ausser einem: «Sagen Sie, was ist das für ein Leben, wenn man alles in den Dreck und ins Negative zieht?» Ich erhalte keine Antwort, nur das Schmunzeln einiger Mitreisenden.

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Umsteigen nach Bern, mit Weiterfahrt nach Schönew-Guänträn. Der Zug ist brätschvoll. Im Abteil hinter mir erklärt ein Schweizer einem Ausländer ungefragt die Schweiz. In Englisch. Der Mann sollte sich für das SVP-Präsidium bewerben. Dieses Mal halte ich aber meinen Schnabel. Kurz vor Bern die Mitteilung, dass der Zug ab Bern nicht wie vorgesehen weiterfahren wird, Reisende nach Freiburg und Genf müssen umsteigen. Köstlich, wie Anschlusszüge ab Bern von einem Romand mitgeteilt werden. Von Kolonfingen ist die Rede und von Munsiggen. Um zum Beginn der Story zurückzukommen: gut gemacht, SBB, trotz der Umstände.

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