Doch von vorne. An der Gemeindeversammlung vom Mai 2024 stimmten die Anwesenden mit 66 Ja- zu 39 Nein-Stimmen einem Verpflichtungskredit für das «Projekt Verkehrssicherheit» zu. Ein Schreiben mit 263 Unterschriften bat drei Monate später darum, Unklarheiten zu klären und das Projekt an der Dezember-Gemeindeversammlung nochmals zu traktandieren. Der Gemeinderat entschied sich jedoch für eine eingehende Überarbeitung – und stellte nun die Resultate vor.
Tempo 30 in bewohntem Gebiet
«Wir möchten eine Lösung bringen, mit der alle leben können. Denn tendenziell möchte man den Verkehr vor dem eigenen Haus langsam haben, beim Nachbarn aber schnell durchfahren», sagt Gemeinderat Thomas Hunziker einleitend. Bauingenieur Jukka Etter stellt das überarbeitete Projekt vor. Es sieht vor, ein ganzheitliches Temporegime einzuführen. Grundsätzlich soll Tempo 30 in allen Wohngebieten gelten. Auf Verbindungsachsen mit einzelnen Häusern gilt Tempo 50 oder 60, ausserhalb davon 80. Die Kantonsstrassen werden nicht angestastet. Auf der Strasse nach Niedermettlen, aktuell ein «80er», soll neu ein Limit von 50 km/h gelten – es sei eine wichtige Velowegverbindung. Auch der weitere Weg nach Riedern soll zum «50er» werden. In Wohnquartieren kann sich der Gemeinderat eine Tempo-30-Zone mit Rechtsvortritt vorstellen, die Verkehrsachsen wie die Dorf- oder Oberdorfstrasse hingegen wären Tempo-30-Strecken. Dort gilt für Einbiegende weiterhin «kein Vortritt» und die Fussgängerstreifen bleiben bestehen. Von Bodenwellen, Pollern oder Inseln will der Gemeinderat nichts wissen. Eine einzige bauliche Massnahme sieht er jedoch vor: Beim Zugang zum Zelgli-Schulhaus möchte er die Querungsdistanz auf dem Fussgängerstreifen um einen Meter verkürzen. Hierfür will er das Trottoir nach vorne verlegen und höher machen. Die Konsequenz: Autos und Lastwagen können nicht mehr kreuzen; grössere Fahrzeuge müssten beim Rechtsabbiegen von der Zelgli- auf die Dorfstrasse weit ausholen und die ganze Strassenbreite nutzen.
Problem Postauto
Tiefere Geschwindigkeiten verkürzen den Bremsweg und erhöhen die Verkehrssicherheit, wie Etter erklärt. Zudem wird der Lärm verringert. Hingegen sei eine längere Reisezeit möglich. Dies könnte insbesondere beim Postauto zum Problem werden. Bereits heute verliert dieses nämlich beim Einbiegen vor Flamatt und vor der Unterführung regelmässig viel Zeit – rund jeder fünfte Anschluss in Flamatt kann für Reisende aus Ueberstorf nicht gewährleistet werden. Laut Berechnungen könnte die Verlustzeit durch die niedrigeren Geschwindigkeiten bis zu 40 Sekunden betragen. «Ich finde, man müsste das Problem weiter unten in den Griff bekommen», kommentiert Etter. Etwa mit einer Bedarfsampel, die dem Postauto vor Flamatt den Weg freihält. «Wir sind mit Postauto in Kontakt», versichert der Fachmann.
«Es ist Schikane»
Die anwesenden Bürgerinnen und Bürger drücken im zweiten Teil des Abends ihre Bedenken in zahlreichen Wortmeldungen aus. Beim Schulhaus mit Landmaschinen abzubiegen sei mit dieser Verengung der grösste Mist, heisst es etwa. Gemeindepräsident Hans Jörg Liechti verspricht der Votantin, dass «kein einziger Bauer» schikaniert werden soll. «Wir werden mit Fahrversuchen die beste Lösung finden.» Andere schlagen vor, stattdessen den Zebrastreifen auf die andere Seite der Einmündung zu verlegen – der Gemeinderat wird dies prüfen. Ein Ueberstorfer bemängelt, dass es spätabends keine Schulkinder mehr auf den Strassen habe und dass Tempo 30 dann eine grosse Einschränkung bedeute – er erntet grossen Applaus. Weitere stimmen ihm zu: «Ja, es ist schnell, wenn ich mit 80 neben einem Velostreifen durchfahre. Tempo 30 geht für mich aber in Richtung Schikane», heisst es etwa. Oder man sei hier nicht in Köniz, abends sei weniger los. «Masslos übertrieben» sei das Projekt, urteilen andere. Zudem hätten Schulkinder viele Wochen Ferien. Worauf eine Bürgerin entgegnet, Kinder seien auch während den Ferien unterwegs. Sie fügt an: «Auf der Strasse nach Niedermettlen fahren viele 80, auch Lastwagen. Jedes Schulkind, das überfahren wird, ist eines zu viel.» Eine andere pflichtet ihr bei: «Ja, bis jetzt ist noch nichts passiert. Aber das muss es auch nicht – darf es nicht! Ich verstehe, dass das weh tut. Aber es fahren zu viele zu schnell nach Niedermettlen. Ihr tut alle so, als wären alle heilig.» Teilweise kochen die Emotionen hoch, doch auch vermittelnde Stimmen bringen sich ein.
Gemeindepräsident Hans Jörg Liechti versichert den Anwesenden zum Schluss: «Wir wollen euch ernst nehmen. Wir nehmen die Anliegen auf und studieren nochmal.» Bis Ende Jahr möchte er das Projekt beim Kanton einreichen, damit es noch in dieser Legislatur einen Schritt weiterkommt. Ob der Gemeinderat bis dahin den Schlüssel findet, der allen passt, bleibt vorerst offen.