Der öffentliche Raum wandelt sich stetig. Raumplanung betrifft alle, eine sorgfältige, fortschrittliche Siedlungspolitik ist daher wichtig. Die Gemeinde Köniz setzt auf Siedlungsentwicklung nach innen, wofür sie vor drei Jahren den Wakker-Preis erhalten hat. Doch wie gelingt Verdichtung ohne Dichtestress?
Zu dieser Frage organisierten die Grünen, die GLP und die FDP Ende April einen Diskus-
sions- und Informationsabend für die Bevölkerung. Als Referent war der in Köniz wohnhafte Jacky Gillmann geladen, Verwaltungsratspräsident der Losinger Marazzi AG und Befürworter der verdichteten und ressourcenschonenden Bauweise. In Zürich, Basel und Lenzburg baut er derzeit zukunftsweisende Siedlungen, die sich der ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit verschrieben haben. Es handelt sich bei den Quartieren um die schweizweit ersten drei zertifizierten 2000-Watt-Areale.
In seinem Vortrag erklärte Gillmann, wie moderne Siedlungsentwicklung gelingen kann und warum er sich für die 2000-Watt-Gesellschaft engagiert.
Nachhaltig wohnen
Der Bauwirtschaft kommt bei der Reduktion des Energieverbrauchs eine Schlüsselrolle zu: «Immobilien sind für weltweit 40 Prozent des CO2-Ausstosses verantwortlich», sagte Jacky Gillmann und folgerte daraus, dass seine Branche verpflichtet sei, nachhaltig zu bauen. Obschon der Schweizer im Durchschnitt pro Tag mit gut 6000 Watt deutlich weniger Energie verbraucht als der Amerikaner, ist der Weg noch weit, um das Fernziel von 2000 Watt zu erreichen.
Bewohner vernetzen
Man müsse nicht nur Gebäude schaffen, die mit erneuerbarer Energie beheizt werden, sondern weitere Faktoren berücksichtigen: Die Quartiere der Zukunft produzieren gleich viel Energie wie sie verbrauchen, enthalten Solaranlagen auf den Dächern und Wärmesonden im Boden. Es wird Car-Sharing betrieben, die Menschen arbeiten dort, wo sie wohnen und sind untereinander vernetzt. Als Beispiel der Vernetzung präsentierte der Referent die Erlen-App. Diese fördert den Austausch unter und die Begegnung zwischen den Bewohnern des Quartiers Erlenmatt. «Die App stellt laufend Informationen rund um die Wohnung, ihr Gebäude und ihr Quartier zur Verfügung», erklärt Jacky Gillmann. So könne jederzeit eingesehen werden, wie hoch der eigene Energieverbrauch ist. Die App erfüllt aber auch die Funktion eines schwarzen Brettes, wo Gegenstände geteilt, ausgeliehen oder verkauft werden können.
Mehr als «nur» wohnen
«Dicht bauen funktioniert dann, wenn der öffentliche Raum aufgewertet wird», lautete eine von Jacky Gillmanns Aussagen. «Der Mensch soll bei der Planung im Zentrum stehen, es muss so gebaut werden, dass sich die Menschen wohlfühlen und soziales Leben (wieder) möglich wird.» Er setzt daher auf eine sorgfäl-
tige Gestaltung der Aussenräume mit Grünflächen und belebten Plätzen sowie auf eine Durchmischung von Wohnen und Arbeiten.
In der Gemeinde Köniz ist die Überbauung im Dreispitz ein Beispiel für ein Quartier mit Mehrwert (wenn auch ein paar Dimensionen kleiner als Jacky Gillmanns Projekte). Mit dem Liebefeld Park wurde eine Begegnungszone geschaffen, in der sich die Leute aufhalten und die Kinder spielen können. Während der Sommermonate hat es ein Bistro und es finden verschiedene Openair-Anlässe wie z.B. Kinoabende statt.
Lokal denken
«Verdichtetes Bauen muss stets im lokalen Kontext betrachtet werden», betonte Architekt Peter Schürch bei der anschliessenden Podiumsdiskussion. Lokale Baustile sollten daher integriert werden, folgerte er. Es bringe keinen Mehrwert, internationalen Bautrends zu folgen, ohne die Umgebung einzubeziehen. Ortsplaner Stephan Felber fügte an, dass Verdichtung nur dann Erfolg habe, wenn im Planungsprozess eine Kooperation mit allen Akteuren stattfinde und ein intensiver Dialog mit den Betroffenen geführt werde. Es müssten sowohl für die Privaten wie für die Öffentlichkeit Mehrwerte entstehen, sodass am Ende alle profitierten. Ein Beispiel ist der Liebefeld Park, der öffentlich zugänglich ist und sich zu einem beliebten Treffpunkt für Jugendliche ebenso wie für Familien entwickelt hat.