Ihren Anfang nahm die Sache vor einem Jahr an der Juni-Gemeindeversammlung. Der Gemeinderat hatte die Anfrage Schwarzenburgs vom Herbst 2021, nebst den Sekundar- auch die Realschulkinder ins OSZ aufzunehmen, abgelehnt – entgegen der Empfehlung der Schulkommission und ohne die Bevölkerung zu informieren. Vor allem letzteres stiess vielen Eltern sauer auf. Zu wichtig sei die Sache, befanden denn auch 73 Stimmberechtigte, die den Antrag von Sonja Wyss gegenüber 50 Nein-Stimmen als erheblich erklärten. Dieser verlangte, dass an der nächsten Gemeindeversammlung über einen Wechsel der gesamten Oberstufe Rüschegg nach Schwarzenburg befunden werden soll. Weil die Abklärungen mehr Zeit in Anspruch nahmen, verschob die Exekutive das Traktandum vom Dezember in den Sommer. «Zudem beschlossen wir, den Antrag nicht nur als einfache Anregung, sondern als ausgearbeitetes Geschäft zur Abstimmung zu bringen», erläutert Markus Hirschi. Unbestritten ist für den Gesamtgemeinderat: «Es ist an der Zeit, den heutigen Ist-Zustand hinter sich zu lassen.»
Komplexe Meinungsbildung
Nun kommen zwei von einer Spezialkommission ausgearbeitete Varianten zur Abstimmung. Die erste, «Schwarzenburg/3b», entspricht dem ursprünglichen Antrag von Wyss: Alle Oberstufen-Schülerinnen und Schüler gehen in der Nachbargemeinde zur Schule, im durchlässigen Schulmodell 3b mit Jahrgangsklassen. Wird dieser erste Antrag angenommen, entfallen die weiteren beiden Möglichkeiten; der Übergang beginnt frühestens per 1. August 2026. Wird er jedoch abgelehnt, kommt die zweite Variante auf den Tisch. Sie ist ein in der Zwischenzeit eingereichter weiterer Antrag eines «Kontra-Komitees» um die Unterzeichnenden Thomas Burri, Peter Zwahlen und Gemeinderat Gottfried Fankhauser. Bei «Rüschegg/4» gehen sämtliche Oberstufen-Schülerinnen und -Schüler in Rüschegg zur Schule, im ebenfalls durchlässigen Modell 4 mit Mehrjahrgangsklassen. Bei Annahme würden die Verträge mit Schwarzenburg frühestens auf Ende Juli 2026 gekündigt. Werden beide Anträge abgelehnt, bleibt die heutige Schulorganisation bestehen. «Schule ist ein emotionales Thema», weiss Hirschi. Umso wichtiger ist ihm darum, möglichst umfassend zu informieren. Auf 16 Seiten sind im «Dr Rüschegger» von Ende Mai Pro und Kontra der drei Varianten erläutert. Ein Infoabend solle letzte Wissenslücken schliessen. «Hingegen ist dies nicht der Ort für Diskussionen», stellt er klar. Diese werden derweil im Bekanntenkreis, im Coop oder in Whatsapp-Chats geführt.
«Sicherer Weg»
Die Mitglieder der Projektgruppe Oberstufe Rüschegg, Sonja Wyss, Melanie Binggeli, Bea Etter und Linda Zwahlen, sind überrascht über die starke Emotionalität der Debatte. «Wir bestimmen über ein Schulsystem, man kann unterschiedlicher Meinung sein. Aber manche verhalten sich so, als ob es um das Fortbestehen der Gemeinde gehe.» Ursprünglich sei ihnen angekreidet worden, das System überhaupt ins Wanken gebracht zu haben. Nun aber hätten dieselben Kreise das Modell 4 beantragt: «Es geht ihnen wohl hauptsächlich darum, dass die Oberstufe hierbleibt.» Dabei sei doch die Frage: «Was ist die beste Möglichkeit für die Kinder?» Das Modell 4 führen kantonsweit aktuell 19 Schulen (11,9 %). «Als Teil der Begleitgruppe der Gemeinde besichtigten wir die Schule Oberthal mit Modell 4», erzählen sie, «und es wurde klar, dass von Seiten Lehrpersonen und Schulleitung ein riesiges Engagement unabdingbar ist.» Mit aktuell 400 vakanten Lehrerstellen im Kanton und der ländlichen, abgelegenen Lage Rüscheggs sei es fraglich, ob das komplett neue Modell mittel- bis längerfristig gut umgesetzt werden könne. «Warum dieses Risiko eingehen?» Hingegen habe sich die Zusammenarbeit mit Schwarzenburg «seit eh und je» bewährt. Bereits jetzt besuchen rund zwei Drittel der Rüschegger «Oberstüfeler» den Unterricht dort – sowie sämtliche Guggisberger Oberstufenkinder. Ihnen traue man diesen Schritt zu, «die restlichen schaffen dies auch». Aktuell sind es fünf bis acht Realschulkinder pro Jahrgang, die noch in Rüschegg verbleiben. Die Oberstufe der Zentrumsgemeinde verfüge über ein grosses Team und einer attraktiven Anbindung an Bern. «Die OS Schwarzenburg ist der sichere Weg.»
«Weiterer Verlust»
Das Kontra-Komitee argumentiert damit, nach «Seilpark und Arzpraxis» einen «weiteren Verlust für die Gemeinde verhindern» zu wollen. Die Verwurzelung gehe verloren, die Gemeinde verliere an Attraktivität. Zudem befürchten die Antragssteller einen Verlust des Mitspracherechts in der Schwarzenburger Bildungskommission und höhere Kosten für die Gemeinde. Das Modell 4 sei realisierbar, eine kleine Schule gebe Sicherheit und Stabilität – und gemäss einer internen Umfrage spräche sich eine Mehrheit des Schulpersonals für diese Variante aus.
Gemeindepräsident Hirschi sieht Vor- und Nachteile bei beiden Varianten. Finanziell gesehen seien sie im ähnlichen Rahmen. Nun solle sich die Bevölkerung informieren. «Egal, wie das Volk entscheidet: Der Gemeinderat wird mit aller Kraft die Lösungen zur Umsetzung erarbeiten.»
Infoanlass und GV
Am Freitag, 31. Mai, findet im Mehrzweckgebäude Pfadern ab 19 Uhr ein Infoanlass zur Abstimmungsvorlage statt. Im aktuellen «Dr Rüschegger» werden die Varianten erklärt.
Der Gemeinderat wird an der GV vom 14. Juni eine schriftliche Abstimmung beantragen. Die Teilnehmenden sind gebeten, eigenes Schreibzeug mitzubringen.
Anmerkung: In der ersten Veröffentlichung war fälschlicherweise von nur noch 5 % der Schulen im Kanton die Rede, die das Modell 4 haben. Diese Angabe ist jedoch für das aktuelle undurchlässige Modell in Rüschegg korrekt. Das Modell 4 wird von 19 Schulen (11,9 %) im Kanton gelebt.