Wir bauen uns beim Wasserkraftwerk ein Alphorn

Wir bauen uns beim Wasserkraftwerk ein Alphorn

Das, was Sie jetzt lesen werden, gehört zum Überraschendsten, was ich selbst bei Reportagen erlebt habe. Ein Freund von mir meinte kürzlich, einer seiner Bekannten habe selbst ein Alphorn gebaut, das mit den Tasten eines Bariton-Horns gespielt werde, und es deshalb möglich sei, sogar klassische Musik darauf ertönen zu lassen. Skepsis war angesagt, die aber beim Betrachten des Videos (siehe Kästchen) schnell verflogen ist.

Nein, ein gewöhnliches Atelier ist es nicht, was Besuchende im ehemaligen Werkstattgebäude des Wasserkraftwerks Mühleberg erleben. Die «gestaltBAR» strotzt nur so vor Kreativität – und deren Betreiber – Otto Glauser sowie Peter «Pesche» von Känel – vor Lebensfreude. Die beiden Berner haben allerhand zu bieten. Wir wollen uns aber in dieser Berichterstattung nicht in vielen an sich erwähnenswerten Details verzetteln und wenden uns einzig dem Objekt zu, das im Mittelpunkt stehen soll, dem Trans-Alphorn.

Der ehemalige Trompeter

Zurück auf Startfeld 1. Weshalb die Idee zu diesem absolut ungewöhnlichen und deshalb einzigarten Alphorn? «Ich bin ausgebildeter Trompeter», schmunzelt Pesche von Känel, «und wollte auch einmal ein Alphorn zum Klingen bringen.» Gesagt, getan. Er mietet sich also ein klassisches Berginstrument bei Musik Müller in Bern und beginnt damit, dem Alphorn Töne zu entlocken. Der warme Klang und die tiefen Töne faszinieren den heute 71-Jährigen. Mit seiner langjährigen Trompetererfahrung gelingen ihm auf Anhieb «lüpfigi Cherli», wie es sich so schön sagt. Fazit: «So ein Alphorn könnte ich mir eigentlich selber bauen!»

Sperr- statt Klangholz

Es beginnen umfangreiche Recherchen, zuerst einmal im Internet, so unter dem Motto «Wir bauen uns ein Alphorn». Das reicht bei Weitem noch nicht aus. Pesche von Känel macht sich auf die Suche nach einem Alphornbau-Betrieb, schreibt verschiedene Betriebe an. Er wird bei Bernatone Alphornbau in Habkern fündig. Nach einem langen Gespräch mit Heinz Tschiemer entschliesst sich von Känel, für sein Alphorn Sperrholz statt Klangholz zu verwenden.

Vom HarmonYant zum Trans-Alphorn

Pesche von Känel ändert daraufhin seine Pläne radikal. Ein 180-Grad-Chrump – Bogen – muss aus Platzgründen her, eine Art Standhorn. Die Form des Horns erinnert Pesche nun an die modernen gebogenen Wasser-Hydranten. Von jetzt an nennt er sein Horn «Harmon-Yant», eine Harmonien-Spritze. Bis der Künstler mit seinem zum Trans-Alphorn umgewandelten Instrument, nach über zwei Jahren Bauzeit zufrieden ist, durchläuft es verschiedene Metamorphosen: auf dem einen Bild gut sichtbar und vergleichbar mit Zeichnungen zur Evolution des Menschen.

Konzert auf dem Spaziergang

Und heute? Es hallt und schallt nicht nur durch das Atelier, wenn Pesche von Känel klassische Hornkompositionen, eigene Arrangements von Jazz bis Volksliedgut oder gar ein persönlich arrangiertes Zusammentreffen von Mani Matters «Alpenflug» mit Ravels «Bolero» spielt. Die ungewohnten Hornklänge locken regelmässig Spaziergänger vors Eingangstor des Ateliers, die für ein Gratiskonzert gerne stehenbleiben.

Es liessen sich alle hochinteressanten Stufen bis zum Endprodukt hier aufzählen, aus Platzgründen überlassen wir sie den beiden Bildern von unserem Besuch. Apropos Besuch: Das können Sie auch. Gegen Voranmeldung, versteht sich.

 

KLANG UND AUSSEHEN DES TRANS-ALPHORNS
Diese Berichterstattung soll Sie auf ein Video aufmerksam machen, das mehr aussagt, als Worte zu beschreiben mögen. Auf vimeo.com/875866561 ist zu sehen – und vor allem zu hören –, wie das Trans-Alphorn von Pesche von Känel zum «Air» aus der 3. Orchestersuite von Johann Sebastian Bach ertönt. Und wie das Instrument entstanden ist. Unglaubliche, geniale vier Minuten Unterhaltung.


Tausendsassa
Nein. Peter von Känel ist kein gelernter Schreiner, er hat Zeit seines Lebens Projekte realisiert, die sich nur schwer zusammenfassen lassen. Während seiner Ausbildung zum Zeichenlehrer beginnt er irgendwann einmal mit dem Bau von Lochkameras, der camera obscura. Dieses Projekt endet mit der Schlitzkamera. Er ist Karikaturist, Typograph, kreiert für die Berner Fasnacht 2003 eine übergrosse Friedenstaube, die auf dem Käfigturm Bern aufgestellt wird, er initiiert viele Schulprojekte. Und, und, und. Das alles und noch viel mehr, auch die Aktivitäten von Otto Glauser (dem man auch eine Seite widmen könnte), ist auf seiner Homepage zu sehen:
gestaltbar.ch

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