Am 1. Dezember 2016 – fünf Monate vor Abflug – buche ich Flug und Hotel. Umgehend kommt die Bestätigung auch von «Swiss International Air Lines» mit dem Buchungscode 8PH2MC. Ich drucke das Dokument aus. Man(n) weiss ja nie.
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Am Vorabend der Reise ab Zürich versuche ich, online einzuchecken, wie immer – und bisher ohne Probleme. Nur scheint das dieses Mal nicht zu klappen, das System kann mich nicht identifizieren, so sehr ich mich auch bemühe, mehrmals. Nichts zu machen, sodass ich die SWISS-Helpline anrufe. Nach einigen Sekunden identifiziert mich die Dame. «Bornhauser Thomas nach Warschau?» Ich bestätige mit hörbarer Freude. «Sie können nicht online einchecken, alle Passagiere müssen morgen am Airport einchecken.» Und weshalb ruft man die Passagiere nicht an, um sie zu informieren, wenn man schon im Besitz ihrer Telefonnummern ist, weshalb keine Message auf der Seite für den Online-Check? Die Dame weiss es nicht. Kann sie auch nicht, weil ihre Aussage nicht stimmt, aber ich will ihr nichts unterstellen.
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Der Rückflug von Warschau nach Zürich verschafft Klarheit, weshalb ich von zu Hause aus nicht einchecken konnte. Am Vorabend im Hotel der neuerliche Versuch, online nach Zürich einzuchecken. Wieder die gleiche unsägliche Mär von der Unmöglichkeit, mich zu identifizieren. Um sicher zu gehen, stehe ich bereits zwei Stunden vor Abflug am Check-in Warschau.
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«Es tut mir leid, ich kann Ihnen keinen Sitzplatz zuweisen, Sie sind Stand-by-Passagier, der Flug ist überbucht. Am Gate werden wir nach Freiwilligen suchen, die auf den Flug verzichten, niemand kann hier bereits einen Sitzplatz bekommen.» Ich zeige ihr meine schriftliche Bestätigung vom
1. Dezember 2016. «Tut mir leid, ich kann Ihnen keinen Sitzplatz zuweisen.» Ihr «Märli» entpuppt sich wenig später als… die Unwahrheit, denn andere Passagiere können sehr wohl einchecken und Sitzplätze in Anspruch nehmen. Am Gate steht nämlich nur noch ein anderer Passagier wie ich «stand-by». Durch eine glückliche Fügung des Schicksals können wir zum Schluss beide mitfliegen.
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Von einer Mitarbeiterin des Bodenpersonals bekommen wir beide die Hintergründe erzählt. Demnach sind Frühbucher mit ihren billigen Flugpreisen gar nicht gross erwünscht. Mit diesen Tarifen macht SWISS jedoch Werbung, im Sinne von «Warschau ab XX Franken». Lukrativ für die Airline sind Spätbucher, zum Beispiel Geschäftsleute, die den vollen Preis bezahlen, weshalb bewusst überbucht wird. Bleibt der Flug zum Schluss übervoll, wird ausgedünnt. Auf die Reise nicht zugelassen werden laut der Mitarbeiterin Passagiere primär mit folgenden Kriterien: Frühbucher, Alleinreisender nur mit Handgepäck, kein SWISS-Stammkunde und/oder Sammler von Meilen. Alles trifft auf mich zu. Den Sachverhalt schreibe ich verwundert dem Chef der Unternehmenskommunikation von SWISS. Und, oh Wunder: Er streitet den Sachverhalt nicht einmal ab, rückt ihn aber ins richtige Licht, jedenfalls aus Sicht seiner Airline. Nachstehend einige Auszüge aus seiner Mail, samt unvermeidbarer Kommentare meinerseits.
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«Besten Dank, dass Sie Ihre Erfahrung mit mir teilen.» Ob er ebenso Freude gehabt hätte, sie mit mir vor Ort zu teilen? «Wenn Sie eine Fehlermeldung hinsichtlich Ihrer Identifikation beim Online-Check-in erhalten haben, dann könnte die Ursache darin liegen, dass der eingegebene Name nicht exakt dem auf dem Ticket entsprach. In dem Fall empfiehlt sich ein Copy&Paste.» Tumber Thomas, weiss nicht mal, wie er heisst. «Der Online-Check-in für Ihre Flüge hat grundsätzlich funktioniert.» Weshalb also die Falschauskünfte? «Die Überbuchung von Flügen ist im Übrigen eine gängige Praxis in der Branche.» Erinnert an meine Schulzeit. Immer, wenn ich bei der Probe eine ungenügende Note eingefangen hatte, tröstete ich meine Eltern damit, dass viele andere auch ein Ungenügend hatten. «Durch Überbuchungen können wir Leerplätze im Flugzeug, die z.B. durch Stornierungen entstanden sind, anderen Kunden anbieten. Andernfalls würden diese Plätze einfach leer bleiben, was weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll wäre.» Mein Vorschlag: Gleich alle SWISS-Flugzeuge für europäische Destinationen grounden, der Umwelt zuliebe.
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«Wenn sich bei überbuchten Flügen zum Schluss nicht genügend Freiwillige finden, die gegen Entschädigung vom Flug zurücktreten möchten, bestimmen wir als Fluggesellschaft, welche Passagiere nicht befördert werden können. Besonderen Schutz geniessen Status-Kunden, Passagiere mit speziellen Bedürfnissen wie etwa allein reisende Kinder.» Und was ist mit mir, dem allein reisenden Frühbucher, der die verlangten Dienstleistungen vollständig bezahlt hat? Manövriermasse? On s’en fout pas mal?
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Der Kommunikationschef schreibt in seiner Antwort auch von der SWISS als «Netzwerkfluggesellschaft». Was soll denn das sein? Eine Fluggesellschaft, in deren Netz man sich verfängt? Wie auch immer: Meine Recherchen in Warschau waren erfolgreich. Und jetzt wird mir auch bewusst, dass ich bereits bei der Hinreise in/ab Kloten auf der Abschussrampe stand. Danke, liebe SWISS, durfte ich dennoch mitfliegen. Ich werde dich in meinem Testament berücksichtigen.