Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn…

Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn…

Die Franzosen wähnen sich noch immer als Grande Nation, die Briten glauben, das British Empire sei weiterhin real. Was ist aber mit den Deutschen? Noch immer ein Wirtschaftswunder? Ich bin mir da nicht mehr so ganz sicher…

Kürzlich war ich auf Rügen. Mit dem Auto (Leidensgenossen ahnen, was jetzt kommt, kommen muss). Genau: Man fährt im Stau, quer durch ganz Deutschland, ganz gleich, für welche Route man sich entscheidet. Nur zu vergleichen mit Ostern vor dem Gotthard. Und man ist nicht allein: Am Radio sind mehr Staumeldungen als Nachrichten zu hören. «Autobahn komplett gesperrt» hier, «Rechnen Sie mit zwei Stunden Wartezeit» dort. Und das Navi meldet die Routenberechnung «unter Einbezug von Verkehrsmeldungen».

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Es scheint, als ob (nicht nur) die deutsche Autoindustrie in den letzten 20 Jahren einfach mal Fahrzeuge «auf Teufel komm raus» produziert hat, ohne zu überlegen, dass diese eigentlich auch entsprechend Platz zum Fahren brauchen. Denn: Die Staus rühren nicht von Unfällen her. Überall wird gleichzeitig an den Autobahnen gebaut. Zum Teil mit Horrorvisionen für die Autofahrer, sollte es einmal in den bis zu 35 Kilometer langen Baustellen «tätschen», fühlt man sich doch in einem Eiskanal für Bobfahrer. Zwei enge Spuren in Fahrtrichtung, deren zwei in der Gegenrichtung. Keine Not­spur. Stossstange an Stossstange. Was also, wenn es hier zu einem Auffahrunfall oder einer Panne kommt? «Guet Nacht», mitten am Tag. Wohlverstanden: Die Baustellen sind in Deutschland nicht die Ausnahme, sondern die Regel. „Wir bauen für Sie“, steht jeweils zu Beginn geschrieben. Danke! Vor allem: ÜBERALL auf den Strassen ist Stau angesagt, nicht bloss auf den Autobahnen. Und dass Radio NDR1 ständig die Standorte von Radarfallen erwähnt, nötigt zu einem Lächeln: Wie soll die Geschwindigkeit bei diesem Verkehrschaos überschritten werden?

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Apropos Bauten: Erinnern Sie sich an den neuen Berliner Flughafen, an die astronomischen Kostenüberschreitungen bei der Elbphilharmonie in Hamburg? Deshalb: Wie geht es eigentlich Stuttgart21?
Das eher ungute Gefühl, dass das Wirtschaftswunder Deutschlands Vergangenheit ist und nur noch in den Köpfen einiger Politiker her­umgeistert – vor allem vor den Wahlen, wenn es darum geht, die Verdienste der eigenen Partei zu kommunizieren (siehe FDP-Plakat) – wird täglich verstärkt, wenn man sich im Alltag umschaut oder, noch besser, bei den Leuten umhört. Da wäre zum Beispiel die Gastronomie, die verzweifelt Personal sucht, was aber durch die Bürokratie verhindert wird, wie in einem langen Radiobeitrag aufgezeigt wurde (im Auto hat man bekanntlich Zeit, um Nachrichten zu hören – unter anderem). Selbst erlebt, in einem Steakhouse auf Rügen: Im Schnitt warten die Gäste eine Stunde auf das Bestellte, um dann zum Teil erst noch das Falsche zu erhalten. Weist man darauf hin, dass man eigentlich einen anderen Service erwartet, heisst es, das sei nicht bloss auf Rügen so, an anderen Orten noch schlimmer. Fazit des Steakhouses schriftlich, Originalschreibweise: «Ich würde gerne mehr Personal ein stellen, es gibt aber auf Rügen keine Fachkräfte mehr. Wenn Sie mir dabei behilf reich seinen wollen, währe ich Ihnen sehr dankbar. So lange werden wir an der Qualität sparen müssen.» Sy no Frage?
Man könnte noch unzählige Probleme – die Funklöcher für Handys und Internet sind beinahe vernachlässigbar – aufzählen, an einem kommt man nicht vorbei. An den Wahlen. Was in der Bevölkerung teilweise zu den beiden Kandidaten und der Kandidatin zu hören ist, das ist nicht unbedingt schmeichelhaft. «Pest oder Cholera», ist noch das anständigste. Fast alle sind sie sich einig, die Deutschen und Deutschinnen (schreibt sich das heute so, ohne *, / und _?): Markus Söder statt Armin Laschet, Robert Habeck statt Frau Baerbock, das wäre eine wirkliche Wahl. Frage des Schreibenden: War da nicht noch ein Dritter? Wie die Wahl auch immer ausgehen wird, das Fazit meiner Gesprächspartner ist klar: «Da ändert sich eh nichts.»

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Ehrlich gesagt: Wenn ich meine eigenen Erlebnisse und Gespräche Revue passieren lasse, dann gilt die Erkenntnis, dass wir es in der Schweiz eigentlich ganz gut haben. In jeder Beziehung.

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