Wo kann man Leuten einen Bären aufbinden?

Wo kann man Leuten einen Bären aufbinden?

Ich wieder einmal viel zu früh bei einem Rendez-vous, dieses Mal beim alten Tramdepot Bern mit seinem Bier, Marke Eigenbräu. Was tun bis Mittag? Ich mische mich unter die Touris, höre ihnen ein bisschen zu, was sie so alles zu verzellen haben.

Zuerst müssen Sie noch das wissen: Genau zum Zeitpunkt meines Aufenthaltes sind die Bären nicht im Bärenpark, sondern im alten Bärengraben, kratzen an den Metallwänden, die ins Innere des Gebäudes führen, dann in den Bärenpark. Die Reaktionen im Publikum sind eindeutig und für den Bärengraben und die Stadt nicht wirklich schmeichelhaft, ganz im Gegenteil. «Wie kann man unter diesen Umständen Tiere halten? Das ist ja wie im Mittelalter. Was haben die hier für Tierschutzvorschriften?» – «C’est affreux, ça, on devrait mettre les responsables dans cette sorte de cave.» – «Incredible…» – «Tragedia!» Undsoweiterundsofort. Die Japaner und Chinesen und Spanier und Koreaner werden den Umstand auch nicht mit Wohlwollen aufgenommen haben. Bei einem Rundgang entdecke ich, fast unsichtbar hinter ruhenden Touristen auf einer Bank sitzend, eine kleine Tafel, die besagt, dass die Bären nur während einer Putzete im alten Graben sind. Dennoch fühle ich mich nicht wie bei Speakers Corner im Hyde Park verpflichtet, alle Anwesenden lautstark zu beruhigen. Ich gehe mit meinem Anliegen, man möge die Info doch gut sichtbar an prominenter Stelle kommunizieren, mehrsprachig, schnurstracks zur Info im Tramdepot. Die Dame bedauert, nichts machen zu können, nicht einmal weiterleiten will/darf/mag sie den Vorschlag. Also schreibe ich halt dem Chef persönlich, Bernd Schildger. Und ziemlich rassig kommt seine Dankesmail, man werde in dieser Sache aktiv.
Äbe ja, jetzt zum Aufgeschnappten eines stummen Zuhörers. Es ist vermutlich ein Deutscher, der seiner Partnerin erklärt, dass die Schweizer – im Gegensatz «zu bei uns» – Tifigi sind. Grund seiner Feststellung: Die eingeschalte Kirchenfeldbücke, «die bestimmt wegen der Katastrophe in Genua kontrolliert wird.» Wer behauptet denn, wir Bärner seien langsam?

****

Auf einer Hauswand in der Matte steht etwas von Lindt und Schokolade (Lindt hat tatsächlich in der Matte mit seiner Produktion begonnen). Das hat offenbar auch ein Amerikaner gesehen, der mit seinem Wissen bei zwei Kollegen plagiert. «Hier unten ist die Toblerone geboren», wobei er die Schoggi als Tobler-One (als eins) ausspricht, «heute wird sie aber nicht mehr in der Schweiz hergestellt, sondern in Polen.» Nun gut, zwar wird Nussini von Suchard (ursprünglich ein Tobler-Produkt) in Polen produziert, sie schmeckt allerdings nicht mehr wie Made in Switzerland. Aber die Toblerone, 1908 von Theodor Tobler erfunden, wird nach wie vor in Brünnen gegossen. Ich bin ob den Äusserungen des Amerikaners… schoggiert.

****

Ein Franzose – oder von woher auch immer, jedenfalls spricht er Französisch – beliebt wohl zu scherzen und stellt mit absoluter Gewissheit fest, dass «ce fleuve là» Schluss aller Ends in die Seine fliessen wird, obwohl er den Namen der Aare nicht kennt. Wer von uns beiden hat in Geographie nicht aufgepasst?

****

Eine Gruppe von Amerikanern – vom Alter her keine Backpacker – veranstalten eine Gaudi sondergleichen. Zuerst wird darüber gerätselt, ob Switzerland einen «King» oder eine «Queen» im Politsortiment führt. Klar doch, schliesslich befindet man sich ja in der Hauptstadt von «Sweden». Pippi Langstrumpf kommt ja auch aus der Schweiz. Oder verwechsle ich sie jetzt mit Pipilotti Rist? Zum Glück gesellt sich wenig später eine Reiseleiterin zur Gruppe, die einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten haben wird.

****

Sie haben natürlich Recht: Auch wir Schweizer haben dann und wann im Ausland unsere Schwierigkeiten. Mir beispielsweise passiert, in der Nähe von Manila (Marlon Brando stand in unmittelbarer Nähe vor der Kamera für «Apocalypse now»). Ein Einheimischer fragt mich, ob ich Interesse hätte, «to shoot rab­bits», ob ich Lust hätte, Hasen zu schiessen. Ich lehne ab, merke jedoch ziemlich schnell, dass er «to shoot the rapids» meint, ob ich Lust hätte, mit einem kleinen Boot Stromschnellen zu durchfahren, vom bekannten Wasserfall Pagsanjan aus. Merke: Irren ist menschlich.

****

Zurück in den Bärengraben zu Bern. Goldig sind ja die Ostasiaten, die jeweils im Rudel aufkreuzen, hinter einer Reiseleiterin, welche die Fahne in die Höh’ voranschreitet. Stimmt: Wie würden wir uns in Osaka orientieren, ohne die Sprache zu kennen oder sie lesen zu können? Das Programm der Gruppe gerät ganz schön ausser Rand und Band, als sich zwei Leute entfernen und mich bitten, ein Foto von ihnen beiden zu machen, mit einem Bären im Hintergrund. Haben die Herrschaften denn noch nie etwas von einem Selfie und einem Selfiestick gehört? Um den weltweit bekannten tadellosen Ruf der Schweiz keinesfalls zu gefährden, tue ich ihnen den Gefallen, erweise ihnen sozusagen einen Bärendienst.

Teilen Sie diesen Bereich

Beitrag:
«Wo kann man Leuten einen Bären aufbinden?»

Die meistgelesenen Artikel

Kontakt

Datenupload

Der einfachste Weg uns Ihre Daten zu senden!

Werbeberatung

Schritt 1 von 2