«Alle einsteigen, bitte?»

«Alle einsteigen, bitte?»

Unübersichtlich, kompliziert, aufwändig: Das ÖV-Tarifsystem steht in der Kritik, die Nachfolgelösung für die beliebten Tageskarten der Gemeinden ebenfalls. Und das «Angebotskonzept 2035» gilt schon jetzt als «grösste Verschlechterung aller Zeiten».

Die unübersichtliche Tarifstruktur im ÖV ist auch «Bundesbern» bewusst. So hat das Bundesamt für Verkehr kürzlich ein einfacheres System verlangt. Umgekehrt sieht sich das Bundesamt im Blick auf sein neues Konzept heftiger Kritik ausgesetzt: Investitionen gemäss «Giesskannenprinzip», Verschlechterung der internationalen Anbindungen, schlechtere Anschlüsse in vielen Knotenbahnhöfen. Zudem sind die Preise nirgends so hoch wie in der Schweiz, obwohl Qualität und Angebotsdichte als bahnbrechend gelten – zumindest aktuell noch.

Es war einmal die Tageskarte

Verfügbarkeit prüfen, Karte reservieren, am Schalter der Gemeinde bezahlen: Das bisherige System war denkbar einfach. Und auch bei den Gemeinden beliebt. Die vorfinanzierten Tageskarten konnten mit wenigen Ausnahmen verkauft werden, die Provision entschädigte für den Aufwand.

Bezüglich der Gemeinde-Tageskarten wird das letzte Tram Ende Jahr abfahren. Der Systemwechsel wurde bereits vor drei Jahren kommuniziert. Nach der Medienkonferenz von Anfang Februar zur Nachfolgelösung «Spartageskarte Gemeinde» kamen Fragen auf. Die Lösung mit Alliance Swiss Pass sei ein Rückschritt, zeigten sich Gemeinden im Regionaljournal von SRF von Anfang Juni überzeugt. Bezüglich der Digitalisierung gehe man «zwei oder drei Schritte rückwärts». Einige Gemeinden kritisierten, dass sie Aufgaben der SBB übernehmen müssten, nachdem diese Beratungs- und Verkaufsschalter geschlossen hätten.

Alles bleibt neu

Die neuen Spartageskarten können ab 2024 am Schalter der beteiligten Gemeinde- oder Stadtverwaltungen gekauft werden, neu auch für die 1. Klasse und mit/ohne Halbtax. Sie sind als personalisiertes Mobile- oder Papierticket erhältlich. Neu verkaufen die mitmachenden Gemeinden oder Städte nicht mehr ihr vorfinanziertes Kontingent, sondern greifen auf ein zentrales Gesamtkontingent pro Tag zu. «Damit erhalten auch nicht digitalaffine Kundinnen und Kunden Zugang zur ÖV-Sparwelt», definiert der Branchenverband Alliance Swiss Pass. Ist das Kontingent ausgeschöpft, sind für den betreffenden Tag nirgends mehr Tickets erhältlich. Dabei ist nicht ganz klar, wie das entsprechende «Gesamtkontingent» gebildet wird. Der Spielraum der SBB hinsichtlich «Sparwelt» im öffentlichen Verkehr dürfte deutlich grösser werden. Umgekehrt kann die Spartageskarte Gemeinde neu auch an auswärtige Personen verkauft werden, erstmals ab dem 11. Dezember.

Neu ist man bereits ab 39 (bisher 45) bzw. 52 Franken (mit bzw. ohne Halbtax) dabei. Die Vorzugspreise gelten aber nur bei früher Reservation, bis zu einem halben Jahr vor dem Reisetag. Wer früher bucht, fährt günstiger – bezüglich Tarif und Verfügbarkeit. Der Gemeindeverband befürwortet die neue Lösung. Alle könnten die «Spartageskarte Gemeinde» überall beziehen – ohne finanzielles Risiko, «weil nur verrechnet wird, was auch verkauft wurde.» Einige Gemeinden signalisieren bereits, dass sie beim neuen System nicht mehr mitmachen würden, etwa Köniz, Mühleberg oder Bösingen. Sie kritisieren, dass ein Online-Verkauf nicht möglich und die geplante Verkaufsabwicklung zu aufwändig sei.

Gemeinden müssen sich entscheiden

Die Berichterstattung über das «Angebotskonzept 2035» fiel Anfang Juli alles andere als positiv aus. Es sei eine «Bankrotterklärung» des ÖV, dass TGV und ICE nicht mehr in die Limmatstadt fahren sollen, hielt etwa ein ehemaliger Direktor der Zürcher Verkehrsbetriebe fest. Die Kritik scheint berechtigt. Der Abbau im Service Public war auch im Bereich der Poststellen festzustellen. Bezüglich der neuen Gemeinde-Spartageskarten wird immerhin auf eine Versuchsphase hingewiesen; Anpassungen scheinen damit möglich.

Nicht ganz klar ist zurzeit, wie es mit den SBB-eigenen Spartageskarten weitergeht. Werden diese abgelöst? Oder steuert der grösste ÖV-Stakeholder die beiden Angebote strikt nach eigenwirtschaftlichen Interessen? Wie auch immer: Kompliziert(er) als bisher wirds vorerst allemal, mahnendes Bundesamt hin oder her.

INFO:

www.allianceswisspass.ch

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