Alternative Behandlungsform

Alternative Behandlungsform

In der Natur sein und gleichzeitig psychotherapeutische Aspekte miteinbeziehen? Eine Therapieform, von der sich Dorothea Berner, Fachärztin für Psychia- trie und Psychotherapie, viel verspricht. Zusammen mit interessierten Patientinnen und Patienten, davon auch einige aus Köniz und dem Sensebezirk, ging sie auf eine mehrtägige Weitwanderung.

«Ein Medikament, das alle Wirkungen des regelmässigen Wanderns enthalten könnte, wäre die Wunderpille schlechthin und ein pharmakologischer Bestseller, wie es ihn noch nie gegeben hat», sagt der bekannte österreichische Psychiater und Psychotherapeut Reinhard Haller in mehreren deutschen und österreichischen Medien überzeugt.

Fokus aufs Wesentliche

Inspiriert von Hallers Ansichten und überzeugt von Weitwanderungen und deren positiver Wirkung auf die Psyche ist auch Dorothea Berner. Sie bietet fachärztlich begleitete Wanderungen für Patienten an, die sich zuvor in regelmässiger Einzelpsychotherapie befanden. «Es existieren verschiedene Berichte von Wissenschaftlerinnen, die bestätigen, dass durch Wanderungen eine Intensivierung von Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühlen stattfindet», sagt die praktizierende Ärztin. Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen hätten zudem ergeben, dass drei Wanderungen pro Woche eine ähnliche Wirkung auf depressive Patientinnen haben können wie hochdosierte Psychopharmaka.

Innehalten

Vor zwei Jahren bereits mit einzelnen Tagen im Gantrisch Gebiet und im Kandertal ging es für Berner, ihr Team und die Teilnehmenden im Mai dieses Jahres vier Tage in den Jura. «Nach den einzelnen Tagen haben meine Kollegin und ich festgestellt, dass ein Tag zu kurz ist. Die Gruppe konnte sich in diesem Zeitraum nicht finden», blickt Berner zurück. Begleitet auf der diesjährigen, mehrtägigen Tour wurde sie von der Logopädin und Musiktherapeutin Barbara Steinmann, die den Teilnehmenden verschiedene Meditationselemente näherbrachte, und vom Wander- und Tourenleiter des Schweizerischen Alpenclubs (SAC) Norbert Bächler. «Uns war es wichtig, auf der Tour zwar professionell, gleichzeitig aber auch authentisch und nahbar zu sein», erklärt Berner, die auch privat eine Leidenschaft für Natur und Berge hat.

Zusammen und doch auch alleine

Die Teilnehmenden meldeten sich aufgrund von Symptomen wie Erschöpfung, Stimmungstiefs, Unsicherheit oder Ängsten, hatten körperliche Beschwerden ohne erkennbare körperliche Ursache oder suchten nach einer Neuorientierung in ihrem Leben. So unterschiedlich die Teilnehmenden – Männer wie Frauen, 30 bis 66-jährig – so verschieden waren die Phasen während des Wanderns. Manchmal locker im Gespräch, manchmal bewusst schweigend und jede und jeder für sich, manchmal mit einem kurzen Unterbruch, um bestimmte Dinge wie Blätter und Hölzer oder Orte auf sich wirken zu lassen – beispielsweise auf einer Brücke über einem reissenden Fluss. Neben Gruppengesprächen über die eigenen Gedanken, Wahrnehmungen und Gefühle gab es am Abend Inputs zu Achtsamkeit und Selbstwahrnehmung. Logiert wurde auf urchigen Höfen mit Garten und Gästezimmern. «Unerwartet begleitete uns während eines ganzen Tages einmal ein unbekannter Hofhund», lacht Berner.

Alles nur ein Hype?

Sie sei sich bewusst, dass Achtsamkeit heutzutage bereits etwas abgedroschen sei. «Ein scheinbarer Hype, der aber eigentlich etwas ganz Simples beinhaltet: Im Moment sein, die eigenen Gefühle und die Umgebung wahrnehmen oder eben merken, dass man gerade nicht achtsam ist und dies annehmen können», so die Psychiaterin. Die Bewegung in der Natur zeigt Wirkung. «Das Wandern führte bei den Teilnehmenden nicht nur zu einem verbesserten körperlichen Wohlbefinden, sondern auch zu einer Beschleunigung des Therapieprozesses, wie ich feststellen konnte», schildert die Belperin. So hatten einige Patienten in der Einzeltherapie danach eine verbesserte Stimmung und einen leichteren Zugang zu sich selbst, zeigten ein höheres Vertrauen in Berner und die Therapie, interagierten mehr oder brachten eigene Bedürfnisse deutlicher zum Ausdruck. 

Wandern scheint also ein differenzierter Zugang und eine Ergänzung zu herkömmlichen Therapieformen zu sein. Eine etablierte Therapieform der Zukunft? «Zu simplen Dingen in der Natur zurückzufinden und Grundbedürfnisse wie Verbundenheit und Gemeinschaft abzudecken, ist für uns alle wichtig. Deshalb hoffe ich es», sagt Berner. Zur Zeit ist sie zumindest bereits am Abklären, ob die Wanderungen zukünftig durch die Krankenkasse unterstützt werden – und steckt mit ihrem Team bereits in den Vorbereitungen für die nächste Weitwanderung im November, wenn es für eine neue Gruppe in die Haute Savoie bei Genf geht.

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