Ein Zuhause auf Rädern, das ist für Sinti, Roma oder Jenische kein Lebensabschnitt oder Abenteuer, sondern ihre Kultur. Hin und wieder prallt diese mit der unsrigen zusammen. Dann etwa, wenn – wie in Wileroltigen – der Rastplatz wie eingenommen wirkt. Die politische Diskussion lässt dann meist nicht lange auf sich warten und die Probleme, wie etwa mit dem Abfall, sorgen für verhärtete Fronten. Die Koordinationsstelle soll Abhilfe schaffen. In einem Interview erklärt Herr Ali, wie das gelingen soll.
Weshalb haben Sie die Leitung der Koordinationsstelle angenommen?
In den letzten Jahren war ich als Berufsoffizier für die Ausbildung und das Coaching von jungen Milizkadern in der Rekrutenschule zuständig. Nach insgesamt zehn Jahren Einsatz für unsere Armee war für mich der Zeitpunkt gekommen, mich beruflich einer neuen Herausforderung zu stellen. Als ich auf das Inserat für die Stelle als Leiter Koordinationsstelle Fahrende stiess, war mir sofort klar, dass ich mich dafür bewerben muss. Ich setze mich gerne beruflich für das Allgemeinwohl ein und bin überzeugt, dass es auch für eine fahrende Lebensweise den nötigen Platz in unserer Gesellschaft braucht. Mich reizte vor allem auch, dass es sich um eine neu geschaffene Stelle handelte und die Arbeit dabei enorm viele Querschnittsbereiche (raumplanerisch, politisch, sozial, wirtschaftlich und vieles mehr) umfassen würde.
Welche Erfahrungen mit dem Thema haben Sie bisher gemacht?
Beruflich habe ich noch wenig direkte Erfahrungen mit dieser Thematik gemacht. Von meinem sicherheitspolitischen Hintergrund her glaube ich, dass ich gut gerüstet bin, um mit den immer wieder auftretenden Konfliktsituationen, wie zum Beispiel bei Spontanhalten oder illegalen Landnahmen, umzugehen und Problemlösungen herbeiführen zu können.
Wie sieht die erste Bilanz seit der Inbetriebnahme der Koordinationsstelle aus?
Die Stelle befindet sich zurzeit im Aufbau. Als Sofortmassnahmen haben dabei die Vernetzung der Stelle zu den wichtigsten Partnern und Anspruchsgruppen sowie der fachspezifische Wissensaufbau oberste Priorität. Als weiterer wichtiger Schritt steht eine detaillierte Beurteilung der Situation an. Eine zentrale Rolle kommt dabei der Stakeholder-Analyse zu, womit ein Überblick über alle involvierten Partner und Anspruchsgruppen samt Erwartungen und Bedürfnissen erarbeitet werden soll. Dies wird einerseits die Regelung der Kompetenzen und Zuständigkeiten vereinfachen und dadurch mehr Klarheit für alle schaffen. Andererseits hilft es, möglichst massgeschneiderte, nachhaltige und wirkungsvolle Lösungen zu erarbeiten.
Was sind die Probleme, die zwischen den Beteiligten auftauchen und gibt es dafür konkrete Lösungsansätze?
Kurz- und mittelfristig – bis die laufenden Planungen für die Bereitstellung von drei neuen Halteplätzen für schweizerische Fahrende in Herzogenbuchsee, Erlach, Muri bei Bern und eines Transitplatzes für ausländische Fahrende in Wileroltigen abgeschlossen sind – ist der Mangel an Haltemöglichkeiten für die Fahrenden das dominante Problem. Es gilt einerseits Fragestellungen rund um spontane Landnahmen von Fahrenden zu lösen, aber auch – zusammen mit den Gemeinden – provisorische Halteplätze zu schaffen. Ganz generell gibt es aufgrund der Komplexität der Thematik zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen. Dazu zählen beispielsweise der Umgang mit einer grossen Anzahl an involvierten und betroffenen Akteuren, immer noch vorherrschende und zum Teil alte Vorurteile, der Wandel der Gesellschaft und damit verbunden ein Wandel der fahrenden Lebensweise sowie unterschiedliche Ansichten zu wirtschaftlichen, sozialen und politischen Fragestellungen. Abgesehen davon müssen verwaltungsintern die Kompetenzen und Zuständigkeiten besser geklärt und der Austausch mit allen verbessert werden.
Wie sieht es mit der momentanen Auslastung der verschiedenen Halteplätze aus?
Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass schweizweit deutlich zu wenig Halteplätze existieren. Gemäss dem letzten Standbericht der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende aus dem Jahr 2021 fehlen in der Schweiz insgesamt 20 bis 30 Standplätze und bis zu 50 Durchgangsplätze. Hinsichtlich Transitplätzen für ausländische Fahrende ist die Situation nicht viel besser. Es existieren zwar deren sieben, davon sind aber drei (inklusive Wileroltigen) erst provisorisch in Betrieb. Provisorische Halteplätze schaffen zwar etwas Abhilfe und doch sind auch diese oft nur für kurze Zeit im Jahr für Fahrende geöffnet und teils mit längeren Nutzungsunterbrüchen verbunden. Im Kanton Bern sind wir dabei, drei neue Halteplätze für schweizerische und einen Transitplatz für ausländische Fahrende zu schaffen. Repression und Abschreckung mögen unter gewissen Umständen eine Wirkung erzielen und eine Berechtigung haben. Als einziges Mittel angewendet, sind sie aber reine Symptombekämpfung ohne Beitrag zur Lösungsfindung
Die Eröffnung von Wileroltigen ist für das Jahr 2024 vorgesehen. Wie gehen die Arbeiten voran?
Die Planungsarbeiten sind im Gange und die öffentliche Auflage ist für Ende 2022 vorgesehen. Danach erfolgt der Beschluss über die Kantonale Überbauungsordnung, gleichzeitig wird auch die Baubewilligung erteilt. Gemäss Planung ist die Inbetriebnahme des Platzes für 2024 vorgesehen.