Das ist mal eine Ansage. Vertrauen kann man sich bekanntlich nicht erkaufen, sondern nur verdienen. Wie will sie das anstellen? «Das ganze Schweizer Politsystem ist auf einen respektvollen Umgang ausgerichtet; es fällt Entscheide, schützt aber auch die Minderheiten», streicht die Politikwissenschaftlerin heraus. Köniz ist ländlich, urban, regional, international, historisch, modern, jung und alt. Eine Art «Swissminiatur». «Wir brauchen politische Debatten, Konsenslösungen und ein respektvolles Miteinander», fasst sie zusammen.
Sachlich statt persönlich
Wer das will, muss mit gutem Beispiel vorangehen. Ist Tanja Bauer die respektvolle, konsensfähige Politikerin, die Entscheide mitträgt und für Minderheiten einsteht? Hinweise geben vielleicht die Dossiers, welche die Sozialdemokratin in den vergangenen Jahren betreut hat. So setzt sie sich im Grossrat für die Minderheit im frankophonen Teil des Kantons Bern oder für Asylsuchende ein. Doch wie geht sie mit Kritik um? Unlängst gerieten sie und ihre Partei unter Druck. Der Rücktritt der amtierenden Gemeindepräsidentin Annemarie Berlinger-Staub und die breitwillige Berichterstattung der Zeitungen über Tanja Bauer als Nachfolgerin stiessen in der Mitte und im bürgerlichen Lager auf wenig Verständnis. «Ich nehme das nicht persönlich. Aber Köniz ist in einer herausfordernden Situation und Schuldzuweisungen bringen nichts. Sie sind weder respektvoll noch dienen sie einer Lösung», kommentiert sie und ergänzt: «Persönlich verletzende Kommentare haben in der Politik nichts verloren. Ich selbst werde weder Schuldzuweisungen machen noch persönlich werden.» Ein Versprechen.
Engagiert statt frustriert
Inzwischen hat die SP Tanja Bauer offiziell nominiert. Keine Überraschung bei einer Frau, die in den letzten kommunalen und kantonalen Wahlen bestens abgeschnitten hat. Sie selbst signalisiert Bereitschaft: «Ich bin der Typ Mensch, der Verantwortung übernimmt. Am liebsten dort, wo ich zuhause bin.» Dass die Gemeinde in der jüngsten Vergangenheit einiges an Kritik einstecken musste, tut ihr weh. «Man vergisst bei all den Problemen um die Finanzen schnell, dass auch vieles in der Gemeinde auf gutem Weg ist.» Sie erzählt von all jenen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. Sie vernetzen sich und sind für Köniz von grosser Bedeutung. «Das berührt mich», meint sie. In der Verwaltung sei das nicht anders; die Gemeinde hat sich in der Vergangenheit in einem hohen Masse professionalisiert. «Natürlich muss man hinschauen, wir sind in einem steten Prozess. Aber die Mitarbeitenden leisten sehr viel und haben Wertschätzung verdient.» Die fortschrittliche Ortsplanung nennt sie als weiteres Beispiel. Selbst wirtschaftlich sieht sie Positives. «Statt der Swisscom noch lange nachzutrauern, können wir die zahlreichen regional verankerten KMU wertschätzen und Sorge tragen», lautet ihr Resümee.
Draussen statt drinnen
Die Aufzählung unterstreicht, dass Tanja Bauer ihre Gemeinde liebt. Eine Aussage, die jedoch auf viele Politikerinnen und Politiker zutrifft, man denke nur an das ehrenamtliche Parlament in Köniz. Bei ihr führt diese Liebe dazu, sich für das Gemeindepräsidium zu empfehlen. Oder etwas konkreter: «Es sind die Menschen, die eine Gemeinde ausmachen und die mich motivieren, für dieses Amt zu kandidieren.» Die Wahl in den Gemeinderat ist das eine, wer präsidieren wird das andere. Je nachdem, wie sich die anderen Parteien entscheiden, könnte es zu einem erneuten Wahlkampf um das Präsidium kommen. Bauer sieht das gelassen: «Ich fände es gut, wenn es zu einer echten Wahl kommt.» Das Vertrauen der Bevölkerung hat in der Vergangenheit gelitten, Bauer hingegen spricht von positiven Werten und einer vielfältigen Könizer Politkultur. Klafft da nicht eine Lücke? «Ja, es ist eine herausfordernde Situation, in der Köniz aktuell steckt. Aber es kann auch eine Chance sein, Köniz wieder auf einen positiven Weg zu bringen. Es braucht eine hohe Legitimität für diese Aufgabe. Ich möchte das erreichen, indem ich draussen bei den Leuten bin. Gemeindepräsidentin ist man rund um die Uhr, das muss man wollen und es muss einem am Herzen liegen», klingt sie motiviert für einen Marathon an Anlässen und Gesprächen. «Ich habe eine klare Vorstellung davon, was es braucht», sagt sie entschlossen. Müsste demnach einiges verändert werden, damit das Vertrauen wieder wächst? «In erster Linie braucht es einen Gemeinderat, der respektvoll und auf Augenhöhe zusammenarbeitet. Dazu gehört, die Aufgabenverteilung der Direktionen zu diskutieren. Daraus ergeben sich möglicherweise neue Chancen», lautet ihre Antwort. Augenhöhe bedeutet für einige aber auch, dass die Entlöhnung im Präsidium und im Gemeinderat kritisch angeschaut werden müsste. Gar eine Lohnsenkung fordert ein Vorstoss der Mitte-Fraktion. Wäre weniger Lohn ein Grund, nicht zu kandidieren? Tanja Bauer lacht und meint «man politisiert nie des Geldes wegen». Wäre sie demnach für eine Lohnsenkung? «Grundsätzlich ist der Gedanke, Augenhöhe herstellen zu wollen, richtig. Auch der Aspekt der Entlöhnung kann angeschaut werden.» Es darf spekuliert werden.
Am 25. September wird die Bevölkerung das neue Gemeinderatsmitglied und das neue Präsidium wählen. Bis dahin wird Tanja Bauer auftreten, hinhören, verstehen und auf die Probe gestellt. Ist sie die respektvolle, sachliche Politikerin, die für Konsenslösungen und Vertrauen steht? Den Mut, die Verantwortung zu übernehmen, hat sie schon mal. «In unserer Präambel steht, dass Köniz sozial, ökologisch und sicher sein soll. Ein Ort, an dem die Menschen im Zentrum stehen», sagt sie zum Schluss. Genau dafür will sie einstehen. Ein Votum wie eine Bewerbung für einen Herzensjob. Obwohl man sich auf diesen gar nicht bewerben kann, sondern eben genau auf dieses Vertrauen angewiesen ist, dass sie zurückgewinnen will. Die Wahl selbst wird also zum Gradmesser, ob ihr das gelingt.