Campagnen und Sommerhäuser

Campagnen und Sommerhäuser

Unter Schloss verstand man bis zum Ende der Alten Eidgenossenschaft (1798) nicht nur das Gebäude, sondern vor allem auch die zugehörige Grundherrschaft mit Güterbesitz und Gerichtsrechten sowie den dort lebenden Menschen. Daneben gibt es aber auch Schlösser ohne Herrschaftsrechte.Eines davon ist das «Vogelshaus» in der Gemeinde Bösingen.

Seit dem 16. Jahrhundert entstanden auf dem Land eine neue Art von Schlössern, die nicht Zen­tren mittelalterlicher Grundherrschaften waren. Meist handelte es sich um Bauernhöfe, die von zu Geld und Macht gekommenen Stadtbürgern als Finanzanlage gekauft worden waren, denn mit dem Verkauf landwirtschaftlicher Produkte auf den städtischen Märkten konnte viel Profit erzielt werden. Daneben dienten diese Bauten aber auch als Sommer- oder Herbsthäuser. Man entfloh so der Hitze und dem Gestank der Städte und genoss das Landleben, die Jagd und die (Wein-)Erntezeit. Diese Gebäude waren anfangs meist klein und wenig komfortabel, wurden dann aber immer mehr zu prächtigen Herrenhäusern, oft genauso gross und luxuriös wie die ganzjährig bewohnbaren Schlösser. Dem­ensprechend wurden sie oft auch Schlösser oder Campagnen genannt. Das «Vogelshaus» in Bösingen ist ein gutes Beispiel. Schon die Lage ist bezeichnend. Es lag etwas abseits der alten Landstrasse Laupen–Freiburg und eben nicht auf einer weit sichtbaren Anhöhe, sondern an einem leicht nach Norden geneigten Hang über zwei Bächen.

Der 1387 erstmals genannte Hof «Vogelshaus» soll im Mittelalter der «Deutschordenskommende Köniz» gehört haben, die bis 1267 auch Inhaber des Kirchensatzes von Bösingen war. 1447 war der Hof aber bereits im Besitz einer Familie Beinchly, die ihn 1517 für 340 Pfund Pfennigen Freiburger Währung an den Stadtfreiburger Christan Helfer verkaufte. Bewirtschaftet wurde das Gut damals von zwei Bauernfamilien. 1622 erwarb dann Hans Lentzburger den Gutshof. Er ist ein typischer Vertreter der stadtbürgerlichen Aufsteigerschicht des Spätmittelalters, eine seit dem 15. Jahrhundert bekannte Freiburger Rats- und Schultheissenfamilie, die sich 1766 nach Berner Vorbild als «von Lenzburg» selbst adelte. Wohl bald nach dem Kauf wurde das heutige Gebäude Vogelhus Nr. 77, ein zweigeschossiges Steingebäude mit vielleicht jüngerem geknicktem Halbwalmdach, als neues Herrenhaus errichtet.

Prächtiger Neubau
Im 18. Jahrhundert stand die Besitzerfamilie in voller Blüte. Während Bernhard Emmanuel von Lenzburg Abt von Hauterive und Bischof von Lausanne wurde, diente sein Bruder Simon-Nicolas (1717–1806) König Viktor Amadeus III. von Sardinien und Herzog von Savoyen und wurde von diesem 1783 zum Grafen de Lenzbourg erhoben. Ihm war das alte Herrenhaus offenbar zu wenig repräsentativ und er liess es 1757 durch einen prächtigen Neubau ersetzen, der rund 150 m hangaufwärts, aber immer noch nicht auf der Kuppe errichtet wurde. Erbaut wurde er wohl von Johannes Paulus Nader (†1771), einem Maurer, Architekt und Baumeister aus Wien, der in Freiburg i. Ü. und Bern tätig war. Er wirkte an zahlreichen Bauvorhaben der Region mit, so unter anderem 1727 am Pfarrhaus von Utzensdorf, 1738 an der Thuner Stadtkirche, 1743 bis 1747 am Schloss Bremgarten, 1751 bis 1770 an einem Flügel der Abtei Hauterive, 1760 bis 1762 am Rathaus von Romont und 1771 am Kloster Magerau in Freiburg i. Ü.

Gegenwart
Das heutige in privater Hand befindliche Schloss ist ein prächtiger, weiss verputzer, sandsteinerner Rechteckbau mit zwei Geschossen unter einem Man­sarddach. Ursprünglich war es symmetrisch angelegt – die Längsfassaden mit sieben Fensterachsen, die schmalen mit je drei. Der Anbau im Osten wurde erst 1885 hinzugefügt. Der Empfangshof liegt auf der Südseite und ist von zwei Pavillons begrenzt, während Wäscherei und Stallremise durch eine halbrunde Mauer verbunden sind. Der Zugang von der Stras­se her ist mit einem schmiedeeisernen Gitter des späten
18. Jahrhunderts verschlossen, das das Wappen des Bauherren zeigt, der nicht nur Graf, sondern auch Komtur des ritterlichen Ordens des Heiligen Lazarus war.

Mit dem Vogelhaus und dem 1748 für die Familie Griset de Forel erbauten Schloss in Middes stammen zwei der prächtigsten Louis-XV-Herrensitze des Kantons Freiburg aus der Hand von Nader. Sie lehnen sich weitgehend an die Modelle an, die die Franzosen Jacques François Blondel und Charles Etienne Briseux veröffentlicht hatten. Sie sind typische Vertreter der barocken Architektur jener Epoche in der westlichen Schweiz, die sich sehr stark an französischen Vorbildern orientierte.

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