Das vergessene Dorf

Das vergessene Dorf

300'000 Franken kostet es die Kirchgemeinde Guggisberg, das «Chiuchli» zu sanieren. Doch die einwohnerschwache Gemeinde Guggisberg muss gleich zwei Gotteshäuser instand setzen. Und dafür eine halbe Mio. Franken aufbringen.

Von weither zu erkennen, erstrahlt die weisse Kirche im Dorfkern von Guggisberg weit über die Hügellandschaft hinaus. Sie gehört zum Dorfbild wie der Vreneli-Brunnen, die Kühe und das Guggershörnli. 13 km und dutzende Kurven südlich, taucht eine kleine Häusergruppe auf, die sich vor den steilen Flanken der voralpinen Berge etwas oberhalb des Zusammenflusses der Muschere mit der kalten Sense zusammenrottet. Nur die Kirche wagt es, abseits der Häusergruppe über die rund 100 Menschen zu wachen. Von den vorbeifahrenden Gästen auf der Passstrasse kaum bemerkt, fristet sie ein Schattendasein, trotz der Südwestlage. 

Der Glockenstrick

So unscheinbar der Ort, so nahbar die Geschichte von Sangernboden. Anfangs des 19. Jahrhunderts zählte das Dorf noch über 1000 Einwohnerinnen und Einwohner, bis vor 20 Jahren noch annähernd 300. Viele davon hatten als Kinder die Aufgabe, nicht nur den Gottesdienst zu besuchen, sondern auch pünktlich und kräftig am Strick zu ziehen, so  dass die Glocke läutete. «Daran erinnere ich mich noch gut», sagt der langjährige Patron des Gasthauses Hirschen, Daniel Kilcher. Die Kirche ziert das Emblem des Jodlerklubs Flüeblüemli, sie ist Zeuge mancher Eheschliessung und hat manch Gebet zur Sicherung eines Hofs erhört. Kein Zweifel, diese Kirche ist genauso wie ihr etwas grösseres Schwesternhaus in Guggisberg Teil eines Dorfbilds, jenem von Sangernboden.

Ein Volk der Taten

So hat vor einigen Jahren ein «Sangernbödeler» Geld für den Erhalt dieser Kirche vermacht. Wo das verblieben ist, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Lange fürchteten die Menschen im Dorf deshalb, dass ihr Wahrzeichen nicht erhalten werden kann. Die Tochter der Wirtefamilie Daniel Kilcher und Monika Ramseier vom Hirschen und zukünftige Wirtin Corina Cardoso hat deshalb beschlossen, an ihrer Hochzeit mit dem Koch Nuno Cardoso für den Erhalt Geld zu sammeln. Ihre Eltern tun es ihr gleich und haben im Gasthaus eine Kasse aufgestellt. Sie erinnert ein wenig an einen Fastenstock am Ausgang der Kirche und bittet die Gäste, die den Hirschen wohlgenährt und mit gestilltem Durst verlassen und ihres Weges gehen, einen Batzen für ihr Wahrzeichen in den Topf zu werfen. «Man hat immer ein wenig das Gefühl, dass wir hier hinten vergessen gehen», meint eine ältere Bewohnerin aus Sangernboden, ehe sie eine Note in die Kasse schiebt. 1000 Franken sind dabei zusammengekommen. «Diese werden wir nun der Kirchgemeinde Guggisberg zukommen lassen», verrät Monika Ramseier. Sangernboden mag ein kleines Dorf sein, aber eines mit grossen Taten. Das ist die jüngste in der reichbefrachteten Geschichte.

Das Symbol

Der Sanierung der Kirche kommt eine symbolische Bedeutung zu. Die Einwohnerzahl geht zurück, das Postauto hält gerade noch eine Handvoll Mal, Schule und Laden sind längst verschwunden. Doch ein Volk der Taten gibt eben nicht auf. Sangernboden ist diesem Verfall zum Trotz eben auch ein Ort mit gut funktionierenden Firmen, einem Gasthaus mit einem Ruf, der weit über das Tal hinaus hallt, und nach wie vor ein Ort, der aufgrund seiner Lage, umgeben von steilen Waldflanken wild und unzähmbar anmutet. 

Diese Menschen schrecken nicht vor einer kalten Brise zurück. Sie kämpfen. Die Zeichen, dass Sangernboden in Vergessenheit gerät, häufen sich trotzdem. Im Gasthaus Hirschen ist man sich aber einig: Der Erhalt der Kirche ist gleichbedeutend mit dem Erhalt des Dorfes. So lange die Kirche die kleine Häusergruppe bewacht, so lange kämpft das vergessene Dorf gegen seinen Untergang.

INFO:

Für weitere Spenden zugunsten der Kirche: CH34 0851 8021 0340 8611 9 

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