Die Vision von einem nachhaltigeren Leben begann vor rund 10 Jahren. Weltübernutzung und Klimawandel sind nur zwei der Schlagwörter, die Thomas Wieland motivierten, etwas in seinem Leben zu ändern. «Ich wollte nicht länger einfach nur ‹mitlaufen› und mich als handlungsunfähiges Opfer von der ganzen Entwicklung sehen», erzählt er. Der Elektroingenieur war erfolgreich in einem Grosskonzern tätig und beruflich auf der ganzen Welt unterwegs. Die astronomischen Unterschiede von Reichtum und Armut berührten ihn. Sinnfragen wie «was machen wir auf der Welt und um was geht es überhaupt?» wurden immer lauter. Dabei sei er nicht allein, wie er überzeugt meint: «Ich habe das Gefühl, viele Menschen sind desorientiert.»
Konstruktive Lösungsansätze
Dem Menschen- und Umweltfreund fielen auf seinen Fahrradtouren vermehrt Bäume auf, die im Herbst nicht abgeerntet wurden. Sei dies in Gärten auf unbewohnten Grundstücken oder auf landwirtschaftlichen Feldern. Er begann, in Absprache mit den Besitzern, die reifen Früchte abzulesen und verarbeitete diese zu Dörrfrüchten weiter. Jährlich kommen so mehrere Tonnen Früchte zusammen. Auch altes Brot, das er von der «Äss-Bar-Bern» erhält, verarbeitet er weiter zu Paniermehl. Immer mehr Ideen kamen dazu, wie Ressourcen noch besser und nachhaltiger genutzt werden können. Dabei bleibt der Vater von zwei Kindern seiner Philosophie treu: «Mein Ziel ist es, vom Anbau bis zum Endprodukt mit möglichst einfachen Hilfsmitteln und eigener Muskelkraft zusammen mit anderen Menschen zu produzieren.» Mit seinem E-Bike und dem Anhänger mit einer Nutzlast von bis zu 200 Kilo transportiert er die Waren rund um Bern auf den Markt und an verschiedene «Unverpackt-Läden» in Bern.
Der Wandel
Doch der Lebenswandel braucht Zeit und ist ein langer Prozess. «Nur durch das stetige Ausprobieren und Lernen kommt man vorwärts», so Wieland. Zusammen mit seiner Familie lebt er auf einem Bio-Gemeinschaftshof. Vor drei Jahren wagte der heute 48-Jährige den Ausstieg von seinem Job mit sicherem Gehalt. Dank dem guten Familienkonzept und einem für Schweizer Verhältnisse bescheidenen Lebensstil kommen die Wielands gut über die Runden. Doch als «Aussteiger» sieht sich der Thörishauser nicht. «Ich würde eher sagen, ich bin ein Umsteiger», meint er lachend und fügt etwas ernster hinzu: «Ich will mich auch nicht querstellen in unserer Gesellschaft. Im Gegenteil – das ‹Mitenang› steht für mich ganz klar im Zentrum.» Gemeinsam etwas Neues entstehen zu lassen, mit Blick auf die geistige Weiterentwicklung, seien seine Antreiber.
Fitnessstudio
«Antrieb» ist das richtige Stichwort, denn diesen benötigen die Besucher, um im spartanisch eingerichteten Fitnessstudio Rapssamen zu Öl, Hartweizen zu Gries oder Mais zu Polenta zu verarbeiten. Der Eintritt ist frei, zudem kann ein Teil der produzierten Menge mitgenommen werden. Das Angebot komme bei den Menschen gut an, verschiedenste Leute sind im Fitnessstudio zu Gast und unterstützen das Projekt. Neben seiner kleinen Produktionsstätte sind ein Gemeinschaftsgarten und soziale Aktivitäten auf dem Areal geplant. Die Projekte werden gemeinsam mit dem Verein und Mitinitiant «UMschwung» umgesetzt. Thomas Wieland ist zufrieden, wie sich alles entwickelt und meint abschliessend: «Ich habe keine Weltlösung bereit. Aber ich habe einen Ansatz gefunden, der mein Leben bereichert und freudiger macht. Im Gegensatz zu anderen Ländern haben wir hier einen grossen Handlungsspielraum, diesen dürfen oder sollten wir nutzen.»