«Diese Klasse ist klasse»

«Diese Klasse ist klasse»

Ein Fest, ein Ziel. Dort zu helfen, wo Feste im Moment kaum stattfinden, dort wo Millionen von Menschen Hab und Gut verloren haben: in der Türkei. Die Schulklasse von Gürcan M. in Rüeggisberg hat an einem Nachmittag voller Aktionen und Spielen Geld zugunsten der Erdbebenopfer gesammelt.

Die Medien haben ihre Kameras längst ausgeschaltet, die Berichte eingestellt und die Mikrofone eingepackt. Zurück bleiben tausende von Tonnen Trümmern und ein Scherbenhaufen von Leben für Abermillionen von Türkinnen oder Syrern. Gegen das Vergessen dieser Katastrophe kämpft die 5./6. Klasse in Rüeggisberg. Vom Flyer bis zum Herstellen von Glace für das Fest: Die Jugendlichen haben mit viel Initiative ein Fest auf die Beine gestellt, dessen Erlös den Erdbebenopfern zu gute kommen soll.

Plötzlich Bäcker

Rund 2500 Franken sind zusammengekommen. Nicht einfach so, sondern dank vielen guten Ideen der ganzen Schülerschaft. «Ich wusste gar nicht, dass mein Sohn backen kann», verrät eine Mutter. Plötzlich sei der Junge mit Rezept bewaffnet in der Küche gestanden und hätte gebacken, was das Zeugs hält. Andere erfanden ein eigenes Glace-Rezept. Die geheime Rezeptur mit dem Namen «Schlumpf» ist so gut angekommen, dass der Glace-Kübel Ende Nachmittag leer war. «Die Kinder haben das ganze Fest selbst organisiert, vom Flyer bis zu den Ständen; ich bin wirklich begeistert von ihrem Einsatz», sagt Klassenlehrerin Gürcan. 

Bewusstsein schaffen

Das erstaunt insofern, weil die Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien nun schon längst von den Bildschirmen und Zeitungen verschwunden ist. Fast möchte man meinen, die Informationskanäle hätten es vergessen. Doch die 5./6. Klasse hat das beschäftigt, weit über den Medienhype hinaus. «So wurde dieses tragische Ereignis zu einer wichtigen Lektion ausserhalb des Lehrplans. Die Schülerinnen und Schüler haben ein Bewusstsein geschaffen für etwas, was so gänzlich anders ist als die vertraute, eigene Welt. Sie entwickelten im Laufe der Zeit die Erkenntnis, dass es so, wie es hier ist,  nicht so selbstverständlich ist wie bisher angenommen.» Die Augen der Lehrerin leuchten bei dieser Aussage. Zweifelsfrei: Sie ist stolz auf ihre Klasse. «Wir haben grosses Glück, dass wir von solch einem Erdbeben verschont sind, da verliert man plötzlich alles, das ist schrecklich», gibt eine Schülerin zu Protokoll. «Da musste man doch einfach helfen, so schnell ist es dort ja nicht wieder gut», ergänzt eine Kollegin.

Es geht weiter

In den letzten Jahren der Primarstufe ist der Lehrplan gedrängt, der Übertritt in die Oberstufe steht an. Trotz alledem opferten die Schülerinnen ihre Freizeit, um ein Spendenfest auf die Beine zu stellen. Manche Eltern und Verwandte beschlossen kurzerhand, zu helfen. So stand in der Turnhalle eine gewaltig grosse Mähdreschmaschine als Luftschloss. Zweifellos die Hauptattraktion für die Kinder selbst. Nach dem grossen Aufräumen ist die Klasse gespannt auf die Summe an Geld, die zusammengekommen ist. Auch hier entpuppt sich ein Schüler als besonders geeignet, um diesen Teil zu übernehmen. «Er hat schon während dem Fest begonnen, die Einnahmen zu zählen und sich einen Überblick zu verschaffen. Ich bin überrascht über seinen Aktionismus», berichtet eine weitere Mutter über ihren Sohn. Die ortsansässige Bank EKR dürfte das mit Freude lesen. Da wächst vielleicht ein zukünftiger Lehrling heran.

Das Geld wird nun einer Organisation übergeben, die direkt vor Ort Hilfe leisten kann. Wer das ist? Dazu befragt die Klasse Sebastian Eugster, der in Rüeggisberg wohnt und bereits für die Erdbebenhilfe vor Ort war. Der Klassenbesuch findet in diesen Tagen statt. Zurück bleiben eine erfreute Lehrerschaft, erstaunte Eltern und Kinder, für die das selbstverständlich war. Wie wichtig ihre Hilfe Wochen nach der Katastrophe ist, scheint für sie völlig natürlich. Achtung, hier folgt eine Lektion von 5.- und 6.- Klässlern für alle Erwachsenen. Gemeinsam helfen wirkt, macht Freude und ist gut fürs Gemüt. Danke liebe Schülerinnen und Schüler für diese Lektion. «Diese Klasse ist klasse» steht auf einem Schild im Schulhaus. Und auf dem Nachhauseweg bleibt nur noch ein anerkennendes Nicken mit dem Wortlaut: «Stimmt.»

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