Es ist wie das Eintauchen in ein warmes Bad nach einem anstrengenden Tag. Wer durch die Tür in das etwas versteckte Atelier tritt, findet sich unversehens in einer Welt voller Farben wieder. Getupft, gepinselt, grossflächig oder fein und klein rieseln die leuchtendsten Farben des Regenbogens von unzähligen Leinwänden auf die Eintretenden herab, hüllen sie ein und machen das graukalte Winterwetter draussen vergessen. Zahlreiche Pinsel stehen bereit, weisse Leinwände stapeln sich, Tuben und Töpfe reihen sich aneinander. Die Menschen, die hier arbeiten und wirken, leben in einer der Wohngemeinschaften der Stiftung Olaf Asteson und gelten im Rest der Gesellschaft als Personen mit Handicap. Hier, vor Staffelei und Leinwand, sind sie vor allem eins: Künstlerinnen und Künstler. Sie erschaffen Welten und finden ganz eigene Stile.
Kunst als Sprache
«Das Schöne ist, zu erleben, dass jede und jeder den eigenen Weg findet, um sich mit Farbe auszudrücken. Es ist bewundernswert, wie sie dranbleiben und etwas entwickeln, einen eigenen Stil finden», erzählt Andreas Schutter. Er war lange Zeit Leiter der Stiftung Olaf Asteson und arbeitet seit Jahrzehnten auf kreative Art und Weise mit den Bewohnenden. Theater, Töpferarbeiten, Malerei oder Musik. Alles hat Platz im Alltag und in der Auseinandersetzung mit den Menschen mit einer Beeinträchtigung. Hier im Kreativatelier, mit Farbe oder Ton, können Menschen, die in Sprache und Motorik eingeschränkt sind, ganz eigene Kommunikationswege finden. «Es ist wie Sprache, der Ausdruck durch Farbe, das kann einen anderen Zugang geben», weiss Andreas Schutter. Einen anderen Zugang zum Umgang mit Menschen, die anders sind als die Norm, wünscht sich Schutter auch im Alltag. Einer der Grundsätze innerhalb der Stiftung Olaf Asteson ist denn auch, dass auf Augenhöhe kommuniziert wird. «Alle können mitreden und sich einbringen, wir reden nicht über die Menschen, sondern mit ihnen», erklärt Andreas Schutter und ergänzt: «In der Kunst ist es ein Miteinander, im Sozialen ist es ebenfalls ein Miteinander.»
Offen für alle
Der Wunsch, die Grenzen zwischen der Gesellschaft und den Menschen, die in der Stiftung Olaf Asteson leben, aufzuheben, ist mit ein Grund, das Atelier mitten im Liebefeld zu führen und nicht irgendwo auf dem Land. «Wir wollen näher bei den Leuten sein, es ist für uns wichtig, diese Einbettung zu haben», erklärt er. Seit Längerem reift deshalb auch die Idee, Mal- und Keramikatelier als Begegnungsorte zu öffnen, ganz im Sinne der Inklusion. «Unsere Idee ist, dass man es offen halten kann für alle, die mal mit Farbe oder Ton arbeiten möchten», erklärt Andreas Schutter. Wie genau zusammengearbeitet werden soll, könnte individuell und von Mal zu Mal besprochen werden. Willkommen sollen alle sein, die mit Material und Farbe experimentieren und ausprobieren möchten. Als wichtigste Regel gilt: Man kann nichts falsch machen. «Nur nichts machen, das geht nicht», lacht der Atelierleiter, «aber sobald man etwas macht, dann ist es richtig. Wir haben keine Angst vor Farbe, wir sind selber ja bunt als Menschen!»
Geschehen lassen
Dem stimmt Rolf Thomi zu. Seit Jahren ist er regelmässig an der Staffelei und malt. Auch im Keramikatelier ist er kreativ. Dort ist die Arbeit etwas anspruchsvoller, da man bestimmte Werkzeuge und Techniken beherrschen muss. Er ist gern im Atelier. Wie geht er vor, wenn er vor einer neuen leeren Leinwand steht? «Einfach machen! Es hilft, den Kopf zu sortieren», strahlt er. Die Ansprüche an Unterstützung durch den Atelierleiter sind sehr unterschiedlich. Bei einigen reicht es, die Farben parat zu stellen, bei anderen braucht es ab und zu einen kleinen Input. Andreas Schutter erlebt die Begleitung selbst als kreativen Prozess. «Ich habe immer mehr gelernt, zurückhaltend zu sein», erklärt er. Geschehen lassen, etwas zutrauen. Die Erfahrung gebe auch Sicherheit, den künstlerischen Prozess zu wagen und nicht zu oft zu unterbrechen oder zu intervenieren. Die Resultate, die an den Wänden hängen, geben Schutter mehr als recht.
Die bestehenden Werke von grexOA – übersetzt Gruppe Olaf Asteson, wie sich das Kollektiv nennt – werden denn auch im März im Kulturhof Schloss Köniz in der Ausstellung «IN COLOUR» zu bestaunen sein.