Ein langes Leben

Ein langes Leben

In der Residenz «Vivo» durfte Katharina Zimmermann-Bangerter letzten Dezember ihren hundertsten Geburtstag feiern.

Ich warte in der Bibliothek auf Katharina Zimmermann. Eine freundliche Frau im Rollstuhl wird hereingeführt. Ihre Augen schauen wach, die braun-rötlich gefärbten Haare stehen ihr gut und lassen sie um etliches jünger als hundertjährig erscheinen.

Mit Hilfe ihres Neffen hat sie eine Kurzbiografie zusammengestellt, ohne die sie mir zu wenig aus ihrem Leben erzählen könne, bemerkt Zimmermann mit aufmerksamem Blick. Und so fächert sich ein langes, intensives Leben auf.

Frühe Verlusterlebnisse

«Hatten Sie ein schönes Leben?», frage ich. «Gemischt», sagt Zimmermann nach tiefem Einatmen, dann bleibt das Wort lange im ruhigen Raum hängen. Katharina Bangerter wurde 1923 als viertes Kind in Buttisholz geboren. Kurz darauf kauften die Eltern einen Bauernhof in Kienberg SO. Als Katharina vierjährig war, brannte dieser nieder. Sie verloren ihr ganzes Hab und Gut, nur zwei Kälbchen konnten gerettet werden. Ein fürchterliches Ereignis für Käthi Bangerter, zumal der Vater auch mit den Zahlungen an die Versicherung in Verzug war und die Familie durch den Brand völlig verarmte. Kurz nach diesem Ereignis starb die Mutter an der Geburt des 6. Kindes. Die älteren Geschwister wurden schnell in andere Familien als «Verdingkinder» verteilt. Käthis «Taufgotte» holte sie zu sich auf die Forch. Ein Glücksfall, denn die kinderlose Gotte mochte «die kleine Käthi». Und sie war glücklich dort, obwohl sie die Mutter sehr vermisste. Im Garten stand ein grosser Quittenbaum, und heute noch steht ein Spross dieses Quittenbaumes beim Neffen von Käthi Zimmermann.

Heimatlos

Nach dem Tod ihrer Mutter heiratete der Vater eine Witwe und wollte die nun Neunjährige zurück zu sich nehmen. Die Stiefmutter mochte das Kind aber nicht, überhäufte sie mit Arbeiten und war sehr abweisend zu ihr. So war es wie selbstverständlich, dass Käthi zu einer gelähmten Halbschwester zu schauen hatte. «Bertheli» war ein «so liebes Mädchen», und Käthi hatte eine warme Zuneigung zu ihr entwickelt, aber die viele Arbeit war einfach zu streng für ein Kind.

Nach Abschluss der Schule reiste Bangerter ins Val-de-Ruz auf einen Bauernhof. Hier arbeitete sie unter misslichen Bedingungen in Haushalt, Stall und Feld. Bangerter wehrte sich für einen besseren Arbeitsplatz, an welchem sie gut behandelt würde. Sie fand zum Glück eine Stelle in Neuenburg, wo sie ihr Haushaltslehrjahr beenden konnte. Durch einen Onkel arrangiert, fand sie eine Lehrstelle in Münchenstein. Anschliessend arbeitete sie in Interlaken als Verkäuferin, wo sie ihren zukünftigen Ehemann kennen lernte.

Freunde aus der ganzen Welt

Bangerter heiratete 1947 den Bundesbeamten Karl Zimmermann und war über 60 Jahre eng mit diesem «lieben Mann» verbunden, bis dieser vor 8 Jahren starb. Da die Ehe kinderlos blieb, konnten sie umso freier die ganze Welt bereisen. Unglaublich viele Reisen in alle Kontinente, von Hawaii bis nach Asien, erfüllten Zimmermanns mit Freude, Neugierde und Weltoffenheit. Aus diesen Reisen ergaben sich unzählige Freund- und Bekanntschaften. So hatten sie immer ein offenes Haus und beherbergten Menschen aus der ganzen Welt über Jahrzehnte weg. Und da zeigte es sich, dass Zimmermann eine hervorragende Köchin war. Ihre Birnen- und Apfelkuchen waren legendär. Es wurde viel gesungen; «Vo Schönebuech bis Ammer…» (Das Baselbieter Lied), und Zimmermann spielte viele Jahre Handorgel. Durch die vielen Reisen sprach das Ehepaar fliessend Englisch und Französisch. Viele ausländische Jugendliche lebten während eines Sprachaufenthaltes bei ihnen.

Spätes Studium

Erst als es sich abzeichnete, dass Zimmermanns kinderlos bleiben würden, machten beide Ehepartner noch die Eidgenössische Matur, was ein lang gehegter Wunsch von Katharina Zimmermann war, und sie bestand diese mit Bravour. Nun wollte sie Phil.I (Literatur, Geschichte, Publizistik) studieren, was ihr auch gelang. Bis heute bedauert es Zimmermann, zwei Teilfächer nicht abgeschlossen zu haben. Dennoch von allen Seiten ein grosses Bravo. Oft hatte sie Stellvertretungen an Primarschulen übernommen (z. B. in Tägertschi).

Katharina Zimmermann lebte im Spiegel in einer Wohnung im vierten Stock und ging noch jeden Tag hinunter und hinauf, um die Post zu holen. Hier starb auch ihr heissgeliebter Kater nach 20 Jahren. Im November 2023 entschloss sich Zimmermann, in die Altersresidenz «Vivo» in Köniz einzutreten. Der Geist ist bis jetzt jung geblieben, aber das Gehen ist nach einem Schenkelhalsbruch mühsam geworden und so beginnt sie, sich in der Altersresidenz mit dem zuvorkommenden Personal wohlzufühlen, und empfängt viele Besuche von «alten» Bekannten. Mit Gottes Hilfe habe sie das «gemischte» Leben geliebt, sagt Zimmermann zum Schluss.

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