Fröhliches Stimmengewirr, Tellerklappern, Nähmaschinenrattern, farbige Tauschbons, reichhaltiges Brunchbuffet, verführerischer Crêpesduft, Wühltische und Kleiderständer voller Hosen, Jacken, Blusen, Shirts, Röcke und Schals – wen es am ersten Novemberwochenende in die «Heitere Fahne» verschlug, dürfte sich ob all der Sinneseindrücke nach kurzer Zeit in angenehm rauschähnlichem Zustand befunden haben. Gut so, denn das Wochenende stand ganz im Zeichen des alljährlichen Kleidertauschrauschs.
Gelebte Nachhaltigkeit
Das Prinzip hinter dem Kleidertauschrausch ist rasch erklärt: Kleider tauschen statt kaufen. Alte, noch gut erhaltene wenig getragene Kleider können ab Samstagmittag in Bons und diese wiederum in Secondhand-Mode umgewandelt werden. Kleinere Änderungen an Einzelstücken werden direkt vor Ort vorgenommen. Nähmaschinen stehen bereit und Nähprofis nehmen sich den individuellen Wünschen an, sodass die Schnäppchen auch wirklich getragen werden. «Wir wollen Kleidern ein neues Leben geben, indem jemand wieder Freude daran hat», strahlt Christine Vogt. Sie ist Inhaberin der «Colora Boutique» in Köniz und engagiert sich aus Überzeugung für den Tauschrausch: «Wir wollen die Leute sensibilisieren und animieren, faire Kleidung zu kaufen». Wir, das ist das Organisationskomitee Kleidertauschrausch. Seit Jahren organisieren die verschiedenen Kirchgemeinden aus Wabern gemeinsam die Kleidertauschbörse, unterstützt von «Public Eye» und lokalen Modelabels. Längst geht es nicht mehr bloss um den Kleidertausch und das Schonen von Ressourcen und Portemonnaie. Aus der Börse ist ein regelrechtes Happening geworden: Nähateliers, Beautystudio, Hebammenworkshop, Modeberatung und eine «Fair Fashion Modeshow» gehören mit zum Programm.
Stimmungsvolle Modeschau
«Fair Fashion» – ein Stichwort, das Christine Vogt besonders am Herzen liegt. Mit ihrem Schweizer Label «Colora» kämpft sie gegen billige Massenware an, die unter meist miserablen Bedingungen hergestellt wird. Dass Haute Couture durchaus fair und alltagstauglich sein kann, bewiesen die 3 präsentierten Labels an der Modeschau am Samstagabend. Nach dem hektischen und wuselnden Nachmittagsbetrieb fand im grossen Saal der «Heiteren Fahne» ein kompletter Szenenwechsel statt. Wühltische und Kleiderstangen wichen Stuhlreihen und Laufsteg. Im stimmungsvollen Ambiente des altehrwürdigen Saals präsentierten Models aktuelle Kreationen der Boutique «Colora» (Köniz), «Boutique Alegria» (Neuenburg) und von Designer Adrian Reber
(Ostermundigen). Musikalisch begleitet wurde der Lauf von einem Saxofonisten und einer DJane. «Individualität muss auch in der Show ersichtlich sein», betont Christine Vogt. Ihre Kleider wurden denn auch von Frauen aus dem Kundinnenkreis von «Colora» vorgeführt, «Frauen wie du und ich.»
Gute Zusammenarbeit
Ein solch vielfältiges Angebot, wie es das Organisationskomitee Kleidertauschrausch dieses Jahr bereitstellte, verlangt nach einer würdigen Lokalität. Dass die «Heitere Fahne» auf die Anfrage des OKs so positiv reagiert hat, freute Christine Vogt sehr. Auch Olivier Eicher von der «Heiteren Fahne» ist zufrieden mit dem Anlass. «Das Thema, wie wir mit unseren Ressourcen umgehen, ist aktuell», erklärt er. Für ihn sei klar gewesen, dass im Falle der Zusammenarbeit mit grosser Kelle angerührt wird – ein «Happening», wie man es von der «Heiteren Fahne» gewohnt ist. Eher ungewohnt seien aber die unterschiedlichen Hintergründe der beiden Veranstalter, schmunzelt Olivier Eicher. Allerdings nur auf den ersten Blick. «Wir haben rasch gemerkt, dass wir ähnliche Werte vertreten: Es geht um Offenheit, ein Miteinander, Gemeinschaft.» Werte, die in der familiären, wuselnden Atmosphäre das ganze Wochenende lang spürbar waren. Ob man auch nächstes Jahr zusammenarbeiten wird, ist aber noch offen. Christine Vogt ist mit der Zusammenarbeit und mit dem Kleidertauschrausch-Wochenende rundum zufrieden. «Es ist spannend, wie sehr es ein Bedürfnis der Menschen ist, Kleider zu tauschen», staunt sie einmal mehr. Ein Bedürfnis, das absolut dem Zeitgeist entspricht und hoffentlich weiterhin anhält. Dem Planeten und den Ressourcen zuliebe, aber auch weil ein regnerisches Wochenende bei Tausch, Schmaus und friedlichem Miteinander plötzlich bunt und sonnig wird.