Eine herzliche Bitte

Eine herzliche Bitte

Sie schiessen wieder, die Männer und Frauen, welche die mittelalterliche Wurfmaschine, genannt «Blide», unweit vom Schloss abfeuern. Doch ein paar dieser «Blidenknechte» sind in die Jahre gekommen und wünschen sich Verstärkung für ihr lebendiges Brauchtum, das es zu bewahren gilt.

Die Ferienfamilie aus Arbon staunt nicht schlecht, als sie nichtsahnend das Schloss Laupen besucht und ein mittelalterlich gekleidetes Völklein antrifft: die Blidenknechte. «So etwas haben wir noch nie gesehen», so die einhellige Bemerkung der Feriengäste, die sich das Spektakel in der Folge nicht entgehen lassen.

Der 1. Schuss
Stolz weht die Berner Fahne zu Laupen im lauen Sommerwind, als die Blidenknechte und Marketenderinnen (sind für die Versorgung zuständig) ihr Wurfgerät vorbereiten. Mit Muskelkraft kurbeln 4 Männer so lange, bis die Blide zum Anschlag gespannt ist. Ein Hornklang ertönt und verrät, dass niemand aus dem Schloss in die Gefahrenzone kommen kann. Ein Trommelwirbel erklingt, der Tambourverein Laupen kündigt den Schuss an. Kurz darauf katapultiert die Blide das Wurfgeschoss mit erstaunlicher Wucht Richtung Schlossmauer. «Der ging weit», kommentiert Bea Brügger den ersten Schuss. Denn die Blidenknechte arbeiten präzise und können den Aufprall bei der Schlossmauer gegenüber früheren Schüssen gut vergleichen.

Der 2. Schuss
Ganz ähnlich muss es früher gewesen sein. Etwa im Jahre 1339, als anlässlich der Schlacht von Laupen das Schloss einer 11-tägigen Belagerung trotzte und die Blide massgeblich dazu beitrug, dass die Feinde das Schloss nicht einnehmen konnten. Die mehrere Tonnen schwere Holzkonstruk­tion pflegt und renoviert der Verein. Anlässlich der 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft transportierte das Militär die Blide in die Innerschweiz. Ansonsten steht sie in Laupen und ist schweizweit einzigartig. Inzwischen haben die Knechte wieder gekurbelt und der kleine Junge aus Arbon darf unter Anweisung der erfahrenen Blidenknechte den Strick ziehen, der den 2. Wurf auslöst. Wieder trifft das Geschoss weit oben auf der Schlossmauer auf. «Ein guter Schuss», lobt einer der Knechte den Jungen, der daraufhin ein Diplom erhält, wie es alle erhalten, die den Verein als Attraktion engagieren.

Der letzte Schuss
«Wir sind ein zufriedenes Völk­lein, das gerne gesellig beisammen sitzt», erklärt eine der Marketenderinnen und packt den speziellen «Blidentrunk» aus dem Korb und reicht ihn zur Degustation. Das Rezept ist geheim, der Geschmack erfrischend und vielseitig. Ein Gesprächsthema hat jedoch nach dem Schiessen oder am Raclette-Abend immer mehr Platz eingenommen: der Bedarf an neuen Blidenknechten. Ein Blick in die Runde verrät: da stehen gestandene, kräftige Blidenknechte, beim einen oder anderen schauen aber etliche graue Haare unter der Mütze hervor. Der Verein sucht Blidenknechte, um dieses einzigartige Brauchtum zu bewahren. «Man muss nicht aus Laupen sein, man muss nicht an jedem Anlass verfügbar sein, man muss eigentlich nur die Freude an dieser mittelalterlichen Tradition mitbringen», resümiert Bea Brügger. Inzwischen ist die Blide wieder gesichert und alle stehen vereint beim Umtrunk. Niemand kann sich hier vorstellen, dass dieses historische Idyll einmal gefährdet sein könnte, dass dieses Gedenken an die Laupener Vergangenheit bedroht sein könnte. Aber alle machen sich Sorgen, ob und wann sich neue Blidenknechte und Marketenderinnen einfinden werden.

Für die Ferienfamilie aus Arbon ist es Zeit, sich von der Blidenfamilie zu verabschieden. Zurück bleibt ein lustiges Völklein, das unter der wehenden Fahne noch ein wenig verweilt und unter dem Schatten der wuchtigen Laubbäume nicht nur ein farbenfrohes Bild abgibt, sondern für ein schweizweit einzigartiges Brauchtum steht.

Teilen Sie diesen Bereich

Beitrag:
«Eine herzliche Bitte»

Die meistgelesenen Artikel

Kontakt

Datenupload

Der einfachste Weg uns Ihre Daten zu senden!

Werbeberatung

Schritt 1 von 2