Er schüttet die Gräben zu

Er schüttet die Gräben zu

In den Gemeinderat kam er überraschend, in den Grossrat ebenfalls. Die Parteien greifen immer wieder auf einen Mann zurück, der eine etwas andere Kommunikation pflegt als üblich. André Roggli – ein Politiker aus dem Land mit der Offenheit eines Kosmopoliten.

Sie reden viel, sie behaupten noch mehr und sie provozieren, um sich einige Zeilen in den Medien zu erhaschen. Einige Politikerinnen und Politiker verschaffen sich viel Gehör mit wenig Gespür. Ein Gegenstück zu dieser Strömung ist ein Rüschegger Mann, der sagt: «Statt Schimpf und Schande zu verteilen, suche ich lieber die Perspektiven und verfolge diese.»

Kommunizieren
Diese Einstellung kommt nicht von ungefähr. Roggli ist seit einigen Jahren Trainer und Coach für viele namhafte Firmen im In- und Ausland. Er beherrscht die «Neurokommunikation», die zum Ziel hat, Informationen mit positiven Eindrücken zu verbinden. Er argumentiert also nicht mit Angstmacherei, sondern mit Lösungsfinderei. «Das löst vielleicht in der Öffentlichkeit weniger Echo aus, ist aber besser für die Sache», sagt er überzeugt. Das bedeutet allerdings nicht, dass er keine Emotionen zeigt. In der letzten Session setzte sich der Rüschegger vehement für die Ausnahmelösung der abgewiesenen Asylsuchenden mit Lehrstelle ein. «Ich hatte nicht mal eine Rede vorbereitet, spürte aber, dass hier gewisse Argumente in eine ganz falsche Richtung gehen und wollte intervenieren», erklärt er. Der Grossrat hat ein ruhiges und sicheres Auftreten, im Inneren brennt aber das Feuer der Leidenschaft. Selbst in diesem Moment. Während er erzählt, hält er einen seiner drei Hunde auf dem Arm und streichelt den kleinen Strolch immer mal wieder, bis er eingeschlafen ist. Jedesmal, wenn ein Thema seine Leidenschaft entfacht, erwacht zeitgleich der kleine Racker für einen kurzen Augenblick.

Entwickeln
«Ich versuche das zu tun, was mir wichtig ist und hinter dem ich stehen kann», setzt er das Gespräch fort. Das ist eine ganze Menge. Beruflich liegt ein Werdegang vom Maurer zum Versicherungsberater hin zu einer Tätigkeit in der Pharmaindustrie mit vielen Auslandsaufenthalten bis zum Master in kognitiven Neurowissenschaften hinter ihm, ehe er sich als Coach und Trainer selbstständig gemacht hat. Daneben engagierte sich der Rüschegger in vielen Organisationen und Vereinen, darunter die Feuerwehr, die Samariter oder als Präsident des Vereins A+ zur Erhaltung der akutmedizinischen Versorgung am Spital Riggisberg. «Mein Leben ist geprägt von Veränderungen. Diese Entwicklung darf man spüren, ich entwickle mich weiter», weiss er. Dazu gehört, dass er alle fünf bis sieben Jahre in sein Lebensbuch schreibt, wo er steht und wo er hin will. Es beginnt immer mit derselben Feststellung, dass sein Leben von Weiterentwicklungen geprägt ist, sozusagen als eigener Mutmacher für die nächsten Schritte.

Entfalten
Politisch ist das nicht anders. Angefangen hat der belesene Mann in der Kommunalpolitik für die SVP und präsidierte diese sogar eine Zeit lang in Rüschegg. Je mehr der damalige Einfluss des Zürcherflügels auf die Partei einwirkte, desto mehr widersprach das seiner eigenen Einstellung. Aus beruflichen Gründen trat er in der Politik aber ohnehin eine Zeit lang kürzer. Als die Zeit für ein politisches Mandat wieder gekommen war, «suchte ich nach einer Partei, die nicht nur stur in eine Richtung geht, sondern ihren Mitgliedern gewisse Freiheiten zugesteht», begründet er den Entscheid, weshalb er der BDP beitrat. Nun kam es zum Schulterschluss der CVP und der BDP zur neuen Mitte-Partei. Er ist also von rechts bis in die Mitte gerutscht. «Das verstehen vielleicht nicht alle Menschen, ist aber ein Teil meiner Entwicklung», klingt er konsequent. Der politische Weg ging für ihn aber noch weiter. Im vergangenen Jahr übernahm er den Sitz von Ueli Stähli (BDP) und rückte in den Grossrat nach. «Das war schon ein wenig überraschend», erinnert er sich. Die Parteispitze hat die Stärken des Rüscheggers erkannt und ihn nominiert.

Zuhören
«Ich muss allerdings noch etwas dazulernen, vor allem wie die Gespräche ausserhalb der Session untereinander ablaufen. Ich möchte wissen, weshalb sich jemand so und nicht anders entscheidet. Mir geht es ums Zuhören und Verstehen, denn eines fällt auf: Konflikte entstehen meist aufgrund mangelnder Kommunikation», schildert er seine Beobachtungen.

Seine Begabung, gerade in diesen Bereichen, hat die Mitte-Partei schon lange erkannt. Gemeinsam mit dem Parteipräsidenten Gerhard Pfister stand er unlängst in Belp und dabei ging es um die nationalen Parlamentswahlen 2023. Es dürfte ihn spätestens jetzt etwas weniger überraschen, dass er abermals auf der Wunschliste der Partei steht. André Roggli schüttet Gräben zu, weil er hinhört und Perspektiven sucht. Ein grosser, den es noch zuzuschütten gilt, ist derjenige zwischen Stadt und Land. Ein weitgereister, weltoffener Mann mit solch tiefen Wurzeln in Rüschegg ist vielleicht genau die richtige Kombination für dieses Vorhaben.

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